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Emanzipation von erzbischöflicher Macht

Am 5. Juni 1288 standen sich Truppen des Herzogs Johann I. von Brabant und des Kölner Erzbischofs gegenüber. Unter den Gegnern des Kirchenfürsten waren auch Bürger und Fußvolk aus Köln. Lokalpatrioten gilt die Schlacht bei Worringen als Beginn urkölscher städtischer Freiheit.

Von Wolfgang Stenke | 05.06.2013
    Bläck Fööss: "Schlacht bei Worringen":

    "Dä Ääzbischof von Westerburg
    dä wollt ald lang uns Kölle han
    däm jing et nur öm Maach und Jeld
    nit öm uns Siel däm Kirchemann."

    Das gibt's nur in Köln: eine Mundartgruppe, die "Bläck Fööss", die eine der mörderischsten Schlachten des Mittelalters besingt. Die Schlacht bei Worringen am 5. Juni 1288, in der sich Truppen um Herzog Johann I. von Brabant mit dem Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg und seinen Bündnispartnern bekriegten. Unter den Gegnern des mächtigen Erzbischofs auch berittene Bürger und 1500 Mann Fußvolk aus Köln. Nach lokalpatriotischer Lesart stand Worringen am Beginn urkölscher städtischer Freiheit:

    "Wä en Kölle es jebore,
    hät e Räch si Levve lang
    frei ze sin un frei ze odme
    jede Minsch ne freie Mann."

    Der eigentliche Konflikt, der in der Schlacht bei Worringen blutig kulminierte, war freilich ein Erbstreit um das Herzogtum Limburg, heute in Belgien gelegen. Der gesamte Nordwesten des Reiches verstrickte sich darin - von Flandern bis Westfalen. Der Brabanter Chronist Jan van Heelu:

    "Es glich dem trojanischen Krieg; denn es dauerte ebenso heftig nicht viel weniger als fünf Jahre an, dass niemand Versöhnung zustande bringen konnte."

    Johann I. von Brabant benutzte den langwierigen Streit, um seine Machtposition auszubauen: Er kaufte das Erbrecht des Grafen Adolf von Berg, der sich nicht in der Lage sah, seinen Anspruch auf Limburg selbst durchzusetzen. Der Brabanter Herzog, der noch eine Reihe anderer Adeliger aus der Region auf seine Seite zog, wurde damit zum Gegner des Kölner Erzbischofs Siegfried von Westerburg. Dieser einflussreiche geistliche Kurfürst sah seine Territorialpolitik durch Johann I. von Brabant bedroht. Er stellte sich deshalb an die Spitze eines Bündnisses, zu dem u.a. die Grafen von Luxemburg, Geldern und Nassau gehörten.

    Die Kölner versuchten zunächst, zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln. Dann aber schlugen sie sich unter Bruch geltender Verträge, die sie an den Erzbischof banden, auf die Seite des Herzogs von Brabant. Die Herren der Stadt – mit 40.000 Einwohnern war sie die größte im Reich - sahen die Chance, die Zollabgaben loszuwerden, die der Erzbischof durch ein System von Burgen am gesamten Niederrhein eintreiben ließ. Jan van Heelu berichtet in seiner Chronik:

    "Da sprachen sie: 'Herr Herzog! Über Worringen haben wir sehr zu klagen, denn das ist der Raubritter Nest. (...) Darum lasset uns also beginnen, dass wir sie alle umbringen oder gefangennehmen und die Burg dem Erdboden gleichmachen."

    Nach mehrtägiger Belagerung begann am Morgen des 5. Juni 1288 die Schlacht nördlich von Köln auf der Fühlinger Heide bei Worringen. Erst wurde die Messe gelesen, dann griff man zu den Waffen:

    "Als der Herzog (von Brabant) sein Roß bestieg, sah man ein Bild von Kampfeslust wie nie zuvor; noch nie wurde so außerordentlich unerschrocken zum Kampfe aufgebrochen."

    Etwa 5000 Berittene und 4000 Fußsoldaten gingen bei Worringen aufeinander los. Zunächst war das Kriegsglück dem Erzbischof Siegfried von Westerburg hold. Seine Mannen ritten die Kölner Miliz und das Fußvolk des Grafen von Berg über den Haufen und schlugen sie in die Flucht. Doch bei einem ungeschickten Wendemanöver behinderten die erzbischöflichen Truppen sich gegenseitig. So umzingelten die brabantischen Verbündeten - vor allem die Kölner, unterstützt von den Bauernkriegern aus dem Bergischen Land - ihre Gegner:

    "Da war in ihres Feindes Heer niemand, war er auch noch so tapfer, der nicht abgewehrt wurde, denn durch die Schwerter der Brabanter fielen sie ohne Umschweife (...) und wenn sie umkehren wollten, fanden sie die Kölner oder die Bauern von Berg."

    Bis zum Nachmittag dauerte das Gemetzel, bei dem fast 2000 Männer starben. Dann kapitulierte Erzbischof Siegfried. Graf Adolf von Berg nahm ihn auf Schloss Burg an der Wupper für ein Jahr in Gefangenschaft. 12.000 Mark Lösegeld musste er für die Befreiung zahlen, seine Burgen am Niederrhein wurden geschleift. Die Kölner konnten sich, trotz etlicher Racheversuche des Bischofs, langfristig der kirchlichen Herrschaft über ihre Stadt entziehen. Am Ende stand städtische Freiheit für die Patrizierfamilien, aber noch lange nicht für alle Bürger. Im Reich blieb Siegfried von Westerburg weiterhin ein mächtiger Mann: Als Kurfürst gelang es ihm, seinen Schwager Adolf von Nassau 1292 auf den deutsch-römischen Königsthron zu hieven.