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Élysée-Vertrag
Alte Freundschaft neu verhandelt

Der Élysée-Vertrag wird neu verhandelt, um die deutsch-französische Freundschaft auf ein neues Fundament zu stellen. Was schon jetzt bei deutsch-französischen Freundschaftsabenden sichtbar wird: Auch wenn alle guten Willens sind, treffen bei manchen Themen Welten aufeinander.

Von Anne Raith | 17.05.2018
    22. Januar 1963: Frankreichs Präsident Charles de Gaulle (r.) und Bundeskanzler Konrad Adenauer nach der Unterzeichnung im Élysée-Palast.
    22. Januar 1963: Frankreichs Präsident Charles de Gaulle (r.) und Bundeskanzler Konrad Adenauer nach der Unterzeichnung im Élysée-Palast. (AFP)
    Es ist Zeit für den Apéro, ein kleines Bier oder ein Glas Wein zum Feierabend. Die Tische der Bar auf dem Boulevard de Bonne Nouvelle in Paris sind draußen alle besetzt. Eine Europafahne weist den Weg in den ersten Stock.
    Dort hat das lokale Komitee von "La République en Marche" seine Mitglieder eingeladen, um über das 'Europa der Verteidigung' und das deutsch-französische Duo zu diskutieren. Yann und Nathalie haben sich was zu trinken geholt und sind ins Gespräch vertieft. Sie finden es gut, dass der deutsch-französische Freundschaftsvertrag erneuert werden soll:
    Yann: "Der Kontext ist ja heute ein anderer. Damals, keine 20 Jahre nach dem Krieg, ging es in erster Linie um Versöhnung. Und das ist uns ja inzwischen im Großen und Ganzen gelungen."
    Nathalie: "Wir müssen den Vertrag entstauben und um Themen erweitern, um eine Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik, der Bildung, vielleicht im Sozialen. Ich möchte, dass es konkret wird, sonst bleibt der Vertrag wirkungslos."
    Verhandlungen nicht immer einfach
    Das hat sich auch die deutsch-französische Arbeitsgruppe vorgenommen, neun deutsche und neun französische Parlamentarier, die an den Verhandlungen ihrer Regierungen über den erneuerten Élysée-Vertrag mitwirken. Doch das ist bei manchen Themen gar nicht so einfach, das zeigt auch die Diskussion an diesem Abend.
    Die Verteidigungspolitik ist einer der besonders heiklen Punkte, weil beide Länder ganz unterschiedliche Prioritäten haben, erklärt Barbara Kunz. Auch historisch bedingt. Sie ist Wissenschaftlerin am französischen Institut für Internationale Beziehungen in Paris und sitzt an diesem Abend mit auf dem Podium:
    "Frankreich schaut eben sehr stark auf Afrika, ist sehr daran interessiert, Operationen durchzuführen, sucht Unterstützung bei den Operationen. Deutschland ist da wesentlich zurückhaltender, hat das Ganze auch eher als europäische Integration im Blick, das heißt, dass möglichst viele mitmachen sollen, während es Frankreich auch in erster Linie darum geht, dass das Ganze schlagkräftig und effizient ist, das heißt mit relativ wenigen Ländern, die dafür wirklich aktiv sein können und wollen."
    So aktiv wie Frankreich, wo der Präsident "chef des armées" und damit Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist, kann und will Deutschland mit seinem starken Parlament gar nicht sein. Und auch in den Bereichen, in denen eine engere Kooperation denkbar ist und schon gelebt wird - Logistik und Industrie etwa – stellten sich früher oder später heikle Fragen, wie die nach Rüstungsexporten, bei denen Frankreich weit weniger Vorbehalte habe, erklärt Barbara Kunz. Entsprechend groß sei inzwischen die Enttäuschung in Paris. Vielleicht ein bisschen zu Unrecht.
    "Ich glaube, dass hier in Frankreich die Erwartungen an Deutschland vielleicht überzogen waren, also, dass man wirklich dachte: Deutschland wird jetzt 'normal', Deutschland wird jetzt so wie wir und dann haben wir den Partner, den wir immer wollten."
    Heikle Themen: Verteidigung, Eurozone, Migration
    Für Sabine Thillaye sind es gerade diese heiklen Themen, die die Arbeit der deutsch-französischen Arbeitsgruppe, der sie auf französischer Seite angehört, spannend und notwendig machten: Verteidigung, Eurozone, Migration. Die gebürtige Deutsche mit dem französischen Pass ist Vorsitzende des Europa-Ausschusses der französischen Nationalversammlung und hat sich während der Debatte an diesem Abend auch für starke politische Symbole, wie die deutsch-französische Brigade, stark gemacht. Im Anschluss sagt sie:
    "Natürlich gibt es Vorbehalte, aber dann ist es an uns Parlamentariern, Nägel mit Köpfen zu machen, zu diskutieren und herauszufinden, wie und wo wir Fortschritte erreichen können."
    Denkbar sei vieles: "Wir dürfen auch ein bisschen experimentieren. Die Grenzregionen könnten ein bisschen mehr – in Anführungszeichen – "Autonomie" erhalten, mit Blick auf die Energiewende, die Ausbildung, den gemeinsamen Arbeitsmarkt, da wird es dann sehr konkret."
    Es ist nicht der erste Vorstoß in diese Richtung, aber er soll von Dauer sein. Ziel der deutsch-französischen Arbeitsgruppe ist es auch, eine enge parlamentarische Zusammenarbeit festzuschreiben.
    "Dadurch hätte unsere Zusammenarbeit eine juristische Grundlage. Manchmal geht es voran, weil sich zwei besonders gut verstehen und Dinge anpacken. Eine gute Zusammenarbeit darf aber nicht davon abhängen, ob man sich versteht oder nicht."
    Aber es erleichtert es natürlich.