Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


"el rojito"

Neben den Markenkaffeesorten und den No-Name-Produkten der Lebensmittel-Discounter, gibt es auf dem Kaffeemarkt noch eine kleine Nische für Anbieter, die nicht nur Kaffee verkaufen, sondern auch noch eine Idee umsetzen wollen - die Idee von einer etwas gerechteren Welt. Hier soll nicht der letzte Cent aus den Bauern in den Entwicklungsländern herausgepresst werden, um das Produkt so billig wie möglich in den Industrieländern an den Kunden zu bringen, sondern hier geht es darum, den Landwirten so viel Geld zu geben, damit sie auch ein Auskommen haben mit ihrem Einkommen. Doch selbst in dieser kleinen Nische ziehen nicht alle an einem Strang, sondern kochen ihr eigenes Süppchen.

Von Achim Gutzeit | 12.08.2004
    Das ist Rohkaffee aus Nicaragua. Allerdings ist das sogar pflanzfähiger Kaffee, das heißt, der ist nicht so weit behandelt, dass man daraus keine neuen Pflanzen mehr ziehen kann. Normalerweise ist es so, dass der Kaffee, der hier ankommt, schon soviel entfernt wurde, dass man daraus keine Pflanzen mehr ziehen kann.

    Kaffee ist die Leidenschaft und der Beruf von Magnus Kersting. Kersting ist im Vorstand des Vereins "el rojito", einem der kleinsten selbständigen Kaffee-Importeure Deutschlands. Das kleine Geschäft mit dem handgemalten Schild über der Toreinfahrt liegt versteckt in einem Hinterhof des Hamburger Stadtteils Ottensen. Im Verkaufsraum stehen Kartons mit Kaffee und Espressi - "la Cortadora", "Flor de Café" oder "Sandino" heißen die Sorten, die hier verkauft und verschickt werden. Sie stammen überwiegend aus Nicaragua und El Salvador. "El rojito" gibt es seit 1987, seine Wurzeln hat "el rojito" - der kleine Rote - in der Solidaritätsbewegung für Nicaragua und der Revolution dort 1979. Für Magnus Kersting war Kaffee damals das ideale Mittel, um die Entwicklung dort zu unterstützen:

    Bei "el rojito" ist es so, dass Kaffee ein Produkt war, was sich halt einfach sehr anbot: Kaffee ist das zweitwichtigste Produkt auf dem Weltmarkt, Kaffee kann man relativ leicht handeln, es ist leichter als das - was ja später dazugekommen ist, nämlich Bananen - wo man eine ganz andere Infrastruktur braucht. Für uns war es die Sache, dass wir zeigen wollten, dass Handel und Wirtschaft auch anders möglich sind.

    Heute importiert "el rojito" jährlich rund 45 Tonnen Kaffee pro Jahr nach Deutschland. Der Import läuft unter dem Dach der MITKA. Für insgesamt acht Kleinrösterein organisiert die "Mittelamerika Kaffee Import-Export GmbH" von Berlin aus den Einkauf des Rohcafés in Südamerika:

    Wir machen dann im September Bestellung bei den einzelnen Kooperativenverbänden, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir ordern dann Container, der Kaffee wird in Bremen angelandet und von diesem Lager wird der dann abgerufen zu den Röstereien und die Röstereien verarbeiten den Kaffee für uns und dann kommt der bei uns fertig verarbeitet und verpackt an. Die MITKA hat in den letzten Jahren etwas über 100 Tonnen importiert im Jahr.

    Die Mengen sind mit Blick auf den deutschen Kaffee-Markt verschwindend gering: Rund 2000 Sack Kaffee á 69 Kilogramm vertreiben die acht deutschen Miniröster unter dem Dach der MITKA – rund neun Millionen werden jährlich insgesamt auf dem deutschen Markt abgesetzt. Mit den Großen der Branche verbindet die Klein-Importeure nichts - sie sind nicht im Deutschen Kaffee-Verband organisiert:

    Da haben wir nie drüber nachgedacht, - es ist ein Verband wo ja auch ganz stark Tchibo und Jacobs mit drin sitzen. Also ich glaube, dass es einfach nicht sehr gut zusammenpasst.

    Die Lohn- und Arbeitsbedingungen der größeren der Branche widersprechen dem, wofür "el rojito" und die anderen sieben Importeure traditionell stehen. Aber auch das bekannte Transfair-Siegel der Kaffee-Branche - für fair gehandelten Kaffee sehen die Kleinen mittlerweile kritisch, - obwohl sie zur Gründung von Transfair indirekt mit beigetragen haben:

    Es hat sich insgesamt durch Transfair ein bisschen aufgeweicht, es ist so mittlerweile, dass fairer Handel als Begriff da steht und das, was ursprünglich halt dieses alternativer Handel/fairer Handel war, da gab es am Anfang halt ganz klare Kriterien. Der Preis sind halt ein Dollar zwanzig gewesen pro Lipra, pro amerikanisches Pfund, hinzu kam immer noch ein Projektaufschlag, das heißt, es wurde mindestens ein Dollar zweiunddreißig bezahlt. Am Anfang waren die Transfair-Bedingungen sehr ähnlich, mittlerweile sind Transfair und die Gepa davon ein Stück weit runter gegangen.

    Magnus Kersting sieht die Transfair-Kaffees der regulären Importeure als Feigenblatt, zu 99 Prozent handelten sie ja doch mit regulärem Kaffee. Der Unterschied zum Kaffee der Miniröster ist groß: Die "el rojito"- Kaffees sind meist Biocafés. Die Pflanzen werden ohne Schädlingsbekämpfungsmittel, meist unter Schattenbäumen gezogen. Außerdem sind sie sortenrein, wie bei einem Wein unterscheidet sich ein Jahrgang ein wenig vom nächsten. Konventionelle Kaffees werden dagegen gemischt, um alljährlich den gleichen, wieder erkennbaren Geschmack der Marke zu produzieren.

    Das Geschäft der MITKA-Importeure ist längst den Kinderschuhen der Dritte-Welt-Bewegung entwachsen: Einkauf, Qualitätskontrolle und Verhandlungen werden professionell abgewickelt. Nicht zuletzt wegen der gleich bleibenden Qualität ist die Importmenge seit Jahren stabil - mit leichtem Aufwärtstrend. Neuester und viel gefragter Clou im Ladengeschäft von "el rojito" sind grüne Bohnen - Rohcafé aus Nicaragua - zum Selber-Rösten in der Pfanne oder im Backofen:

    Es kommt hinzu, dass man sehr kräftig sparen kann, weil der deutsche Staat ja für jedes Kilo gerösteten Kaffees zwei Euro neunzehn zusätzlicher Steuer erhebt, die dann allerdings noch mal mit der Mehrwertsteuer, allerdings dem reduzierten Satz von sieben Prozent belegt ist und wenn man Rohcafé kauft und selber verarbeitet, dann fällt diese Kaffee-Steuer nicht an.