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Elektroautos
Mehr Sicherheit durch künstlichen Sound

Für Fußgänger, die es bislang gewohnt waren, nahende Wagen am Geräusch zu erkennen, steigt mit Elektroautos die Unfallgefahr. Um Abhilfe zu schaffen, sollen die Fahrzeuge in verkehrsberuhigten Zonen künftig künstliche Geräusche von sich geben - über eigens eingebaute Außenlautsprecher.

Von Maximilian Schönherr | 27.03.2015
    Ein Elektroauto
    Gefahr im Verzug: Ohne zusätzlichen Geräuschgenerator ist ein Elektroauto in einer verkehrsberuhigten Straße so leise wie ein Fahrrad. (picture alliance / dpa / Lex Van Lieshout)
    Das ist eine Autobahn. Wir hören keine Motoren. Nur die Reifen, wie sie singen. Auch bei einem schnell fahrenden Elektroauto hört man laut nur die Reifengeräusche. In einer verkehrsberuhigten Straße wie dieser ist ein Elektroauto so leise wie ein Fahrrad. Und nicht annähernd so laut wie der Wagen mit Verbrennungsmotor, der hier gerade rechts abbiegt.
    Es waren die Blindenverbände der USA, die schon 2008 vom Senat ein Gesetz forderten, die leisen Elektroautos deutlicher hörbar zu machen. Was anfangs wie ein schlechter Scherz klang, weil es ja die leiser werdenden Städte lauter machen würde, wird in vielen Ländern jetzt Gesetz. In Europa müssen ab 2019 alle neu zugelassenen Fahrzeuge mit Elektroantrieb AVAS eingebaut haben, ein Klangmodul mit Außenlautsprecher, vorn, neben der Hupe.
    "Am Anfang ging es um die Feststellung der psychoakustischen Grundkenntnisse. Man wollte ja tatsächlich nur die Wahrnehmbarkeit gewährleisten, nicht etwa die Autos künstlich laut machen. Das war nie die Idee. Man wollte, dass sie wahrnehmbar sind."
    Hanns-Peter Bietenbeck von Ford Deutschland sitzt in Gremien, die Sachfragen wie Außengeräusche diskutieren, und er sorgt in seiner Firma dafür, dass die Regelungen umgesetzt werden.
    Im Sommer werden konkrete Ansagen der UN-Arbeitsgruppen erwartet, wie die Sounds von Elektroautos zu klingen haben. Diese werden dann vermutlich 2017 in Europa verbindlich. Ab 2019 müssen neu zugelassene E-Autos diesen Klang von sich geben. Sicher ist jetzt schon, dass er nur bei geringen Geschwindigkeiten aktiv sein wird, in Europa bis zu 20 km/h, in den USA bis 30 km/h.
    "Das Geräusch muss aus mindestens zwei Terzbändern bestehen, wobei ein Terzband unterhalb 1.600 Hertz liegen muss. Der Grund, warum mindestens eins unter 1.600 Hertz liegen muss, ist, um zu gewährleisten, dass auch ältere Mitbürger mit eingeschränkter Hörfähigkeit das Signal auf jeden Fall wahrnehmen können."
    Klang soll bei hoher Geschwindigkeit lauter werden
    Ein Terzband ist ein bestimmter, ziemlich enger Frequenzbereich, ein Drittel einer Oktave. Hier hören wir zwei Sinus-Testtöne einer Terz im 800-Hertz-Bereich. So durchdringend werden die Autos nicht klingen, denn dieses Band muss im Gesamtklang nur mit einer bestimmten Lautstärke vertreten sein. Man weiß aus der Psychoakustik, welche Frequenzanteile für Aufmerksamkeit sorgen. Und diese Frequenz gehört dazu.
    Die Neuregelung wird landesspezifische Varianten zulassen. In den USA werden vermutlich acht solcher Bänder Pflicht, in Europa nur zwei, wobei das zweite bis zur hohen Frequenz von 5.000 Hertz frei wählbar ist. Die Vorschrift legt auch fest, dass der Klang mit höherer Geschwindigkeit immer lauter wird und sich in der Tonhöhe ändert. Mit dem Testton könnte sich das dann so anhören, wenn ein Elektroauto anfährt:
    Einspielung Ton
    ... oder abbremst:
    Einspielung Ton
    Hanns-Peter Bietenbeck:
    "Das Geräusch soll idealerweise innen nicht hörbar sein. Der Hintergrund ist, dass wir als Autohersteller befürchten, dass das Geräusch vom Kunden nicht akzeptiert wird. Es ist nicht unbedingt wirklich schön, es besteht halt nur aus zwei Terzbändern, da kann man ja keinen schönen Sound kreieren."
    Andere Hersteller sehen das anders und meinen, auch mit den neuen Vorgaben durchaus einen angenehmen Klang bauen zu können, der dann zudem die Marke transportiert: Man soll als Fußgänger hören, da kommt ein Wagen des Herstellers X daher. Erst im Sommer wird die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen UNECE bekannt geben, ob die Elektroautos auch beim Rückwärtsfahren tönen müssen. Die Automobilhersteller, die schon jetzt Klangerzeuger für die Außenwelt anbieten, müssen sie auf jeden Fall umprogrammieren.