Donnerstag, 28. März 2024

Archiv


Elter 1 und Elter 2

Was der Europarat jetzt angeregt hat, um die Gleichstellung in der Verwaltungssprache voranzutreiben, hat allenfalls Kalauerqualität: Statt der altmodischen Begriffe "Vater" und "Mutter" soll künftig nur noch von "Elter 1" und "Elter 2" gesprochen werden.

Von Burkhard Müller-Ullrich | 06.09.2010
    Unser deutsches Sprache ist immer noch nicht ganz geschlechtsneutral. Fast jedes Satz enthält verdächtige Wörter, die weibliche Menschen erniedrigen und beleidigen, und zwar fieserweise im Verborgenen. Oft merkt man/frau gar nicht, dass hinter Wörtern wie Fußgänger oder Anfänger oder gar Mannschaft der reinste Sexismus steckt. Als ob Frauen nicht auch manchmal zu Fuß gingen, etwas anfingen oder sich zu Gruppen und Truppen formierten. Deshalb brauchen wir ein neues diskriminierungsfreies Vokabular. Fußgängerzone wird zu Flanierzone, Anfängerkurs wird zu Grundkurs. Und Mannschaft? Da wird es richtig schwierig.

    Aber das Europarat verlangt es. Das Europarat, nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat und dem Rat der Europäischen Union, ist jenes Institution, die für ein paar hundert Millionen Euro im Jahr den europäischen Regierungen und Parlamenten unverbindliche Vorschläge unterbreitet, was für Kommissionen man/frau noch wo bilden und welche Mißstände man/frau noch wie anprangern könnte. Zum Beispiel das Riesenmissstand des deutsche Sprache.

    Im Juni wurde das Dokument 12267 beschlossen, ein von der sozialistischen Abgeordneten Doris Stump aus der Schweiz redigiertes Papier, das Wege zur Bekämpfung sexueller Stereotypen in den Medien aufzeigt. Dort heißt es, Frauen würden in den Medien meist als Mütter oder als Sexualobjekte dargestellt. Mütter oder Sexualobjekte: man/frau weiß gar nicht, was schlimmer ist. Jedenfalls sollten unbedingt mehr Männer als Mütter zur Darstellung kommen.

    Halt! Das Wort Mutter ist ja schon als solches dermaßen sexistisch kontaminiert, dass es gleich ganz abgeschafft gehört – ebenso wie Vater. Das empfiehlt ein offizieller und verbindlicher Leitfaden der Schweizerischen Bundeskanzlei zum geschlechtergerechten Formulieren im Dienstgebrauch. Unter Punkt 4.19 werden dort einige geschlechtsabstrakte Personenbezeichnungen wie zum Beispiel "die Person"aufgeführt, an deren grammatischem Geschlecht man/frau sich eigentlich nicht stoßen muss, weil es keinen Bezug zum natürlichen Geschlecht hat. Mit "die Geisel" und "die Waise" sind nicht unbedingt Frauen gemeint, genauso wie "der Fan" und "der Star" nicht immer Männer sind.

    Um "Vater" oder "Mutter" geschlechtsneutral anzusprechen, greifen Behörden, zum Beispiel auf Formularen, inzwischen zu "Elternteil" oder dem Singular von Eltern, also "Elter". Jedes zum Glück von vornherein sprachlich geschlechtsindifferente Kind hat also künftig Elter 1 und Elter 2 und in modernen Patchworkfamilien vielleicht noch Elter 3 und 4. Hinzu kommt Großelter 1.1 und 1.2 beziehungsweise 2.1. und 2.2.

    So führen schon kleine Veränderungen in der Ausdrucksweise zu mehr Gerechtigkeit und einer besseren Zukunft auf Erden.