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Elektromobilität
Zetsche: Elektroautos erst 2025 wettbewerbsfähig

Bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen rechnet Daimler-Chef Dieter Zetsche nicht so schnell mit einem Durchbruch. Er sagte im Interview der Woche des Deutschlandfunks, im Jahr 2025 werde innerhalb des Konzerns maximal jedes fünfte Auto mit Elektroantrieb vom Band laufen. Dagegen werde "in sehr naher Zukunft" ein völlig neues Auto Realität.

Dieter Zetsche im Gespräch mit Klemens Kindermann | 25.06.2017
    Daimler-Chef Dieter Zetsche präsentiert beim Autosalon Paris die Elektroauto-Studie "EQ".
    Daimler-Chef Dieter Zetsche präsentiert beim Autosalon Paris die Elektroauto-Studie "EQ". (dpa / picture-alliance / Uli Deck)
    Klemens Kindermann: Herr Zetsche, viele Besitzer eines Diesel-Autos sind verunsichert. Der Diesel-Skandal, die Emission von Stickoxiden, der Dieselmotor, auf den viele ja ein Leben lang gesetzt haben, immerhin eingebaut in 13 Millionen deutsche Autos, ist der jetzt auf einmal böse?
    Dieter Zetsche: Wir haben zwei Aspekte im Vordergrund zu sehen. Der eine Aspekt ist die Frage der Emissionen. Der andere Aspekt ist die Frage der CO2, damit des Verbrauchs des Fahrzeuges. Wenn wir den ersten Aspekt betrachten, dann ist es ohne Zweifel so, dass Dinge geschehen sind, die nicht gut waren. Und das beschränkt sich auch nicht nur auf eine Firma. Und, dass ich jetzt nicht in die Details einsteigen möchte, warum wir in die Situation gekommen sind als Industrie, in der wir heute sind, gemeinsam mit dem Gesetzgeber, sondern nach vorne blickend sagen möchte, zum einen, dass ich es begrüße, dass zukünftige Testverfahren klare Randbedingungen setzen und sehr viel besser vergleichbare Ergebnisse liefern, vergleichbar mit dem Einsatz im realen Umfeld gegenüber dem Prüfstand. Und zum zweiten, dass unter diesen Randbedingungen Dieselmotoren entwickelt werden können, die in allen praktischen Anwendungsfällen dann auch scharfe, heutige und zukünftige Emissionsvorschriften erfüllen werden.
    "Dieselmotor ein ganz wichtiger Baustein"
    Wir selbst haben einen solchen Motor beispielsweise vor fünf Jahren in Entwicklung gegeben. Der ist heute in unseren Fahrzeugen im Verkaufsraum erhältlich und es wird auch von dritter Seite bestätigt, dass er die zukünftigen NOx-Grenzwerte in der Euro-6-Form auch in verschärfter Randbedingungsdefinition in vollem Umfang heute schon einführt und einhält. Und dann kommt der zweite Aspekt hinzu: Wenn diese Motoren dann nahezu in Zukunft vollständig vergleichbar in den Emissionswerten mit Ottomotoren sein können, dann verbleibt weiterhin der signifikante CO2-Vorteil, also rund 20 Prozent, 15 bis 20 Prozent Vorteil auf dieser Seite. Und nach wie vor ist ja unser aller Bestreben, den CO2-Footprint zu reduzieren, den Einfluss auf den Klimawandel zurückzudrängen. Und dafür ist nach wie vor der Dieselmotor ein ganz wichtiger Baustein.
    "Von der Industrie mit zu verantworten"
    Kindermann: Das tritt jetzt in der aktuellen Diskussion so etwas zurück, dass ja Diesel eigentlich CO2-mindernd ist. Die Stickoxide treten jetzt enorm in den Vordergrund. Ärgert Sie das eigentlich?
    Zetsche: Zunächst mal geht es nicht um meine Emotionen. Ansonsten habe ich eingangs gesagt, dass diese Entwicklung auch von der Industrie mit zu verantworten ist und – vielleicht insbesondere – insofern Ärger sich dann in allererster Linie an die eigenen Adressen richten kann. Wie in allen Fällen, ist der Blick nach vorne das Wichtigste: zu lernen. Und da habe ich ganz klare Aussagen gemacht. Wir haben heute im Programm oder werden morgen im Programm haben: Dieselmotoren, die die höchsten Anforderungen, auch direkt vergleichbar mit Ottomotoren, auch bezüglich der Emissionen erfüllen werden und gleichzeitig tolle Fahrmaschinen sind und außerordentlich verbrauchsgünstig.
    Kindermann: Das ist der Blick in die Zukunft. Viele fahren natürlich noch die Diesel, die sie vor einigen Jahren oder auch vor zwei, drei Jahren gekauft haben. Jetzt will Hamburg bestimmte Straßen sperren, Stuttgart und München erwägen, die Citys dicht zu machen wegen der Überschreitung des Mittelwerts für die Stickstoffdioxide. Wie trifft Sie das als Autobauer?
    Zetsche: Zunächst mal müssen wir natürlich die Situation der Bürgermeister verstehen, die erstens natürlich an der Luftreinheit in ihren Städten ein absolut nachvollziehbares Interesse haben, die zweitens von Gerichten auf die Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte verpflichtet werden und Aktionspläne ihnen abverlangt werden, diese Einhaltung zukünftig sicherzustellen. Natürlich sind die Ursachen für die Beeinträchtigung der Luftreinheit vielfältig, aber der Verkehr ist eine Ursache dafür. Und unsere Aufgabe ist es, gemeinsam mit diesen Kommunen Wege zu suchen, die - mit geringstmöglicher Beeinträchtigung der Menschen, die in diesen Städten leben, einerseits bezüglich der Gesundheit, aber andererseits auch der Freizügigkeit, der Beweglichkeit, der Mobilität - beides miteinander zu vereinbaren.
    "Keine reale Veränderung durch Fahrverbote"
    Kindermann: Was sollte man denn anderes machen, als Fahrverbote zu verhängen?
    Zetsche: Wir sind dort sehr konkret momentan unterwegs. Wir haben beispielsweise eine ganze Reihe von Möglichkeiten. Zunächst mal für die Verflüssigung des Verkehrs, weil natürlich ruhender Verkehr, insbesondere pro zurückgelegtem Kilometer, die höchsten Emissionen aufweist. Das ist logisch. Wir wissen natürlich auch, dass, weil sie überhaupt nicht praktiziert werden können. Es kann ja niemand im Berufsverkehr morgens in jeden Motorraum reinschauen und das saubere von einem schmutzigen Fahrzeug unterscheiden oder von dem weniger sauberen Fahrzeug. Insofern arbeiten wir an möglichen Vorschlägen, wie wir effektive Reduzierungen der NOx-Belastung insgesamt realisieren können, die sowieso über die Entwicklung der Flotte in der Zukunft kommen, aber diesen Prozess zu beschleunigen.
    Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender der Daimler AG und Leiter von Mercedes-Benz Cars
    "Fahrverbote führen zwar eine politische Antwort, aber keine reale Veränderung mit sich", sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche. (picture alliance / dpa / Uli Deck)
    Kindermann: Verraten Sie uns einen konkreten Punkt?
    Zetsche: Ja, es ist ja in Diskussion, ob es Sinn machen kann, in einem gewissen Umfang softwarebasiert eine weitere Emissionsverbesserung von im Verkehr befindlichen Fahrzeugen zu erreichen und damit messbaren Nutzen zu stiften und unter welchen Randbedingungen dieses Substituieren für Fahrverbote wirken kann.
    "Sicherstellen, dass Einfahrverbote vermieden werden können"
    Kindermann: Da hat ja Volkmar Denner, Chef des Autozulieferers Bosch, gesagt, eine Umrüstung von Euro-5-Fahrzeugen sei denkbar, also sein Unternehmen könne die Software liefern. Dann läge es an den Autobauern, was sie daraus machen. Besteht die berechtigte Hoffnung für Besitzer von Euro-5-Daimler-Fahrzeugen, dass sie durch die technische Umrüstung von Wertverlust verschont bleiben?
    Zetsche: Zunächst mal muss man diese Aussage etwas spezifizieren. Ich glaube, auch Herr Denner sagt nicht, dass mit einer Umrüstung von Euro-5-Fahrzeugen daraus Euro-6-Fahrzeuge gemacht werden könnten. Worüber wir uns alle einig sind, ist, dass eine nennenswerte Verbesserung der Emission von Euro-5-Fahrzeugen, auch nicht aller Euro-5-Fahrzeuge, je nachdem, welche technische Voraussetzungen sie mitbringen, möglich ist, und dass dieses dann – wie gesagt – in einem Gesamtpaket, in dem man sicherstellen kann, dass damit auch Einfahrverbote vermieden werden können, von der Seite her der möglichen Wertminderung entgegensteht. Darüber hinaus beobachten wir diese Entwicklung natürlich sehr, sehr genau, weil natürlich viele dieser Fahrzeuge über Leasingverträge sich auch noch in unserem Besitz befinden und natürlich auch die Werthaltigkeit unserer Produkte im Besitz unserer Kunden für uns ganz entscheidend ist. Wir können bisher keinen Einfluss auf die Restwerte unserer Fahrzeuge in der Gesamtflotte feststellen.
    Win-Win für Kunden und Kommunen
    Kindermann: Könnte man sich vorstellen, dass diese Nachrüstung – da ist die Rede von 1.500 Euro pro Fahrzeug –, dass die Hersteller das übernehmen oder sich an den Kosten beteiligen?
    Zetsche: Also, die Größenordnung ist ja eine ganz andere, denn wir sprechen ja – und das habe ich eingangs gesagt – von Nachrüstungen, die sich auf die Software des Fahrzeuges beziehen. Und das sind dann signifikant kleinere Größenordnungen, über die wir sprechen. Bei den Gesprächen, die bisher stattgefunden haben und auch in einer sehr konstruktiven Atmosphäre stattfinden, ist bisher über die Finanzierungsfrage noch nicht diskutiert worden.
    Kindermann: Wäre das nicht ein gutes Signal, wenn die Hersteller da aktiv würden?
    Zetsche: Lassen Sie uns erst mal die Randbedingungen verstehen. Und, wenn es am Ende des Tages für alle Beteiligten, in allererster Linie für unsere Kunden und die Kommunen, zu einem Win-Win kommen kann, dann werden die Hersteller sicherlich auch dabei sein.
    "Eine europäische Diskussion"
    Kindermann: Welche Chancen hat deutsche Diesel-Technologie überhaupt noch auf den Weltmärkten?
    Zetsche: Nun, es ist heute ja sicherlich primär im europäischen Markt, das hat auch was mit der Einsatzart der Fahrzeuge hier zu tun, ein wichtiger Baustein der gesamten Maßnahmen, CO2 weiter zu reduzieren. Und dieses gilt in Europa weiterhin. In USA waren vor September 2015, ich muss rechnen, die Anteile an Dieselfahrzeugen in Pkw auch minimal. Und wir haben einzelne Märkte, in denen das anders ist, außerhalb Europas. Aber es ist im Wesentlichen eine europäische Diskussion.
    Bei Razzien "in vollem Umfang kooperiert"
    Kindermann: Herr Zetsche, Verdacht auf Abgasbetrug auch bei Daimler. Es hat Razzien an mehreren Daimler-Standorten gegeben, Verdacht auf Betrug und strafbare Werbung. Was sagen Sie dazu?
    Zetsche: Diese Razzien haben stattgefunden. Wir haben in vollem Umfang kooperiert. Wir haben die Unterlagen, die dort angefordert wurden, natürlich übergeben und die Daten. Und wir werden das in der Zukunft natürlich genauso handhaben. Mehr ist derzeit zu einem laufenden Verfahren nicht zu sagen.
    Klemens Kindermann und Dieter Zetsche sitzen sich an einem Tisch gegenüber, auf dem zwei Mikrofone stehen.
    Der Vorstandsvorsitzende der Daimler AG, Dieter Zetsche (rechts), im Interview mit dem Abteilungsleiter Wirtschaft und Gesellschaft des Deutschlandfunks, Klemens Kindermann. (Uschi Götz / Deutschlandradio)
    Kindermann: Unerwartet kamen ja die Vorwürfe nicht. Es gibt im Geschäftsbericht schon einen Hinweis von Ihnen, dass man sich vorbereiten müsste auf Ermittlungen.
    Zetsche: Es ist klar, dass neben den technischen Fragestellungen wir natürlich alles tun, dieses Thema insgesamt mit größter Professionalität zu handhaben. Dazu gehört auch, den Finanzmärkten zu jedem Zeitpunkt den gleichen Kenntnisstand zu geben, wie wir ihn haben. Und vor allen Dingen auch auf Risiken, wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich das Eintreffen auch immer sein mag, hinzuweisen. Und deswegen sind solche Passus sehr ausführlich und alles umfassend, was denkbar wäre.
    Kindermann: Haben Sie schon Rückstellungen gebildet?
    Zetsche: Auch das ist ein Thema, über das typischerweise nicht spezifisch zu einzelnen Rechtsfragen behandelt wird, berichtet wird.
    "Vollständige Aufklärung"
    Kindermann: Können Sie also insgesamt sagen, dass Daimler sich in Sachen Dieselmanipulation nichts vorzuwerfen hat?
    Zetsche: Ich kann zum einen sagen, dass wir diese ganze Fragestellung kooperativ im Sinne der vollständigen Aufklärung behandeln. Wir sind seit den ersten Informationen über einen Hersteller bei uns im eigenen Hause unterwegs, um selbst alles zu erfahren, was es an möglichen Fragestellungen geben kann. Wir sind darin jetzt sehr, sehr weit fortgeschritten. Und wie das Verhalten unserer bisherigen Motoren zu werten ist, das wird letztendlich nicht von uns entschieden werden können, sondern von den Behörden, mit denen wir diese Untersuchungen gemeinsam betreffen. Und insofern kann ich hier keine abschließende Aussage machen.
    Bis zu 20 Prozent E-Auto-Absatz im Jahr 2025
    Kindermann: Sie hören das Interview der Woche mit dem Vorstandsvorsitzenden von Daimler, Dieter Zetsche. Herr Zetsche, Sie haben letztes Jahr für Ihre Mitarbeiter als Weihnachtsansprache einen kleinen Film gedreht in der Kantine. Da bekommen Sie unter anderem Pommes frites aufgetischt, versuchen Ketchup aus einer umgedrehten Flasche auf die Pommes zu bekommen, was nicht ohne Weiteres gelingt. Und Sie ziehen den Schluss daraus, dass es genauso mit der Elektromobilität stehe. Man wisse, wie bei der Ketchup-Flasche, dass etwas kommt, jedoch nicht wann und wie viel. Sind Elektroautos heute nicht schlicht immer noch zu teuer und wissen wir überhaupt, wann sie mal so preiswert sein werden, dass sie auch gekauft werden?
    Zetsche: Nun, ich habe dieses Bild ja nicht ohne Absicht gebraucht, weil diese Frage eben tatsächlich nicht in vollem Umfang und insbesondere nicht bezüglich des Zeitpunktes zu beantworten ist. Klar ist, dass wir wichtige Fortschritte gemacht haben bezüglich der Alltagstauglichkeit von Elektrofahrzeugen. Das bezieht sich in allererster Linie auf die Reichweite, die inzwischen in eine durchaus für den Kunden vernünftige Größenordnung bei 400/500 Kilometer reale Reichweite gelangt ist. Allerdings zu dem Preis von sehr gewaltigen Batterien mit hohem Gewicht, die dort eingebaut werden. Und wir haben inzwischen auch die Möglichkeit, über Hochleistungsladeeinrichtungen die Wiederbeladung der Batterien zwar nicht in dem Zeitraum einer Betankung eines Verbrennungsfahrzeugs, aber doch im 20-Minuten-Bereich im optimalen Fall darstellen zu können.
    Damit haben die Fahrzeuge einen echten Kundennutzen. Gleichzeitig – und das haben Sie mit Ihrer Frage ja angesprochen – sind heute die Kosten noch nicht wettbewerbsfähig. Es hat aber keinen Sinn, sich in die Ecke zu setzen und zu warten, ob die Kosten irgendwann geringer werden, denn sie werden nur dadurch geringer, dass wir uns mit diesen Fahrzeugen, sowohl in der Entwicklung als auch in der Produktion beschäftigen, die Prozesse optimieren, die Materialien, die eingesetzt werden etc., um letztendlich diesen Zeitpunkt zu erreichen, wo dann tatsächlich – und das nennen wir den Tipping-Point – sowohl der Kundennutzen als auch die Kosten und damit dann auch die Preise vergleichbar wettbewerbsfähig mit Verbrennungsmotoren werden. Diesen Punkt werden wir erreichen. Wir arbeiten intensiv darauf zu. Und wir haben in unseren eigenen Planungen und in unserer Allokation von Mitteln unterstellt, dass wir im Jahre 2025 in einer Größenordnung von 15 bis 20 Prozent unserer Produktion mit Elektrofahrzeugen bereits absetzen werden, weil für diese dann tatsächlich dieses Äquivalent erreicht sein kann.
    "Mehr Dynamik und Momentum in diese Entwicklung"
    Kindermann: Das würde bedeuten: dieses Ziel, eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen 2020, da glauben Sie eigentlich auch nicht mehr dran, oder?
    Zetsche: Nun, wenn ich etwas über 2025 sage und dort ja von sehr viel größeren Fahrzeugzahlen spreche, dann heißt das nicht zwangsläufig, was in 2020 passiert. Wir können uns an dieser Zahl jetzt festhalten, aber ich glaube, dass sie auch mehr als ein Pfahl im Boden gemeint war, an dem wir uns orientieren wollen, den wir als anspruchsvolles Ziel miteinander angehen, um insgesamt mehr Dynamik und Momentum in diese Entwicklung zu bringen. Und mit dieser Zielsetzung stehe ich völlig überein.
    "Elektrische Fahrzeuge zu entwickeln, die unwiderstehlich sind"
    Kindermann: Dynamik haben ja Die Grünen auch in die Diskussion gebracht. Die haben schon ein Datum genannt, 2030. Ab dann soll es keine neu zugelassenen Verbrennungsmotoren mehr geben. Was halten Sie denn davon? Sie kennen ja Die Grünen ein bisschen. Sie waren ja da.
    Zetsche: Richtig. Auch dort habe ich gesagt, dass ich davon nichts halte. Ich glaube zum einen, dass es richtig ist, wenn die Politik Ziele setzt, und zwar um Effekte zu erzielen, die beispielsweise in der Umwelt wichtig sind, aber den Weg dorthin, insbesondere die Technologie dorthin nicht definieren sollte, sondern technologieoffen ihre Randbedingungen definieren sollte. Darüber hinaus glaube ich, dass wir einen viel erfolgversprechenderen Weg in die Elektromobilität wählen, wenn wir uns zur Aufgabe setzen, elektrische Fahrzeuge zu entwickeln, die so unwiderstehlich sind, dass die Kunden sie mit oder ohne Gesetzesaufforderung einfach nur haben wollen. Das ist auch der marktwirtschaftliche Weg. Dieser Aufgabe verpflichten wir uns und da sind wir auch überzeugt davon, dass wir dort Erfolg haben werden. Das ist ein viel erfolgreicherer Weg als über Gebote und Verbote, die Menschen zu ihrem Glück zu zwingen.
    "Wir sind in Vorleistung getreten"
    Kindermann: Was muss die Politik machen? Ist die Ladepunkte-Infrastruktur ausreichend?
    Zetsche: Also, im Grundsatz glaube ich schon, dass es zu den Kernaufgaben der Politik gehört, Infrastruktur, Bildung, Forschung, Sicherheit im Land voranzutreiben und sicherzustellen.
    Das Symbol eines Autos mit Kabel auf dem Asphalt - ein Parkplatz für Elektroautos.
    Der Bau eines Netzes von E-Auto-Aufladestationen sei "nicht die direkte Verantwortung der Automobilhersteller", sagte Zetsche. (picture-alliance / dpa / Jan Woitas)
    Kindermann: Gibt es genug Ladesäulen im Moment oder in den nächsten fünf Jahren? Was glauben Sie?
    Zetsche: Und trotzdem hat es keinen Sinn, wenn wir jetzt mit einem Huhn-und-Ei-Spiel sagen, weil keine Ladesäulen, gibt es von uns keine Autos. Und die andere Seite sagt, weil keine Autos, gibt es von uns keine Ladesäulen. Deswegen sind wir in die Vorleistung getreten und haben gemeinsam mit drei anderen Herstellern, beispielsweise ein paneuropäisches Hochleistungsladesäulennetz an den Hauptmarginalen miteinander beschlossen, werden diese Investitionen gemeinsam tätigen. Die sind nicht unbeträchtlich und, wie gesagt, aus meiner Sicht nicht die direkte Verantwortung der Automobilhersteller. Aber wir wollen damit triggern und dafür sorgen, dass die Entwicklung schneller geht. Es gibt einzelne Länder und einzelne Städte, in denen die Entwicklung schon ganz erfreulich ist. Andere hängen dort noch massiv zurück.
    "Zukünftig weniger Mitarbeiter auf der Antriebsseite"
    Kindermann: Für ein Elektroauto braucht man ja nicht so viele Mitarbeiter, um es zu bauen, wie für ein Auto mit Verbrennungsmotor. Was geschieht mit den Mitarbeitern?
    Zetsche: Um es erst mal etwas zu konkretisieren, das gilt nicht für den Aufbau, das gilt nicht für die Montagewerke. Denen ist es relativ egal. Das gilt natürlich für die Motoren- und Getriebewerke. Wir sind in der Verantwortung für unsere Mitarbeiter, dass langfristig, entsprechend ihrer Lebensplanung, sichere Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. In dieser Verantwortung sehen wir uns auch in vollem Umfang. Es ist nicht unsere Aufgabe, Heizer auf der E-Lok zu vereinbaren. Und deshalb werden wir den über einen längeren Zeitraum ja stattfindenden Wandel mit den Mitarbeitern gemeinsam so handeln, dass wir zukünftig weniger Mitarbeiter auf der Antriebsseite haben werden, aber in Summe die Mitarbeiter, die bei uns tätig sind, alle ihre Beschäftigung haben werden.
    "Am Ende einen einvernehmlichen Weg"
    Kindermann: Diese Woche gab es eine außerordentliche Betriebsversammlung im Daimler Motorenwerk in Untertürkheim, genau aus dieser Sorge. Ist die Sorge nicht doch berechtigt?
    Zetsche: Ich habe ja nicht gesagt, dass wir hier keine Aufgabe vor uns hätten, aber wir haben uns dieser Frage- und Aufgabenstellung offensiv gestellt. Ich selbst war in der Betriebsversammlung und habe erläutert, welche Transitionen vor uns stehen, welche Konsequenzen das haben wird. Und wir sind jetzt miteinander dabei, eine Vereinbarung zu suchen, die alle Aspekte dabei bestmöglich berücksichtigt. Dass eine solche Verhandlung auch eine gewisse Dramaturgie beinhaltet, ist auch klar. Ich bin aber sicher, dass wir am Ende einen einvernehmlichen Weg gehen werden.
    "Aggressives Programm der Entwicklung einer Elektrofahrzeugflotte"
    Kindermann: China, einer Ihrer wichtigsten Märkte, macht gerade eine wahnsinnige Elektrooffensive. Verkaufte Batteriewagen waren 350.000, 10.000 Elektrobusse, 100.000 öffentliche Ladepunkte. Kann Daimler da irgendwie profitieren?
    Zetsche: Man muss natürlich auch diese Entwicklung im Detail anschauen. Und der Anteil an privaten Fahrzeugen, der darin enthalten ist, ist vergleichsweise klein. Aber insgesamt ist das natürlich eine beeindruckende Entwicklung und zeigt auch in diesem Feld, dass China normalerweise, wenn man sich dort Ziele vornimmt, auch viel dafür tut, dass die Ziele erreicht werden können. Ein Großteil dieser Fahrzeuge wird von direkten Kooperationspartnern von uns auch mit verkauft. Insofern sind wir dort auch über unsere Kooperationen mit beteiligt. Insgesamt haben wir ein sehr aggressives Programm der Entwicklung einer Elektrofahrzeugflotte bei uns aufgelegt mit Investitionen über zehn Milliarden Euro in Elektrofahrzeuge in allen wesentlichen Segmenten. Das wird natürlich dann auch seinen Niederschlag in China finden. Und, wenn das ein Markt ist, der dann auch seinerseits bereit ist für diese Offensive, dann ist das auch in unserem Interesse.
    "Keiner der Hersteller kann Entwicklungspläne vorziehen"
    Kindermann: China will eine Quote für Elektroautos einführen. Die soll schon 2018 gelten. Es hatte ja Gespräche gegeben zwischen der Kanzlerin Angela Merkel und Staats- und Parteichef Xi Jinping mit dem Ziel einer Verschiebung auf der Zeitachse. Jetzt steht in dem neuen Entwurf auf der chinesischen Regierungswebseite immer noch das Datum 2018 drin. Können sie das überhaupt schaffen?
    Zetsche: Natürlich sind Fahrzeuge keine Güter, die in Wochen oder Monaten entwickelt werden und keiner der Hersteller seine bisherigen Entwicklungspläne maßgeblich auf der Zeitstrecke verändern kann, zumindest nicht vorziehen kann. Und insofern, je nachdem, wie die bisherige Planung aussah, ist es damit konform oder auch nicht, überwiegend nicht. Die Gespräche sind aber nicht abgeschlossen und ich bin auch überzeugt, dass wir letztendlich einen Weg finden werden, der in Summe für alle Beteiligten vernünftig wird.
    Kindermann: Was für Übergangsfristen brauchen Sie?
    Zetsche: Wir brauchen jetzt nicht auf firmenspezifische Einzelfragen einzugehen. Wir bewegen uns auch alle in einem ähnlichen zeitlichen Fortschritt in unseren Entwicklungen. Und deswegen kann ich das jetzt nicht spezifisch oder brauche ich es nicht spezifisch für Daimler anzugeben.
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    Beim Export sei China weiter auf Wachstumskurs, aber in den USA der Höhepunkt erreicht, sagte Zetsche. (picture alliance / dpa)
    "Amerikanischer Markt hat einen Peak erreicht"
    Kindermann: Sie hören das Interview der Woche mit dem Vorstandsvorsitzenden von Daimler, Dieter Zetsche. Wie entwickelt sich Ihr anderer wichtige Markt, USA? Welchen Einfluss haben da die aktuell niedrigen Spritpreise? Welchen Einfluss hat der Dieselskandal? Wie entwickelt sich der US-Markt?
    Zetsche: Also, die niedrigen Spritpreise, die haben schon seit geraumer Zeit dazu geführt, dass fast Monat für Monat der Anteil eines sogenannten Light-Trucks, das sind Geländewagen, Mini-Vans und Pick Ups, an dem Gesamtautomobilabsatz steigt und eben umgekehrt entsprechend der Anteil der Limousinen sinkt. Das ist eine Korrelation, die in USA eigentlich fast seit eh und je gilt. Wir sind in beiden Segmenten aktiv. Im ersteren primär durch Geländewagen. Aber das hat insofern auf uns nur einen begrenzten Einfluss, diese Verschiebung. Insgesamt gesehen hat der amerikanische Markt aber einen - auf sehr hohem Niveau - Peak erreicht und bewegt sich im Moment eher seitwärts oder leicht rückläufig. Das ist aber keine Situation, die was mit dem Dieselthema zu tun hätte. Ich habe eingangs schon gesagt, dass der Anteil an Dieselfahrzeugen bei uns sich beispielsweise unter fünf Prozent bewegt hatte – vor dieser Thematik, der aktuellen Thematik und insofern das insgesamt keine relevante Größe im Gesamtabsatz darstellt.
    Nachteile durch amerikanischen Protektionismus für alle
    Kindermann: Wie sehr fürchten Sie einen neuen amerikanischen Protektionismus?
    Zetsche: Nun, generell bin ich zutiefst davon überzeugt, dass der Wohlstand in wesentlichen Teilen über den freien Austausch von Waren und Dienstleistungen über die Welt getrieben wird und entsteht und dabei nicht nur Reiche reicher geworden sind, sondern vor allen Dingen die absolute Zahl derer, die unterhalb der Armutsgrenze leben, sich, ich glaube, auf ein Viertel reduziert hat in den letzten 20 Jahren – das ist der positive Effekt der Globalisierung – und insofern für alle Beteiligten es gut ist, wenn weiterhin wir miteinander Handel treiben. Egal, an welcher Stelle gegenläufige Tendenzen entstehen – und das haben wir ja immer wieder in verschiedenen Teilen der Welt gesehen –, hat es am Ende des Tages für alle Beteiligten zu Nachteilen geführt.
    Kindermann: Hat Ihr Konzern schon Probleme mit der Einwanderungspolitik in den USA? Merken Sie da schon was?
    Zetsche: Nein.
    "Fliegzeuge werden in sehr naher Zukunft Realität"
    Kindermann: Sie selber haben, glaube ich, den Ausdruck eines "Fliegzeugs" geprägt. Das ist also halb Flugzeug, halb Auto. Werden wir das noch erleben, dass wir das sehen in den nächsten 20 Jahren?
    Zetsche: Also, ich kann jetzt über die einzelnen Lebenserwartungen der am Tisch Sitzenden nichts sagen, aber ich weiß jedenfalls, dass solche Fahrzeuge oder Fliegzeuge in sehr naher Zukunft Realität werden. Es ist ja offenkundig, dass in den großen Metropolen in den zwei Dimensionen die Fortbewegung immer schwieriger wird. Weil wir uns trotzdem noch individuell fortbewegen wollen und auch können sollten, ist die dritte Dimension zwingend. Und auch diese Aufgabenstellung ist nicht beliebig schwierig. Insbesondere das autonome Fahren ist dort noch sehr viel einfacher. Also, das werden wir in den nächsten Jahren ganz bestimmt auch in der ersten Anwendung praktisch sehen.
    Kindermann: Herr Zetsche, vielen Dank für das Gespräch.
    Zetsche: Sehr gerne.