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Elf Prozentpunkte weniger
Jugendarbeitslosigkeit in der EU gesunken

Auf dem Höhepunkt der Krise 2013 lag die Jugendarbeitslosigkeit in manchen EU-Ländern bei 50 Prozent und mehr. „Jugendgarantie“ war die Antwort der Politik darauf. Heute sieht es für junge Menschen in Europa weitaus besser aus – allerdings weniger wegen der Beschäftigungsprogramme, meint DIW-Arbeitsmarktexperte Karl Brenke

Karl Brenke im Gespräch mit Manfred Götzke | 31.10.2019
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Viele junge Menschen haben wegen der hohen Arbeitslosigkeit demonstriert (Bild: picture alliance / dpa / Javier Lizon) (picture alliance / dpa / Javier Lizon)
Manfred Götzke: Jugendarbeitslosigkeit – kaum ein anderes Thema hat die Arbeitsminister der EU auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise derart beschäftigt. Die Zahlen, die waren ja auch dramatisch: 2013 hat in Griechenland und Spanien jeder zweite junge Mensch keinen Job gehabt, in vielen anderen Ländern lag die Jugendarbeitslosigkeit bei 30, 40 Prozent. Die Politik hat damals immer wieder beraten, sich Programme ausgedacht. Durchgesetzt hat sich 2013 dann die Jugendgarantie. Die soll sicherstellen, dass junge Menschen unter 25 innerhalb von vier Monaten nach Schulabschluss oder nachdem sie arbeitslos wurden, ein Angebot bekommen für eine Weiterbildung, ein Praktikum oder eine Ausbildungsstelle. Hat das funktioniert, und wie hat sich die Beschäftigungssituation junger Leute in den letzten Jahren verändert – darüber möchte ich mit Karl Brenke sprechen. Er ist Arbeitsmarktexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Guten Morgen!
Karl Brenke: Guten Morgen!
Götzke: Herr Brenke, wie hat sich denn die Jugendarbeitslosigkeit in den Hauptkrisenländern seit 2013 verändert? Wie weit ist sie zurückgegangen?
Brenke: Die Jugendarbeitslosigkeit ist ja kein isoliertes Phänomen. Wir haben in den letzten Jahren überall einen Abbau der Arbeitslosigkeit generell gehabt, und da ist auch die Jugendarbeitslosigkeit kleiner geworden. Anfang 2013, das war der Höhepunkt, hatten wir eine Jugendarbeitslosenquote von fast 25 Prozent, davon sind wir jetzt deutlich runter. Wir sind jetzt bei 14 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit hat sich sogar stärker abgebaut als die Arbeitslosigkeit der Erwachsenen. Das würde vielleicht den Schluss nahelegen, dass diese Jugendgarantie gewirkt hat, aber was anderes spielt eine Rolle, denn tatsächlich, die Beschäftigung der Jugendlichen ist nicht stärker gestiegen als die der Erwachsenen, sondern man hat zwei Bewegungen. Das eine ist, was wir in Deutschland auch kennen, eine zunehmende Akademisierung, ein wachsender Teil der nachwachsenden Generation geht gar nicht erst auf den Arbeitsmarkt, sondern verspätet nach einer akademischen Ausbildung. Das Zweite, was man beobachten kann, ist, die Zahl der Jugendlichen ist einfach kleiner geworden. Wenn ich weniger Nachwuchs habe, dann ist das für diejenigen, die auf dem Arbeitsmarkt sind, auch eine gewisse Entlastung.
Götzke: Das heißt, kein Grund für die Arbeitsminister, sich auf die Schulter zu klopfen.
Jugendgarantie wirkt nur sehr bedingt
Brenke: Nein, man kann ja gucken, man hat ja Zahlen über die Dauer der Arbeitslosigkeit, und wenn ich sage, die Jugendgarantie sagt, dass man nicht länger als vier Monate arbeitslos ist, dann stellt man auf der anderen Seite aber fest, dass in der EU etwa die Hälfte der Jugendlichen länger als vier Monate arbeitslos ist. Das heißt, für die Hälfte der Jugendlichen funktioniert die Jugendgarantie ganz offensichtlich nicht. Das zeigt ja, dass man nicht per Beschluss sagen kann, ich bau die Arbeitslosigkeit ab, sondern der Abbau der Arbeitslosigkeit hängt ja sehr stark auch von der Konjunktur ab.
Götzke: Das heißt, dieses System oder diese Jugendgarantie hat überhaupt nichts gebracht?
Brenke: Ich weiß nicht, ob sie überhaupt nichts gebracht hat. Vielleicht wird es wahrscheinlich eine kleine Stellschraube gewesen sein, an der man gedreht hat. Das eine oder andere Praktikum oder Weiterbildungsprogramm war vielleicht ganz hilfreich, aber der große Wurf war es nicht.
Götzke: Nun ist ja nach wie vor die Jugendarbeitslosigkeit in Ländern wie Spanien oder Frankreich, vor allem aber Griechenland, nach wie vor doppelt so hoch wie die allgemeine Jugendarbeitslosigkeit. Woran liegt das, was läuft da immer noch falsch?
Brenke: So läuft vieles dennoch falsch. In Spanien, Griechenland hat man natürlich immer noch große wirtschaftliche Probleme. Die Probleme sind ja eher unter den Teppich gekehrt worden durch die diversen Maßnahmen der Eurorettung, als dass sie tatsächlich gelöst wurden, und wir haben auch eine Entwicklung, dass wir immer noch eine Jugendarbeitslosenquote haben von über 30 Prozent in Spanien und in Griechenland, und die wären noch sehr viel höher, wenn sich nicht viele Jugendliche vom Arbeitsmarkt weggekehrt hätten und länger in der schulischen Ausbildung oder universitären Ausbildung geblieben wären, aber das ist auch ein Spiegelbild der generell schwierigen Arbeitsmarktsituation in diesen Ländern. Bei den Jugendlichen kommt noch hinzu, dass wenn sie einen Job finden, gerade in Spanien oder auch in Griechenland, sie die Jobs oftmals nur befristet sind, oftmals auch nur Teilzeitjobs sind und die Beschäftigung eher prekärer Art ist.
Duale Ausbildung: Vorbild Deutschland?
Götzke: Kann denn da Arbeitsmarktpolitik überhaupt entgegenwirken aus Ihrer Sicht, auch was Sie jetzt gerade genannt haben, prekäre Beschäftigung, Jobs, die auch nur befristet sind?
Brenke: Eher nicht so Arbeitsmarktpolitik im eigentlichen Sinne, sondern was, glaube ich, wichtig, wäre, dass man bei der Bildungspolitik sich an den guten Beispielen Deutschlands, Österreichs orientiert, dass man auf eine praxisnahe Berufsausbildung setzt. In vielen Ländern, das gilt für den Süden, das gilt aber auch für Osteuropa, ist die Berufsausbildung noch viel zu schulisch. Das heißt, in irgendwelchen Fachschulen werden die Berufe erlernt, und nicht so wie in Deutschland betrieblich. Und die betriebliche Ausbildung hat den enormen Vorteil auch für die Jugendlichen, sie sind drei Jahre im Betrieb, lernen praktisches Arbeiten und vor allen Dingen auch der Ausbilder kennt die Jugendlichen. Die werden dann oftmals übernommen. In anderen Ländern ist es vielfach so, dass sie dann nach der Schule auf den Arbeitsmarkt kommen und überhaupt noch keine Praxiserfahrung, gar keine Referenz vorweisen können und sie es deshalb besonders schwer haben. Das zeigt sich ja auch, europaweit ist die Arbeitslosenquote der Jugendlichen immer noch doppelt so hoch wie die der Erwachsenen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.