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Eliteförderung
Nur wenige Studierende profitieren vom Deutschlandstipendium

Mit dem Deutschlandstipendium erhalten Studierende 300 Euro monatlich. Die eine Hälfte finanziert der Bund, die andere Hälfte übernehmen private Förderer. Auf der Jahresveranstaltung wurde allerdings der hohe Verwaltungsaufwand kritisiert und dass nicht einmal ein Prozent der Studierenden von dem Stipendium profitiere.

Von Verena Kemna | 20.05.2015
    Begrüßung der Erstsemester an der Westfälische-Wilhelms-Universität in Münster. 5400 Studenten haben zum Wintersemester 2014/2015 ihr Studium aufgenommen
    Weniger als die Hälfte der staatlichen Fördermittel werden ausgeschöpft. (imago / Rüdiger Wölk)
    Björn Jürs studiert Medizin im 8. Semester an der Christian-Albrechts Universität zu Kiel. Eine Anzeige für das Deutschlandstipendium auf der Uni-Webseite hat ihn vor vier Jahren auf die Idee gebracht, sich zu bewerben. Gute Noten und besonderes Engagement in der Lehre haben den Ausschlag gegeben. Seitdem bekommt Björn Jürs 300 Euro monatlich. Die eine Hälfte finanziert der Bund, die andere Hälfte übernehmen private Förderer. Björn Jürs kennt seine Förderer gut, es sind besonders engagierte Mediziner und die Stiftung zur medizinischen Forschung. Von dieser Zusammenarbeit habe er besonders profitiert, meint der 25-jährige Medizinstudent.
    "Ich hatte viel Kontakt zu meinen Förderern seit 2011, konnte viel profitieren, sowohl praktische Erfahrungen sammeln in der Forschung, bei einer OP, mal hospitieren in der Praxis."
    Auch Bontu Guschke, die Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin studiert, freut sich über die persönliche Unterstützung durch ihre Förderer vom Netzwerk Unternehmertum der FU-Berlin. So fühlt sich Bontu Guschke mit ihrem Start-up, das sich in besonderer Weise um Flüchtlinge in Berlin kümmert, bestens betreut. "Über den Tellerrand kochen", ist nicht nur ein Kochbuch mit Rezepten für Erdnussbuttersuppe aus Ghana und Fisch-Eintopf aus Nigeria. Es ist eine Kampagne von Studierenden, um sich besser kennenzulernen.
    "Dass man sich auf Augenhöhe begegnet, sich austauscht und einfach viel zusammen unternimmt und zusammen schafft. Das machen wir jetzt seit zwei Jahren und da haben wir gedacht, dass das bestimmt vom Deutschlandstipendium unterstützt wird."
    Win-win-Situation für Förderer und Studierende
    Eine Win-win-Situation für die Stipendiaten und für deren Förderer, meint Oliver Schmidt. Der Berliner Unternehmensberater im Bereich Nachhaltigkeit ist Mitglied im Netzwerk Unternehmertum der FU- Berlin und einer von vielen, die die das Deutschlandstipendium von Bontu Guschke mit 1.800 Euro jährlich fördern.
    "Bontu kennengelernt zu haben, sie persönlich, die eben mit ihren 22 Jahren schon sehr weit ist, sehr viel erlebt hat, sehr vieles macht, das ist etwas, was grundsätzlich klasse ist. Dann ihr Projekt 'Über den Tellerrand kochen', also mit Flüchtlingen und Einheimischen zu kochen, das ist etwas Besonderes und das für die paar Kröten im Monat, da hat man doch schon gewonnen oder nicht."
    Eine gute Bilanz für Stipendiaten und Förderer. Bei der Jahresveranstaltung wird vor allem der hohe bürokratische Aufwand kritisiert. Eine Herausforderung für die Hochschulen mit ihren knappen Mitteln. Allein die Akquise der Förderer ist mit meistens nur einer dafür bewilligten Stelle kaum zu bewältigen. So gibt es an der Freien Universität Berlin zwar einige hundert Deutschlandstipendiaten. Es könnten aber mehr sein, meint FU-Präsident Peter-André Alt.
    "Wir laden diese fördernden Personen immer wieder ein, zu Veranstaltungen mit ihren Stipendiaten. Sie haben Teil an der Universität. Es gibt Kontakte zur Gründerszene, weil viele der Stipendiaten selber gründen. Da geht es nicht nur um Geld, sondern vor allem um persönliche Kontakte."
    Staatlichen Fördermittel werden nicht ausgeschöpft
    Doch mangels finanzieller Mittel und Personal können die Hochschulen nicht einmal die Hälfte der staatlichen Fördermittel ausschöpfen. Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion beurteilt das Deutschlandstipendium als Misserfolg und Ladenhüter. Nicht einmal ein Prozent aller Studierenden würden davon profitieren.
    "Diese Bundesmittel für das Deutschlandstipendium, die nicht abgerufen werden, sollten ins BAföG fließen und sollten an Stipendien für Flüchtlinge gehen. Wir haben hier eine immense Nachfrage. Allein 5.000 syrische Studierende haben sich im letzten Jahr um ein Stipendium beworben auf 200 Plätze, die das Auswärtige Amt finanziert hat. Das heißt, hier könnte man mit den Mitteln aus dem Deutschlandstipendium wahnsinnig viel bewegen und stattdessen Stipendien für Flüchtlinge finanzieren."
    Auch der Bundesverband Liberaler Hochschulgruppen kritisiert unter anderem den hohen Verwaltungsaufwand für das Deutschlandstipendium. Außerdem sollten Unternehmen einen größeren Teil der Stipendienfinanzierung übernehmen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat eine Evaluation in Auftrag gegeben. Noch in diesem Jahr sollen dem Bundestag Ergebnisse präsentiert werden.