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Elbe-Jeetzel-Zeitung
"Zuhören und mittendrin sein"

Fast ein Viertel der Bevölkerung im Verbreitungsgebiet liest täglich die Elbe-Jeetzel-Zeitung. Das gelingt unter anderem durch eine besonders enge Bindung der Leserinnen und Leser. Dafür wurde sogar ein spezielles Gremium ins Leben gerufen.

Von Agnes Bührig | 03.06.2019
Drei Personen sitzen bei einer Besprechung am Schreibtisch. Vor ihnen liegen Notizblöcke und Blätter.
Redaktionsleiter Jens Feuerriegel (links) bei einer Konferenz der Elbe-Jeetzel-Zeitung (Deutschlandradio/ Agnes Bührig)
Ein normaler Arbeitstag in der Redaktion der Elbe-Jeetzel-Zeitung: "Dreispaltig, unten, nur Text, kurzfristig, sozusagen abrundend die Europawahl, Daniela hat mit den Jugendvertretern, also den von den Grünen, CDU und SPD gesprochen und ihre Erkenntnisse aus dem Europawahl-Ergebnis erfragt."
Europapolitik, runtergebrochen auf Lokalniveau. Redaktionsleiter Jens Feuerriegel geht mit der Hälfte des 13-köpfigen Redaktionsteams die Themen der nächsten Ausgabe durch: Vorschau auf das Großereignis "Kulturelle Landpartie" auf der zwei, Gartenvögel auf der drei, die Dorfserie auf Seite vier – bürgernah und kritisch umgesetzt, denn 40 Jahre Anti-AKW-Bewegung haben das Wendland geprägt, sagt Jens Feuerriegel.
"Die Region ist schon durch diese über 40-jährige Gorleben-Geschichte aufrührerisch. Der Bürger, der hier auch ein bisschen massiver seine Rechte einfordert als das vielleicht woanders in Regionen ist, weil man eben diese Erfahrung gemacht hat auch in Polizeieinsätzen, aber auch mit der Politik und auch mit Gorleben. Aber es gibt eben auch die klassischen Themen, das ist schon ganz wichtig, weil in den Dörfern manchmal nur noch der Schützenverein und die Feuerwehr das gesellschaftliche Bindeglied sind."
Austausch mit Leserinnen und Lesern
Berichte aus der nahen Umgebung sind wichtig, und die Nähe zum Leser. Deshalb gibt es seit Beginn des Jahres einen Leserbeirat, in dem Abonnenten mit Redakteuren über die Zeitung diskutieren, Lob, Kritik und Wünsche aus ihrem Umfeld weiterleiten. Dazu kommen regional verankerte Serien wie "Auf eine Tasse mit…" und "Warum nicht mal nach…", in der interessante Mitmenschen und peu à peu alle Dörfer des Landkreises vorgestellt werden, sagt Redakteurin Daniela Muchow.
"Wir besuchen wöchentlich ein Dorf und gucken dort, wie ist die Struktur, was machen die Menschen dort, was haben sie uns zu erzählen. Und wenn ich ankomme bei einem Dorf, dann sage ich immer: ‚Was haben Sie denn gedacht, als wir angerufen haben?‘. Und da ist die Antwort immer: ‚Endlich sind wir dran.‘ Und was auch ganz wichtig in vielen Dörfern ist, sie wollen unbedingt ein Dorf-Foto machen, wo möglichst viele Leute drauf sind, damit sie gemeinsam auftreten können – und das macht diese Dorfserie auch irgendwie so besonders charmant."
Sorgen um journalistische Zukunft
Bei allen Entwicklungen durch Digitalisierung und Globalisierung gebe es eben immer noch die Sehnsucht nach Heimat, sagt Redaktionsleiter Jens Feuerriegel. Fiele sie weg, würde er sich um die Zukunft seiner Zeitung sorgen. So macht sich der 57-Jährige vor allem Gedanken darüber, ob die nachwachsende Generation journalistische Nachrichten ganz gar durch Mitteilungen aus der Community ersetzen könnte.
"Einer kommt am Unfall vorbei, postet ein Bild und sagt: Oh, hier kleben zwei Leute am Baum. Und das ist dann die Wirklichkeit und Wahrheit, die vielleicht den Leuten reicht, vielleicht diesen Digital Natives, und dann gibt es natürlich in 50, 60, 70 Jahren, nicht mehr so etwas wie Journalismus, wie wir ihn seit 200, 300 Jahren kennen. Das sind so ein bisschen meine Albträume."
Qualitätsmerkmale einer Zeitung
Albträume, die kurz vor Start der "Kulturellen Landpartie" weit weg erscheinen: Die 126 Programmpunkte des Festivals, das einst aus der AKW-Bewegung entstand, versprechen für die kommenden Tage viele zusätzliche Leser. Nicht nur wegen des großen Serviceteils, sondern auch, weil die Elbe-Jeetzel-Zeitung seit Beginn des Festivals vor 30 Jahren berichtet.
Ein Qualitätsmerkmal, sagt Redakteurin Christiane Beyer, die gerade am Aufmacher zur "Kulturellen Landpartie" schreibt, genauso wie "den Leuten zuhören. Mittendrin sein. Ohne sich gemein zu machen - also um den Friedrichs-Satz nochmal zu zitieren. Nicht abgehoben sein, nicht die superschlauen Besserwisser zu sein."