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EM-Übertragung
ARD und ZDF kritisieren TV-Zensur der UEFA

Krawalle auf den Tribünen, Flitzer auf dem Spielfeld, Fans, die sich nach einem Tor auf die jubelnde Spielertraube schmeißen: All das soll in den offiziellen Fernsehbildern der UEFA nicht zu sehen sein. ARD und ZDF haben wegen dieser Fernseh-Zensur nun protestiert. Sie wollen ihren Zuschauern auch das Geschehen abseits des Platzes zeigen.

Von Matthias Götte | 13.06.2016
    Vida und die anderen beiden Spieler umarmen sich jubelnd am Spielfeldrand. Im Hintergrund rutscht der kroatische Fan auf den Knien heran.
    Spielertraube mit Fanbeteiligung: Vom UEFA-Fernsehen zensiert (AFP / BULENT KILIC)
    Beide Sender intervenierten gemeinsam bei der UEFA. ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Natürlich haben wir die Erwartung, dass auch angesichts der brisanten gesellschaftspolitischen Lage alle relevanten Szenen im Weltsignal der UEFA enthalten sind. Dazu gehören nicht nur die Spielszenen, sondern auch alles, was abseits passiert. Diese Erwartungshaltung haben wir auch klar formuliert." Bei den Öffentlich-Rechtlichen gebe es keine Zensur, so Gruschwitz.
    ARD-Teamchef Jörg Schönenborn erklärte, man werde darüber hinaus alles daransetzen, Vorfälle abseits des Spielfeldes mit eigenen Kameras zu dokumentieren.
    Die UEFA stellt die offiziellen Fernsehbilder von den Spielen und verkauft sie an die übertragenden nationalen Sender. Dabei achtet der Verband penibel darauf, keine Bilder etwa von Zuschauerkrawallen auf den Tribünen oder von Flitzern auf dem Platz zu zeigen. Die UEFA begründet dies damit, dass sie Gewalttätern keine Plattform bieten und Nachahmungseffekte vermeiden wolle.
    ARD-Reporter Thomas Kunze kann das teilweise nachvollziehen: Dies sei ein "Grund, den die UEFA zurecht anführt", sagte er im Deutschlandfunk. Allerdings gebe es auch noch einen anderen: Das Image zu wahren, die glänzende Welt und Schaden vom Business abzuwenden.
    Skurrile Szenen bei der Übertragung
    Bei den Übertragungen führt das UEFA-Vorgehen teilweise zu geradezu skurrilen Szenen: So zeigte die Kamera eine jubelnde Spielertraube der Kroaten nach deren 1:0 gegen die Türkei im Pariser Prinzenpark-Stadion. Als ein kroatischer Fan die Absperrung überwand und sich jubelnd dazugesellte, schaltete die UEFA-Bildregie blitzschnell auf eine andere Kamera um - aber dennoch eine Zehntelsekunde zu spät, der Fan war kurz im Bild.
    Beim Spiel zwischen England und Russland in Marseille war nach Spielschluss nicht zu sehen, dass russische Fans die Nachbartribüne stürmten und auf die dortigen Fußballfans einprügelten. Stattdessen zeigte das UEFA-Fernsehen die Spieler bei der Dankesrunde durchs Stadion. Auch ein Flitzer auf dem Platz wurde von der UEFA-Bildregie zensiert.
    Gewaltszenen mündlich vom ZDF-Kommentator
    ARD und ZDF bemühen sich, die fehlenden Bilder mit eigenen Kameras zu liefern - oder wenigstens verbal vom Fernsehkommentator. So erfuhren die deutschen Zuschauer über ZDF-Mann Oliver Schmidt vom russischen Tribünensturm und vom Flitzer. Später lieferten die beiden Öffentlich-Rechtlichen die Bilder von den Schlägereien in der Nachberichterstattung.
    Ein russischer Fan tritt einem englischen Fan gegen den Bauch.
    Gewalt im Stadion bei der Partie England gegen Russland (EPA)
    Die UEFA verteidigt sich gegen die Kritik der deutschen Sender. Das ZDF hätte die Ausschreitungen im Stadion von Marseille mit eigenen Kameras zeigen können, hieß es beim Verband. Tatsächlich tat der Sender das in diesem Fall nachträglich ja auch. Allerdings: Eine ausreichende Zahl an eigenen Live-Kameras haben ARD und ZDF nur bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft im Stadion. Bei den anderen Spielen sind es deutlich weniger Kameras, die zudem nicht das Geschehen auf dem Platz abbilden, sondern für Nachberichte und Interviews vorgesehen sind.
    Diskussion ist nicht neu
    Unter bestimmten Bedingungen kann der UEFA-Verzicht auf die Abbildung von Gewaltszenen allerdings auch von Vorteil sein: Hilfreich war es bestimmt, als in den Fan-Zonen von Marseille mehrere tausend Russen und Engländer das Spiel vor der Großleinwand verfolgten. Die Gewalt im Stadion hätte sich leicht auf die Fans ohne Ticket übertragen können - war es in der Innenstadt von Marseille doch bereits vor dem Spiel zu extrem gewaltsamen Hooligan-Ausschreitungen gekommen.
    Neu ist die Diskussion um zensierte Bilder übrigens nicht - sie kommt bei sportlichen Großveranstaltungen vor allem im Fußball fast regelmäßig auf.