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Elektro-Lkw und Streetscooter
Logistikbranche unter Strom

Die Logistikbranche entdeckt die Elektromobilität, die Deutsche Post baut sogar eigene Lieferfahrzeuge mit E-Antrieb. Dass nicht noch mehr Betriebe umsatteln, hat auch damit zu tun, dass die großen Lkw-Hersteller immer noch auf der Bremse stehen.

Von Ramona Westhof | 29.06.2018
    Der Mitarbeiter einer Spedition hält einen Ladestecker vor einem vollelektrischen 40-Tonnen-Elektro-Lkw des Forschungsprojekts eJIT Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa | Verwendung weltweit
    Noch im Testbetrieb: E-Lkw vom Forschungsprojekt eJIT (dpa-Zentralbild / Jan Woitas)
    "Also jetzt ist der Lkw angeschaltet, der Motor läuft ganz normal, und das, was wir beim Fahren hören, das ist nur Hydraulik. Und jetzt können wir schon los", sagt Lkw-Fahrer Alexander Vassilkov. Über den Hof der Spedition DSV in Weilerswist in Nordrhein-Westfalen rollt ein 18-Tonnen-Laster, etwa zehn Meter lang, 300 PS.
    Der Lkw, den Vassilkov seit etwa zwei Jahren fährt, ist einer der wenigen mit Elektro-Antrieb, die in Deutschland unterwegs sind. Vassilkov fährt den Wagen gerne: Kein Lärm und deutlich schnellere Beschleunigung als ein Diesel-Lkw, meint er. Die großen Hersteller haben bislang noch keine Elektro-Lkw in Serie, sagt Niederlassungsleiter Harald Klöckner:
    "Sie erzählen, dass sie produzieren wollen, es gibt wohl auch schon Tests, man hat uns aber noch keins dieser Autos zeigen können. Und wenn man einen Lkw kauft, den will man vorher mindestens sehen und nicht nur nach dem Prospekt kaufen."
    Elektro-Brummi aus den Niederlanden
    Klöckners Lkw hat eine Spezialfirma aus den Niederlanden umgebaut. In der Praxis bedeutet das: Selbst bei einem losen Kabel kann der Lkw schon einmal zwei Tage ausfallen, weil extra ein Monteur anreisen muss. Ein eigenes Werkstattnetz fehlt bisher. Und auch tanken kann der Elektro-Lkw nicht an jeder Tankstelle. Zum Laden muss er zurück in die Spedition. Zwar reicht der Akku für 250 Kilometer, braucht für eine volle Ladung aber auch vier Stunden am Strom. Der Lkw fährt darum nur kürzere Strecken. Trotzdem überlegt Klöckner, einen zweiten E-Lkw anzuschaffen. Auch wenn ein Elektro-Lkw etwa dreimal so viel kostet wie ein Diesel:
    "Ein Drittel haben wir an Subventionen bekommen vom Staat, und ein Drittel sehen wir dann als Forschung, Entwicklung und buchen es als Marketing ab, weil wir doch merken, dass der eine oder andere Kunde interessiert nach dem Auto fragt. Und dass das Auto, wenn er Filialen beliefert, doch wesentliche mehr Interesse hat als sonst ein Lkw."
    Ein Postzusteller fährt im Juni 2017 in nordrheinwestfälischen Königswinter mit dem Streetscooter durch eine Wohnsiedlung und stellt Paket und Briefe zu.
    Ein Streetscooter der Deutschen Post im Einsatz (picture alliance / dpa / Oliver Berg)
    Deutsche Post baut Streetscooter selbst
    Die Deutsche Post ist schon einen Schritt weiter und hat das fehlende Angebot einfach selbst geschaffen. Mit über 6.000 sogenannten Streetscootern liefert die Post nicht nur deutschlandweit Pakete und Briefe aus – sie stellt die kompakten, elektrisch betriebenen Wagen mittlerweile sogar selbst her.
    Kleine Lieferfahrzeuge mit E-Antrieb hätte es zwar bereits gegeben, aber das passende Modell war für die Post nicht dabei. Extra für die Post zu produzieren schien den großen Anbietern nicht rentabel, sagt Post-Pressesprecher Rainer Ernzer:
    "Und dann haben wir von einem Start-up-Unternehmen gehört, die sich als Ziel gesetzt haben, bezahlbare Elektromobilität zu entwickeln. Die haben wir dann gefragt, ob die nicht für uns so ein Elektroauto konzipieren können und das hat dann so gut geklappt, dass wir 2014 die Firma dann komplett übernommen haben und seitdem bauen wir unsere eigenen Elektrofahrzeuge."
    Anders als für den Elektro-Lkw gibt es für die Postautos ausreichend Ladestationen: Die Wagen können direkt am Logistikzentrum laden, an dem sie auch ihre Briefe und Pakete einladen. Für die Post lohnt sich der Umstieg auf die Elektroflotte finanziell, aber auch fürs grüne Image:
    Umweltfreundlich und leise
    "Ich bin mal gefahren, da kam eine Radfahrerin an mir vorbei und zeigte mit dem Daumen nach oben. Die fand das auch ganz klasse, dass wir jetzt so unterwegs sind. Durchweg positive Resonanz und sehr viel Interesse halt", sagt Postbote Filota Tikov über seinen Streetscooter.
    Etwa 150 Pakete passen in das derzeit größte Streetscooter-Modell. Die Wagen werden unter anderem in der reinen Paketzustellung eingesetzt und sind dafür schlicht zu klein. Auch für die Laderampen in den Logistikzentren sind die Elektrowagen zu niedrig. Das neue, größere Elektromodell der Post soll dieses Problem lösen.
    Ein anderes Problem haben der große 18-Tonner und die kleinen Lieferautos gemeinsam: Durch den fehlenden Diesellärm müssen sich die Fahrer anders bemerkbar machen, wenn sie in der Innenstadt unterwegs sind. Während die Postboten noch rufen müssen, hat der Lkw hierfür eine Spezialvorrichtung, die für Wagen in dieser Größe wohl einzigartig sein dürfte:
    "Wir haben extra ein Glöckchen eingebaut", sagt E-Brummifahrer Vassilkov. "Das ist von einer alten Straßenbahn."