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Eltern und Nachwuchsleistungszentren
Ein ungleiches Machtverhältnis

Die Aufarbeitung der Rassismusvorwürfe gegen einen Jugendtrainer des FC Bayern haben vor allem die Eltern ins Rollen gebracht. Susanne Amar hat ihren Sohn im Jugendfußball begleitet und sagt: Es muss in den Nachwuchsleistungszentren mehr Kommunikation mit den Eltern geben.

Susanne Amar im Gespräch mit Maximilian Rieger | 16.08.2020
Der FC Bayern Campus, das Nachwuchsleistungszentrum des FC Bayern München.
Der FC Bayern Campus, das Nachwuchsleistungszentrum des FC Bayern München (imago images / foto2press)
Seit Anfang der Woche ist der FC Bayern mit schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert: Ein Jugendtrainer des Vereins, tätig auf dem FC Bayern Campus, dem vereinseigenen Nachwuchsleistungszentrum, soll sich mehrfach rassistisch geäußert haben. Der Staatsschutz ermittelt, nachdem der WDR über den Fall berichtet hat. Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hat angekündigt, dass es bald Konsequenzen geben soll.
Beim FC Bayern gibt es eine interne Untersuchung, bei der auch die Eltern der Nachwuchsspielerinnen und -spieler mithelfen sollen. Auffällig ist: Es soll bereits seit September 2018 vier anonyme Briefe gegeben haben, in denen sich Eltern über den betroffenen Trainer beschwert haben sollen.
Mangelndes Verständnis zwischen Eltern und Trainern
Susanne Amar hat ihren Sohn zehn Jahre im professionellen Jugendfußball begleitet, fünf Jahre war er in einem Nachwuchsleistungszentrum. Inzwischen arbeitet Amar als Coach für Eltern und Trainerinnen und Trainer. Sie gibt Workshops und hält Vorträge in Amateurvereinen und Nachwuchsleistungszentren (NLZ). Amar fordert, dass sich in der Zusammenarbeit der NLZ mit den Eltern generell etwas ändert: "Das ist ein Machtverhältnis, das da vorhanden ist. Dadurch, dass die Eltern nicht wirklich als gleichwertige oder wenig als gleichwertige Gesprächspartner gesehen werden", sagte sie im Deutschlandfunk.
Susanne Amar, systemischer Coach für Trainerinnen und Trainer und Eltern, im Deutschlandfunk-Studio.
Susanne Amar, systemischer Coach für Trainerinnen und Trainer und Eltern, im Deutschlandfunk-Studio. (Maximilian Rieger / DLF)
Viele Eltern hätten Bedenken, sich in kritischen Situationen zu äußern - weil das dem Erfolg des Kindes im Verein schaden könnte. Deshalb appelliert Amar an die Vereine, "dass da eine Kommunikationsbasis gelegt wird." Zwischen Eltern und Trainerinnen und Trainern gebe es oftmals wenig Verständnis füreinander: "Beide Seiten wissen selten voneinander, was sie leisten."
Forderung nach Reformen in der Trainerausbildung
Amar findet, dass auch die Verbände tätig werden müssten: "Ich glaube, es wäre wichtig, schon in der Trainerausbildung Elternkommunikation oder –zusammenarbeit mehr Raum einzuräumen." Gerade junge Trainer wüssten aufgrund ihrer geringen Lebenserfahrung wenig über das Familienleben.
Amars Sohn hatte in seiner Zeit im Jugendfußball einen externen Mentor, der auch für die Eltern Ansprechpartner bei Fragen war. Viele Eltern seien aber "im luftleeren Raum" und wüssten nicht, wie sie mit kritischen Situationen umgehen können. Viele Eltern wüssten nicht, "was im Fußball auf sie zukommt, was sie so erwartet." Gerade im Nachwuchsleitungszentrum gehe es um eine ganz neue Welt - auch für die Eltern: "Da geht es viel mehr um Leistung."
Vermehrt haben Vereine Potenzial der Eltern erkannt
Mittlerweile gebe es Vereine, die versuchen, eine Kommunikationsebene mit den Eltern aufbauen, "um im Umkehrschluss kritische Themen auch besser besprechen zu können." Zum Beispiel, wenn es bei der Tochter oder dem Sohn im NLZ nicht so gut läuft.
"Jetzt merkt man immer mehr, dass die Elternschaft ein großes Potenzial ist", so Amar. Gerade bei NLZ-Spielerinnen und -Spielern brauche es die Unterstützung von Eltern und dem familiären Umfeld, "um da einfach auch gut durchzukommen". Und für alle jungen Spielerinnen und Spieler in den Amateurvereinen und in den NLZ gelte: Die Eltern als Unterstützer seien "ein rießengroßer Pool, der da vorhanden ist, der oftmals gar nicht genutzt und gesehen wird".
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.