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Elektromobilität
Vorbild China: Was Berlin beim Umstieg auf E-Busse lernen kann

Berlin will seine 1.500 Diesel-Busse binnen zwölf Jahren durch E-Fahrzeuge ersetzen. Einige chinesische Metropolen haben diese Umstellung bereits geschafft. Davon will die Berliner Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther lernen - und hat sich deshalb in Peking angeschaut, wie die Umstellung gelungen ist.

Von Benjamin Eyssel | 30.07.2018
    Ein Elektrobus hält an einer Haltestelle in Shenzhen / China.
    Oft schon Alltag: Die Umstellung auf emissionsfreie Elektro-Busse ist in vielen chinesischen Millionenstädten bereits gelungen. (Steffen Wurzel)
    Eine Testfahrt beim Fahrzeughersteller Foton in Peking. Der Stadtbus wird mit Hilfe von Wasserstoff elektrisch angetrieben - eine von mehreren Möglichkeiten, Busse emissionsfrei zu bewegen. Den Technikern der BVG gefällt, wie sanft der Bus anfährt. Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther ist vor allem beindruckt, wie schnell in Peking auf Elektromobilität umgestellt wird:
    "Man möchte in sehr kurzer Zeit die Anzahl an Bussen signifikant erhöhen. Bis 2020 soll alles umgestellt sein. Das sind schon große Zahlen. Wir haben uns vorgenommen, bis 2030 die vollständige Umstellung auf Elektrobusse zu schaffen. Das wird hier als nicht so sehr ambitioniert gesehen. Wir denken, es ist schon ambitioniert."
    Kürzere Planungsprozesse
    In Peking werden von rund 22.000 Stadtbussen bereits etwa 60 Prozent elektrisch angetrieben – in spätestens zwei Jahren soll es keine Dieselbusse mehr geben. In Berlins deutlich kleinerer Busflotte von 1.500 Fahrzeugen gibt es gerade mal fünf E-Busse. Die Berliner Verkehrssenatorin erkennt gravierende Unterschiede zwischen China und Deutschland:
    "Hier sieht man, dass Geld scheinbar keine Rolle spielt. Es wird sehr viel in die Infrastruktur investiert, sehr viel in Innovation investiert. Die Schnelligkeit ergibt sich natürlich auch daraus, dass die Planungsprozesse deutlich kürzer sind."
    Herausforderung Lade-Infrastruktur
    Elektrobusse, die EU-Normen erfüllen, sind teurer als vergleichbare Dieselbusse und nicht in großer Stückzahl verfügbar. Außerdem sind sie noch nicht so zuverlässig und haben eine geringere Reichweite. Um wie ein Dieselbus mehrere hundert Kilometer am Tag zurücklegen zu können, muss ein batteriebetriebener Bus mehrmals an die Steckdose. Und während der Ladezeit kann er nicht genutzt werden.
    Nächste Station der Berliner Delegation in Peking ist ein Betriebshof an dem nur Akku-Busse gewartet und geladen werden. Für Sigrid Nikutta, die Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe, ist genau das die größte Herausforderung:
    "Die Gesamte Lade-Infrastruktur aufzubauen, dafür brauchen wir wahrscheinlich mindestens noch einen weiteren neuen Betriebshof. Und dann die Ladestationen und Ladepunkte im Innenstadtgebiet aufzubauen und zu betreiben, die entsprechenden Stromleitungen zu haben und die gesamte Last durch das Stromnetz bewältigen zu können."
    Renaissance der Oberleitungsbusse
    Wie Peking strebt auch Berlin einen Mischbetrieb mit verschiedenen Systemen an. In der chinesischen Hauptstadt sind neben reinen Akkufahrzeugen auch viele Busse mit Oberleitung unterwegs. In Berlin sind die letzten O-Busse Anfang der 70er Jahre im Ostteil der Stadt ausgemustert worden. Nun könnten sie eine Renaissance erleben, sagt BVG-Chefin Sigrid Nikutta, allerdings mit Akku an Bord:
    "Oberleitungen könnten tatsächlich ein Modell sein für längere Strecken. Denn mittlerweile ist es so, dass auch diese Oberleitungsbusse fast die Hälfte der Zeit ohne Oberleitung fahren können. Und das ist natürlich eine sehr elegante Form der Ladung, weil sie quasi nebenher geschieht."
    "Das ist ein 12-Meter-Dreiachser…"
    Fachsimpeln auf dem Betriebshof im Pekinger Norden. Die Busse hier haben eine Reichweite von etwa 60 Kilometern. Sie pendeln zwischen zwei Betriebshöfen mit Ladestationen.
    "Können wir mal reingehen in den Doppeldecker?"
    Besondere Aufmerksamkeit bei der Berliner Delegation erwecken die batteriebetriebenen Doppelstock-Busse. In Berlin wären die chinesischen Busse nicht ohne weiteres einsetzbar, zum Beispiel weil sie nicht behindertengerecht und nicht hoch genug sind. Auch eine zweite Treppe fehlt. Es sei nicht leicht einen geeigneten Elektro-Doppeldecker zu finden. Dennoch versichert BVG-Chefin Sigrid Nikutta, die Berliner Wahrzeichen wird es auf jeden Fall weiter geben:
    "Stand heute gibt es in Europa noch keinen Doppeldecker in den geforderten Maßen für Berlin, der elektrisch betrieben wird. Da werden wir wahrscheinlich die längste Übergangszeit haben. Und auch nochmal einige neue Diesel-Busse in Betrieb nehmen. Aber das finale Ziel ist natürlich auch, die Doppeldecker-Flotte auf elektrisch umzustellen."