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Elena auf dem Prüfstand

In Stuttgart haben kürzlich Deutschlands Datenschutzbeauftragen getagt. Unter den Themenkomplexen war auch die Problematik um den elektronischen Einkommensnachweis Elena. Dieser sei nichts anderes als Vorratsdatenspeicherung, so die Fachleute. Wissenschaftsjournalist Peter Welchering berichtet im Interview mit Manfred Kloiber.

20.03.2010
    Manfred Kloiber: Mittwoch und Donnerstag dieser Woche haben die Datenschutzbeauftragten der Länder und der des Bundes ihre alljährliche Frühjahrstagung in Stuttgart abgehalten. Für die gab es, wen wundert es, eine lange Tagesordnung. Wie umfangreich war sie denn, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Die war ausgesprochen umfangreich. Und nicht nur umfangreich, die war vor allen Dingen ausgesprochen komplex, denn sieben Themenkreise haben sich die Datenschützer vorgelegt und das fing an beispielsweise mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. März. Da fordert ja der EuGH, dass die Aufsichtsbehörden für den Datenschutz in Deutschland von jeder Weisung durch Regierungsstellen frei sein müssen. Das ging dann weiter mit der Modernisierung des Datenschutzrechtes, denn allzu oft läuft ja tatsächlich dann der Datenschutz den technischen Entwicklungen vor allen Dingen im Privatbereich einfach nur hinterher. Ja und dann Ging es drittens um den Themenkomplex Vorratsdatenspeicherung. Das war ein Mammutthema, denn da ging es nicht nur um die Telekommunikations-Vorratsdatenspeicherung, die das Bundesverfassungsgericht ja just am 2. März gekippt hat, nein, da ging es auch um Flugpassagierdaten, da ging es um die Daten von Mautsystemen und bis hin zum elektronischen Entgeltnachweis Elena. Dann waren die Ganzkörperscanner ein Thema und an fünfter Stelle gab es wieder so ein Mammutthema, nämlich die während der vergangenen Jahre erlassenen Sicherheitsgesetze und die daraus dann resultierenden Datenschutzprobleme. Und die sind ja bekanntermaßen sehr vielfältig. Und dann ging es auch noch schließlich um die privaten Abrechnungsstellen in der gesetzlichen Krankenversicherung, die werden ein Jahr verlängert. Und es ging um den Datenschutz bei der anstehenden Neuorganisation der Jobcenter und der Arbeitsgemeinschaften, also ein wirklich pralles Programm für zwei Tage Konferenzdauer. Und entsprechend sind eben auch einige Themen intensiver und andere ein bisschen schneller behandelt worden.

    Kloiber: Und es gab natürlich auch einige Dinge, die ein bisschen intensiver, vielleicht etwas langsamer behandelt wurden. Dazu gehört auch die Vorratsdatenspeicherung. Unter diesem Tagesordnungspunkt ging es dann auch um den elektronischen Entgeltnachweis. Was sagen die Datenschützer dazu?

    Welchering: Es gibt so etwas wie eine offizielle Entschließung. Also offiziell fordern die Datenschützer nach dieser 79. Konferenz, dass die Elena-Datenbank komplett noch einmal auf den Prüfstand muss. Das heißt, alles, was eingespeichert werden soll, darüber muss einmal diskutiert werden. Wie es technisch umgesetzt wird, wie die Abfrage gesichert werden soll, wirklich komplett das gesamte Projekt Elena, das muss nochmal auf den Prüfstand. Darüber muss noch einmal diskutiert werden. Und das war sozusagen der kleinste gemeinsame Nenner. Intern gab es offenbar nach allem, was man so mitbekam, sehr, sehr differenzierte, teilweise auch einander entgegengesetzte Einschätzungen. Aber immerhin, die Datenschutzbeauftragten stimmen darin überein, dass es sich bei diesem gesamten Prozess von Elena, also mit den zahlreichen Angaben, die eben in dieser Elena-Datenbank gespeichert werden, ganz schlicht und einfach um Vorratsdatenspeicherung handelt. Das ist so deutlich noch nie gesagt worden und da fühlten sich natürlich dadurch die Gegner der Elena-Datenbank, die auch nach Karlsruhe ziehen wollen im Übrigen, entsprechend bestätigt. Und hier hat auch Jörg Klingbeil, der Landesbeauftragte für den Datenschutz in Baden-Württemberg, also quasi der Gastgeber der Frühjahrstagung, sich ganz, ganz klar positioniert, Elena sei überflüssig, war Klingbeils Einschätzung, überflüssig wie ein Kropf sogar. Und das ist von den Elenagegnern natürlich schon euphorisch begrüßt worden. Insgesamt ist bei dieser Diskussion um Vorratsdatenspeicherung eben auch herausgekommen, dass eben nicht nur Elena am besten abgeschafft gehört, sondern dass die Datenschützer bei den Mautsystemen hier auch die Möglichkeit zur Vorratsdatenspeicherung gegeben sehen und deshalb schon bei der Konzeption solcher Systeme, also auf der technischen Ebene, die Möglichkeiten der Vorratsdatenspeicherung soweit wie nur möglich ausgeschlossen werden müssen.

    Kloiber: Anfang des Monats hat ja der Europäische Gerichtshof mit einem ziemlich diskutierten Urteil eine Neuordnung der Datenschutzaufsicht in Deutschland gefordert. Gab es da eigentlich schon Vorschläge der Datenschutzbeauftragten?

    Welchering: Ja, da gab es ganz, ganz viele Vorschläge, denn dieser Punkt, das Urteil selbst, sind natürlich sehr intensiv diskutiert worden. Das war nämlich das breiteste Thema in Stuttgart. Und das wird uns auch in den kommenden Monaten noch ganz erheblich beschäftigen. Denn was die Datenschützer hier auf ihrer Frühjahrstagung besprochen haben, das dürfte zu einem regelrechten politischen Beben in Sachen Datenschutz führen. Datenschutz, das ist ja in Deutschland noch ein Flickenteppich und der soll bereinigt werden und da geht es dann beispielsweise um solche Themen: Wie bekomme ich die privaten Überwachungen, also die Stellen, die für die privaten Unternehmen zuständig sind, mit den Stellen, die für die öffentlichen Hände zuständig sind, zusammen? Ober beispielsweise: Wie löse ich das Ganze heraus aus der Einordnung in die Ministerien? Es wird wohl darauf hinauslaufen, dass die Datenschützer sich ähnlich organisieren wie die Landesrechnungshöfe und das würde heißen, sehr viel mehr Geld, mehr Personal, aber eben auch weitgehende Unabhängigkeit von den Regierungen.

    Kloiber: Peter Welchering über die Frühjahrstagung der Datenschützer in Stuttgart. Dankeschön.