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Elektromobilität
Forscher entwickeln Akku für 1.000 Kilometer Reichweite

Australische Forscher der Monash-Universität haben den bislang leistungsfähigsten Lithium-Schwefel-Akku entwickelt. Die wiederaufladbare Batterie könne die Leistung der aktuellen Marktführer um mehr als das Vierfache übertreffen. Dresdner Forscher haben nun einen Prototyp der neuen Zelle gebaut.

Von Annegret Farber | 13.01.2020
Zwei Elektroautos werden an einer Ladesäule geladen.
Einmal laden und 1.000 Kilometer mit dem E-Auto fahren - das könnte mit dem neuen Lithium-Schwefel-Akku möglich werden (dpa / ZB / Monika Skolimowska)
In der Meldung der Australischen Forscher geht es um eine Lithium-Schwefel-Batterie, erläutert Holger Althues. Am Fraunhofer Institut für Material- und Strahltechnik in Dresden ist er für die Batterieentwicklung zuständig. Er steht in der zweiten Etage des Instituts in einem hell beleuchteten Gang. Hinter ihm geben große Fensterscheiben die Sicht auf die Labore frei, in denen Batterien entwickelt werden. In Bauchhöhe, unter den Fenstern, sind hell beleuchtete, schmale Glaskästen angebracht, zwei bis drei Meter lang. Darin sind die Materialien der Lithium-Schwefel-Akkus ausgestellt.
Holger Althues zeigt auf zwei Glaskolben."Was hier zu sehen ist, ist der Schwefel, der elementare Schwefel, das gelbe Pulver, was mit dem schwarzen Pulver vermischt wird. Und in einem Prozessschritt wird der Schwefel eingeschmolzen, in dieses Kohlenstoff-Material."
Lithium-Schwefel-Batterien 
Prototypen des Lithium-Schwefel-Akkus (dpa / picture alliance / Fraunhofer IWS Dresden)
Dieses Pulver wird auf eine der beiden Elektroden aufgebracht, die Kathode - zu sehen im nächsten Glaskasten. Das ist eine silberne Folie, auf der das schwarze Pulver fixiert wurde. Dieses Bindesystem, also die Flüssigkeit, mit der der Schwefel-Kohlenstoff-Mix auf der leitfähigen Folie fixiert ist, sei entscheidend für die Lebensdauer des Akkus.
Wasserlösliches Bindemittel hält die Kathode elastisch
Bisher sind die Kathoden zu spröde. Beim Laden und Entladen der Batterie entstehen dadurch feine Risse, wodurch der Akku schon nach wenigen Ladevorgängen kaputt geht. Dieses Problem wollen die Australier nun gelöst haben. Wie sie das geschafft haben, erläutert Holger Althues später in einem Meetingraum auf der gleichen Etage.
"Hier wurden also die Komponenten Kohlenstoff, Schwefel und ein Bindersystem in einer Rezeptur gebracht, die eine besonders stabile Struktur ergeben. Und diese Struktur ist insofern besonders, weil eine hohe Porosität gewährleistet werden muss. Diese Porosität ist nötig um Elektrolyt aufzunehmen und Volumenschwankungen, die beim Lade- und Endladeschritt passieren, zu kompensieren."
Dr. Holger Althues, Leiter der Abteilung Chemische Oberflächen- und Batterietechnik am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS
Dr. Holger Althues, Leiter der Abteilung Chemische Oberflächen- und Batterietechnik am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS (Fraunhofer IWS Dresden)
Das Trägermaterial für den Kohlenstoff-Schwefel-Mix auf der Kathode muss stabil und trotzdem durchlässig bleiben, sonst klappt es nicht mit dem Stromfluss. Die Australier wählten dafür ein Material das zum Beispiel in Waschmittelpulvern, aber auch im Tapetenkleister genutzt wird. Auch dort dient es dafür, Partikel zusammen zu halten. Der Name: "Das ist Natrium-Carboxyl-Methyl-Zellulose."
Und diese Substanz könnte tatsächlich ein wichtiger Baustein sein, auf dem Weg zum 1.000 Kilometer Akku für Elektroautos sein, sagt Prof. Ulrich Schubert. Er unterrichtet organische und makromolekulare Chemie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und entwickelt selbst Batterien.
"Ganz allgemein, wenn man perfekt entwickelt, haben die Lithium-Schwefel-Batterien die Möglichkeit, die Energiedichten um einen Faktor drei bis fünf höher zu bekommen, als die klassischen Batterien - und die schaffen 300 bis 500 Kilometer. Also ist es im Prinzip realistisch, dass solche Autos, mit solchen Batterien, auch 1000 km schaffen können."
Die 1.000-Kilometer-Batterie kommt frühestens 2030
Außerdem sind Lithium-Schwefel-Akkus billiger als die weit verbreiteten Lithium-Ionen-Batterien – und umweltfreundlicher: Statt Kobalt und Nickel, erzeugen Schwefel und Kohlenstoff die Energie. Batterieentwickler Holger Althues nennt einen weiteren Vorteil.
"Heutige Kathoden für die Lithium-Ionen-Technologien werden mit einem giftigen Lösungsmittel appliziert, aufgebracht als Schicht. Und damit sind Lösungsmittel-Handling-Recycling-Methoden und hoher Energieaufwand verbunden. Und dieses Lösungsmittel wird hier in dieser Arbeit ersetzt durch Wasser als Lösungsmittel."
Die Lithium-Schwefel-Zellen sind leichter, dafür aber auch größer als konventionelle Lithium-Ionen-Akkus. Das habe mit dem Volumen von Schwefel und Kohlenstoff zu tun und genau daran müsse noch gefeilt werden, betont Holger Althues. Doch das Potential sei groß.
Abgesehen von den Umweltvorteilen könne diese Technik, bezogen auf das Gewicht, die doppelte Menge an Strom speichern, so der Dresdner Batterieforscher. Momentan sieht er wegen des geringeren Gewichts von Lithium-Schwefel-Akkus aber vor allem Einsatzmöglichkeiten in der Luftfahrt. Die 1.000-Kilometer-Batterie fürs Auto hat er weniger im Blick. Geben könnte es sie trotzdem irgendwann, nach seiner Einschätzung aber frühestens in zehn Jahren.