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Emmy-Awards 2016
"Erzählt ihre Geschichten"

Was die ethnische Vielfalt angeht, bleibt im US-Fernsehen noch einiges zu tun. Trotzdem zeigten die Emmy-Awards, dass etwa afroamerikanische oder asiatische Schauspieler durchaus Chancen auf die Trophäen haben. Autoren und Schauspieler warben auf der Verleihung für mehr Geschichten über Menschen verschiedenster Herkunft und sexueller Orientierung.

Von Kerstin Zilm | 19.09.2016
    Aziz Ansari und Alan Yang posieren während der Feier der 68. Emmy Awards im Microsoft Theater in Los Angeles. Sie wurden für ihre Comedy-Serie "Master of None" ausgezeichnet.
    Alan Yang und Aziz Ansari bei dem 68. Emmy Awards 2016 (EPA)
    Es stimmt: Auch in diesem Jahr wurden viele bekannte Gesichter auf die Emmy-Bühne gerufen und alte Serien-Favoriten zum wiederholten Mal mit dem höchsten Preis der US-Fernsehindustrie ausgezeichnet:
    "And the Emmy goes to Game of Thrones" - "Emmy goes to Veep" - "To Julia Louis-Dreyfus-Veep" - "Jeffrey Tambor for Transparent!"
    Doch Zuschauer dürften manche Namen auch erst mal in ihre Suchmaschine eingegeben haben, um herauszufinden, wer genau da einen Preis bekam und wofür. Zum Beispiel beim ersten Emmy für Rami Malek. Er bekam einen Preis für seine Rolle eines jungen Computer-Programmierers aus einer anarchistischen Hackergruppe in der Thriller-Serie "Mr. Robot".
    Dankesrede vom Smartphone
    Tatiana Maslanys Serie "Orphan Black" läuft schon in der vierten Staffel, aber weit jenseits des US-Mainstream-Fernsehens auf BBC America. Auch sie bekam ihren ersten Emmy und las ihre Dankesrede vom Smartphone ab:
    "Ich hätte das aufschreiben sollen. Ich fühle mich so vielen Menschen verpflichtet. Danke für den Traumjob. Ich habe so ein Glück, Teil einer Show zu sein, die Frauen in den Mittelpunkt stellt."
    Maleks und Maslanys Auszeichnungen dürften beiden Serien Auftrieb geben. Denn eins liefert die Preisverleihung trotz sinkender Einschaltquoten: Orientierung im wachsenden Dschungel von Produktionen, in dem nicht einmal mehr klar ist, was das Wort "Fernsehen" überhaupt noch bedeutet.
    Über 400 Serien in der letzten Saison
    Mehr als 400 neue Serien wurden in der vergangenen Saison in den USA gezeigt - auf traditionellen Sendern, Kabelkanälen und Streaming-Diensten von Netflix bis YouTube. Dazu gehört die FX-Serie "The People vs. OJ-Simpson".
    Neun Emmys bekam die Serie über den Prozess des US-Footballstars, der die Nation vor über 20 Jahren monatelang in Atem hielt. Sie sicherte mehreren afroamerikanischen Emmy-Neulingen Aufmerksamkeit und Anerkennung. Trotzdem bleibt was ethnische Vielfalt angeht noch viel zu tun im US-Fernsehen, auch wenn die Verleihung der Emmys deutlich besser aussieht als die Oscars.
    Alan Yang, als Ko-Autor für die Netflix-Serie "Master of None" ausgezeichnet, warb humorvoll für facettenreichere Geschichten über Menschen asiatischer Herkunft:
    "Es leben 17 Millionen asiatisch-amerikanische Menschen in diesem Land. Wir haben noch einiges vor uns und wenn wir uns anstrengen, werden wir es schaffen. Liebe asiatische Eltern, wenn ein paar von Euch Euren Kindern Kameras statt Geigen gebt, wird alles gut."
    Werbung für ethnische Vielfalt
    Direkter drückte sich Jeffrey Tambour, Hauptdarsteller der Amazon-Serie "Transparent" aus:
    "Produzenten, Besitzer von Fernsehsendern, Agenten, gebt Transsexuellen eine Chance, hört sie an, erzählt ihre Geschichten. Ich wäre nicht unglücklich, wenn ich der letzte nicht transsexuelle Mann bin, der eine transsexuelle Frau im Fernsehen spielt."
    Transparent-Regisseurin Jill Soloway wurde zum zweiten Mal für ihre Arbeit an der Serie ausgezeichnet und ist eine Ausnahme im Fernsehgeschäft. Im vergangenen Jahr führten nur bei 17 Prozent der US-Serien Frauen Regie. Sie dankte Amazon-Chef Jeff Bezos:
    "Du hast mich zu diesem Ding eingeladen, dass die Leute Fernsehen nennen. Ich nenne es eine Revolution. Ich wollte immer Teil einer Bewegung sein. Bürgerrechte oder Frauenrechte. Stürzt das Patriarchat!"
    US-Fernsehen reagiert schneller auf Gesellschaftsveränderungen
    US-Fernsehen reagiert deutlich schneller, provokanter und einflussreicher auf Gesellschaftsveränderungen im Land als die großen Hollywoodstudios. Das hat positive und negative Folgen und sie sind manchmal ernsthafter, als Emmy-Moderator Jimmy Kimmel es in einem Witz klingen ließ:
    "Fernsehen bringt uns zusammen, aber es kann auch trennen. Wäre Donald Trump ohne Fernsehen Präsidentschaftskandidat? Nein. Wer ist verantwortlich für das Trump-Phänomen? Ich sag es euch: Der Kerl dort, Mark Burnett. Der Mann, der uns die Trump-Show 'Celebrity Apprentice' brachte. Dank ihm leben wir jetzt in einer Reality Show."
    Wie viel Einfluss auf Gesellschaft und Fernsehlandschaft zukünftig Streaming-Dienste haben werden, ist auch nach dieser Preisverleihung schwer vorherzusagen. Wie lange werden sie noch Milliarden in Produktionen stecken, um Top-Autoren, -Schauspieler und Regisseure anzuziehen und Hollywoodstudios sowie den Oscars Konkurrenz zu machen? Das ist derzeit eine der am häufigsten gestellten Fragen in Hollywood.