Dienstag, 19. März 2024

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Elefanten ohne Stoßzähne
Wilderei beschleunigt Evolution

Aufgrund ihrer Elfenbein-Stoßzähne werden Elefanten immer wieder Opfer von Wilderern. Auch in Mosambik, wo lange ein Bürgerkrieg tobte, sind massenweise Dickhäuter getötet worden, um Waffen und Soldaten zu finanzieren. Und das hat nun sogar sichtbare Auswirkungen auf die Evolution, wie Forschende herausgefunden haben.

Von Monika Seynsche | 22.10.2021
Zwei Baby-Elefanten gesehen und 2007 im Limpopo Transfrontier Park picture-alliance/ dpa | Jon_Hrusa
Evolution beschleunigt: Bei viel Wilderei werden mehr Elefanten ohne Stoßzähne geboren (picture-alliance/ dpa | Jon_Hrusa)
Im Mosambikanischen Bürgerkrieg wurden massiv Elefanten gewildert, um mit ihrem Elfenbein Waffen und Soldaten zu finanzieren. Und genau das hat offenbar einen starken Selektionsdruck ausgelöst. Das Ergebnis: Eine schnelle Evolution hin zu zahnlosen Elefanten. Passiert ist alles im Gorongosa Nationalpark in Zentralmosambik. Ein endloses Geflecht von Flüssen, Sumpfgebieten und Seen durchzieht die Savannen dort.
Bis in die 1970er Jahre hinein durchstreiften weit über 2.000 Afrikanische Elefanten den Park. Dann allerdings brach der Mosambikanische Bürgerkrieg aus. Fast eine Million Menschen verloren ihr Leben. Und die Front verlief mitten durch den Gorongosa Nationalpark. Beide Kriegsparteien brauchten Geld für Waffen und Soldaten und so töteten sie tausende Elefanten, um deren Elfenbeinstoßzähne auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Über 90 Prozent der Tiere im Park fielen der Wilderei zum Opfer.
Elephant, Kruger National Park, Mpumalanga, South Africa | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
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Elefanten ohne Stoßzähne eigentlich selten

Glück hatten dabei die Elefanten, die aus einer Laune der Natur heraus ohne Stoßzähne auf die Welt gekommen waren, erzählt Brian Arnold von der Universität von Princeton in den USA: "Elefanten ohne Stoßzähne gibt es überall in Afrika, aber das Phänomen ist relativ selten. Im Gorongosa Nationalpark etwa hatten vor dem Bürgerkrieg nur 18 Prozent der Tiere keine Stoßzähne. Dann aber haben wir uns Daten angeschaut aus der Zeit nach dem Ende des Kriegs und da waren die Bestände dramatisch eingebrochen. Gleichzeitig besaßen von den wenigen, noch lebenden Tiere plötzlich 50 Prozent keine Stoßzähne."
Die zufällig stoßzahnlosen Elefanten hatten während des Krieges einen enormen Überlebensvorteil und gaben diesen offensichtlich auch an ihre Nachkommen weiter. Brian Arnold und seine Kolleginnen wollten herausfinden, welcher genetische Mechanismus dahinter steckt. Das Fehlen der Stoßzähne trat ausschließlich bei weiblichen Tieren auf. Elefantenbullen ohne Stoßzähne gab es nicht. Also untersuchten die Forschenden den Nachwuchs der zahnlosen Elefantenweibchen im Park.

Männlicher Nachwuchs hier im Nachteil

"Wie wussten dann, wie oft stoßzahnlose Mütter Töchter mit Stoßzähnen bekamen und wie oft Töchter ohne Stoßzähne und wir sahen auch, wie oft die Mütter Töchter und Söhne zur Welt brachten. Überraschenderweise gebaren die zahnlosen Mütter wesentlich weniger Söhne als Töchter. Dieses Muster passt zu einem ganz bestimmten genetischen Modell. Nach diesem Modell muss die Mutation, die für das Fehlen der Stoßzähne verantwortlich ist, auf dem X-Chromosom liegen. Und sie hat zwei Effekte. Zum einen ist sie dominant für die Zahnlosigkeit und zum anderen ist sie rezessiv tödlich."
Heißt: Weiblicher Nachwuchs, der immer zwei Kopien des X-Chromosoms erhält, wird durch die Mutation auf einem der beiden Chromosomen zahnlos zur Welt kommen, da sich zwar die dominante Zahnlosigkeit durchsetzt, nicht aber die rezessive Tödlichkeit. Die wird vom zweiten X-Chromosom überdeckt. Männlicher Nachwuchs dagegen erhält immer ein Y- und nur ein X-Chromosom. Wenn dieses X-Chromosom die Mutation trägt, setzt sich dessen rezessiv tödliche Eigenschaft durch und der Embryo stirbt noch im Mutterleib.

"Genetischer Mechanismus detailliert untersucht"

Ähnliche Mutationen sind auch von Menschen bekannt. So gibt es spezielle Zahndefekte, die grundsätzlich nur bei Frauen auftreten, da männliche Embryonen mit dieser Mutation gar nicht erst lebensfähig sind. Fanie Pelletier war nicht an der im Fachjournal Science erschienenen Studie beteiligt. Sie untersucht an der Universität von Sherbrooke in Kanada den Einfluss menschlicher Trophäenjagd auf die Evolution von Wildtieren.
"Es ist eine sehr interessante Studie, denn das Team hat den genetischen Mechanismus hinter der zunehmenden Zahnlosigkeit sehr detailliert untersucht. Keine Stoßzähne mehr zu haben, ist für Elefanten eine sehr große Veränderung. Denn die Stoßzähne sind wichtig für die Tiere. Sie brauchen sie zur Verteidigung und zur Futtersuche."
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Ohne Wilderei Nachteil für Elefanten

In Zeiten, in denen wenig gewildert wird, überwiegen daher die Nachteile für Elefanten ohne Stoßzähne. Und so sinkt auch im Gorongosa Nationalpark seit Ende des Krieges wieder der Anteil der Zahnlosen Elefanten, während die Populationszahlen insgesamt steigen. Allerdings nur langsam. Denn die zahnlosen Elefantenweibchen bringen durch ihre Mutation weniger lebensfähigen Nachwuchs zur Welt.
"Wenn Sie den Genpool einer Art so stark ändern, dann hat das Folgen. Die natürliche Selektion muss erst greifen und diese Mutation für die Zahnlosigkeit und die verminderte Fruchtbarkeit langsam wieder aussortieren. Es dauert viel länger, bis sich die Art wieder erholt, als wenn sie einfach nur durch Umweltfaktoren zurückgedrängt worden wäre."