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El-Nino- und La-Nina-Extreme seit 1525

Klimaforschung. - El Nino und La Nina - unter diesen Namen die zwei besonders starke Klimaschwankungen im tropischen Pazifik bekannt. Besonders der "Jahrhundert-El-Nino" von 1998/99 mit rund 8000 Toten ist in der Erinnerung lebendig. Werden die El Ninos durch Klimaerwärmung häufiger und heftiger? Eine australische Forscherin hat jetzt die bisher umfassendste historische Rekonstruktion der beiden Klimaanomalien vorgestellt. Das Ergebnis: Extrem war das System auch früher schon, was es um so schwieriger macht, Einflüsse der Klimaerwärmung zu identifizieren.

Von Volker Mrasek | 07.01.2009
    Die Wetterdämonen aus dem tropischen Pazifik geben weitere Details aus ihrer Vergangenheit preis. Erstmals liegt jetzt eine fast 500-jährige Geschichte nicht nur von El Nino vor. Sondern auch von seiner Gegenspielerin La Nina. Die Zeitreihe reicht bis 1525 zurück. Erstellt wurde sie von Joelle Gergis. Die junge Forscherin von der Universität Melbourne in Australien durchforstete mehr als ein Dutzend sogenannte Klimaarchive aus dem pazifischen Raum:

    "Ich habe vor allem Baumring-Archive herangezogen, aber auch Daten von Korallen, einen Eisbohrkern aus den Anden und historische Dürre-Aufzeichnungen aus Indien und China. Nehmen wir zum Beispiel eine typische Baumart aus Neuseeland, von der es lange Datenreihen gibt. Immer dann, wenn El Nino vorherrschte, produzierten die Bäume weite Jahresringe in ihrem Holz. In La-Nina-Jahren dagegen fielen die Jahresringe schmal aus."

    Demnach gab es über 90 El Ninos und über 80 La Ninas seit dem frühen 16. Jahrhundert. Und die Klimaarchive zeigen, dass sich intensive zuletzt häuften:

    "In meiner Studie habe ich die Klimaereignisse eingeteilt: in schwache, moderate, starke und extreme. Interessanterweise ergab sich dabei: 43 Prozent aller extremen El Ninos und La Ninas traten im 20. Jahrhundert auf. Und 30 Prozent erst nach 1940. Schaut man nur auf El Nino, dann muss man sagen, dass sogar 55 Prozent aller extremen Ereignisse in das 20. Jahrhundert fallen."


    Hat das System also seinen Betriebszustand gewechselt? Läuft es im Industriezeitalter auf höheren Touren? Und zeigt sich darin der Einfluss des Menschen, den viele Forscher schon zu sehen glauben? Durchaus möglich. Die El-Nino-Daten erweckten diesen Eindruck, sagt die australische Klimatologin. Doch sie hat Bedenken. Denn im Fall von La Nina sieht die Sache anders aus:

    "Meine Analyse hat ergeben, dass es schon im 16. und 17. Jahrhundert eine extreme La-Nina-Periode gab. Und nicht erst im 20.."

    Man darf unterstellen, dass der Mensch das System damals noch nicht entscheidend beeinflusst hat. Dass es also von Natur aus besonders aktive Phasen durchläuft und dann auch extreme Klimaschwankungen produziert. Selbst die Häufung extremer El Ninos im 20. Jahrhundert könnte sich insofern noch im normalen Rahmen bewegen.

    "Es gibt zwar Studien, die nahelegen, dass sich diese Klima-Anomalie durch die Erderwärmung stärker aufschaukeln könnte. Aber noch besteht kein Konsens darüber. Und so lange der nicht erzielt ist, kann niemand behaupten, es gebe da einen direkten Zusammenhang."

    Diese Einschätzung teilt auch Rob Allan. Der Geowissenschaftler forscht im Klimazentrum des britischen Wetterdienstes in Exeter. Allan hat schon diverse Studien über El Nino veröffentlicht. Dass das System durch den Klimawandel zusätzlich aufgeputscht wird - diese Vermutung gibt es seit gut und gerne zehn Jahren, wie Allan sagt:

    "Es gab seither keinen so großen Fortschritt. Wir wissen immer noch nicht genug über El Nino. Das System hat nun mal natürliche Phasen erhöhter Aktivität, auf Zeitskalen von Jahren bis zu Jahrzehnten."

    Die Wetterdämonen aus dem Pazifik bleiben also vorläufig undurchschaubar - aber auf jeden Fall gefährlich. Sollte die Phase extremer El Ninos andauern, ist mit weiteren Wetterkatastrophen zu rechnen. Wann, kann allerdings niemand genau sagen.