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Elektroautos
Mehr öffentliche Ladesäulen, aber noch immer zu wenig

Anschließen, aufladen, losfahren: Zuletzt gab es deutschlandweit mehr als 20.500 öffentliche Ladepunkte für Elektroautos. 50 Prozent mehr als noch im Jahr davor. Doch die Automobilbranche sagt, es brauche viel mehr. Vor allem bei den privaten Anschlüssen gibt es noch immer einige Probleme.

Von Johannes Kuhn | 14.08.2019
Eine Stromtankstelle steht am 24.03.2017 in Stuttgart (Baden-Württemberg) an einem Parkplatz an einer vielbefahrenen Straße.
Elektroauto an einer Stromtankstelle (picture-alliance / dpa / Lino Mirgeler)
Die Diagnose "Reichweitenangst" steht in keinem Psychologie-Handbuch, doch wer sich für den Kauf eines Elektroautos interessiert, kennt sie gut: Deutschland hat bislang zu wenige Ladesäulen. Und bei niedrigem Batteriestand aufwändig nach einem freien öffentlichen Auflade-Platz suchen zu müssen, schreckt mögliche E-Autokäufer ab.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) vermeldet nun, dass das Netz engmaschiger wird: 20.500 Ladepunkte, also quasi elektrische Zapfsäulen, zählte der Interessensverband im Juli. Das sind 7000 mehr als noch vor einem Jahr. BDEW-Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer:
"Es ist völlig klar, wenn wir jetzt den Durchbruch in der Elektromobilität schaffen wollen – und das ist ein wichtiges klimapolitisches Vorhaben – dann braucht’s eine ausreichend ausgebaute Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum. Und da sind 50 Prozent mehr Ladepunkte als heute vor einem Jahr ein großer Fortschritt."
Geladen wird vor allem daheim und während der Arbeit
Die Ladeinfrastruktur wächst also, aber sie hat weiterhin ihre Tücken: Es gibt zahlreiche Betreiber, die aber in der Regel jeweils eigene Systeme benutzen, sagt Gregor Kolbe vom Verbraucherzentrale Bundesverband.
"Durch die verschiedenen Anbieter und Betreiber sind die Zugänge, also die Nutzbarkeit der Ladesäulen, immer noch nicht einheitlich. Das heißt, ich komme an eine Ladesäule von einem Betreiber von dem ich kein Kunde bin, kann die zwar nutzen, aber brauche dazu spezielle Apps oder ein spezielles Bezahlsystem, das ich nicht habe. Die Nutzbarkeit ist trotzdem noch eingeschränkt und das muss ganz schnell geändert werden."
Ohnehin sind die öffentlichen Ladestellen nur ein Teil der Infrastruktur: In 85 Prozent der Fälle werden Elektroautos in der Firma oder Zuhause geladen. Erst kürzlich hatte die Bundesregierung beschlossen, die Steuervorteile für Firmen-Ladesäulen zu verlängern: Wer sein Auto auf dem Betriebsparkplatz auflädt, muss dies nicht als geldwerten Vorteil angeben. Auch private Fahrten mit Elektro-Dienstwägen sind steuerlich günstiger gestellt als Touren mit dem Benziner.
Eine Million öffentliche Ladepunkte nötig
Gerade im Bereich des Wohn- und Mietrechts gebe es allerdings weiterhin Hindernisse, die private Infrastruktur auszubauen, so Energiewirtschafts-Vertreter Kapferer:
"Gerade heute ist es in Deutschland eben noch nicht möglich, als Mieter den Anspruch zu erheben, auf eigene Kosten Ladeinfrastruktur in einem Gebäude, das man gemietet hat, zu errichten. Das muss sich dringend ändern. Auch in Mehrfamilienhäusern kann heute eine Familie nicht gegen den Widerstand einer anderen Familie eine Ladeinfrastruktur selbst finanzieren. Das geht natürlich nicht, das muss sich ändern, hier besteht dringender Handlungsbedarf."
Das Thema Mietrechtsanpassung dürfte im Masterplan Ladeinfrastruktur eine größere Rolle spielen. Das auf dem Autogipfel im Juni beschlossene Projekt von Bundesregierung und Automobilwirtschaft soll dafür sorgen, dass E-Autos endlich flächendeckend betankt werden können. 20.500 Ladepunkte sind dabei nur ein Bruchteil des Nötigen: Um die Klimaschutzziele bis 2030 zu erreichen, so rechnet der Verband der Automobilindustrie vor, müssten in Deutschland eine Million öffentlicher Ladepunkte sowie mehrere Millionen privater Ladestellen zur Verfügung stehen.