Donnerstag, 25. April 2024

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Empfehlungen der Kohlekommission
Greenpeace: Kohleausstieg wichtiges internationales Signal

Die Rettung des Hambacher Forstes und der Einstieg in den Kohleausstieg bis spätestens 2038 - dies seien wichtige Meilensteine, sagte Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser im Dlf zu den Vorschlägen, auf die sich die Kohlekommission geeinigt hat. An diesen Empfehlungen könne die Politik nicht vorbeigehen.

Martin Kaiser im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 26.01.2019
    Blick auf das Braunkohlekraftwerk Niederaußem der RWE Power AG in Bergheim-Niederaußem
    Bereits in den nächsten zwei, drei Jahren sollten Braunkohle- und Steinkohlekraftwerke vom Netz genommen werden, so Martin Kaiser (pa/Geisler)
    Ann-Kathrin Büüsker: Wir schalten eine Telefonleitung weiter zur Position der Umweltverbände. Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace, saß ebenfalls die Nacht mit am Verhandlungstisch. Einen schönen guten Morgen, Herr Kaiser!
    Martin Kaiser: Guten Morgen, Frau Büüsker!
    Büüsker: Herr Kaiser, der Hambacher Forst bleibt erhalten. Wie groß ist der Jubel darüber?
    Kaiser: Ja, das freut uns riesig, denn im letzten Jahr die Proteste von Zehntausenden von Menschen im Wald und für den Wald waren ein Wendepunkt in der Kohle- und Klimapolitik in Deutschland und es ist der Verdienst jener Menschen, die wirklich über Wochen und Monate im und am Wald waren, dass heute der Wald gerettet ist.
    Büüsker: Ich habe bei Herrn Vassiliadis eben ein bisschen die Euphorie vermisst. Sie klingen aber tatsächlich ein bisschen euphorisch heute Morgen.
    Kaiser: Ja, was den Hambacher Wald angeht, ist es, glaube ich, ein starkes Signal. Und auch, dass ein großes Industrieland wie Deutschland jetzt dem Atomausstieg den Kohleausstieg beschlossen hat, das ist ein wichtiges internationales Signal. Der Wermutstropfen für uns war allerdings, dass 2038 erst Schluss sein soll. Da soll Anfang der 30er-Jahre noch mal drauf geguckt werden – und wir gehen davon aus, dass bereits 2035 dann real Schluss sein wird.
    "Ohne Probleme für die Versorgungssicherheit"
    Büüsker: Also noch mal zum Faktencheck. Sie haben sich jetzt innerhalb der Kommission verständigt, dass eine Überprüfung 2032 geben wird, ob man schon eher aussteigen kann. Ist das korrekt?
    Kaiser: Das ist korrekt und das ist natürlich auch wichtig gewesen für uns, denn es ist auch realistisch. Ich glaube, die Länder Nordrhein-Westfalen, aber auch Sachsen und Brandenburg haben sich auf einen Weg gemacht, zu sagen, wir investieren jetzt in erneuerbare Energien, wir haben neue Perspektiven für die Kohleregionen, können die Menschen mitnehmen – und dafür werden wir aus der Kohle aussteigen. Und vermutlich wird das dann auch schneller gehen, als das heute noch vorstellbar ist.
    Büüsker: Sie sagen jetzt vermutlich, das klingt aber jetzt doch ein bisschen vage.
    Kaiser: Ja, wir hatten, glaube ich, jetzt in den Verhandlungen wirklich gute Ergebnisse erzielt, dass bereits in den nächsten zwei, drei Jahren Braunkohlekraftwerke und Steinkohlekraftwerke vom Netz genommen werden, ohne Probleme auch für die Versorgungssicherheit. Aber wie es dann 23 und Folgende weitergeht, das ist noch nicht klar definiert. Und da soll es 2023 dann noch mal einen Checkpoint geben, wo man dann guckt, wie man das noch genauer gestaltet.
    "Nach zehn Jahren versäumtem Klimaschutz"
    Büüsker: Haben Sie eigentlich auch darüber gesprochen, was jetzt aus den Unternehmen wird, also Stichwort Schadenersatzforderungen et cetera, wie man sich da absichern soll?
    Kaiser: Ja, die Industrie, die ja mit am Tisch saß, hat darauf gedrängt, dass die Bundesregierung jetzt mit den Energiebetreibern verhandelt und eventuell auch Entschädigungen zahlt, denn wir jetzt die Versäumnisse im Klimaschutz schon in diesem und im nächsten Jahr aufholen wollen, muss das natürlich auch mit der Einwilligung der Unternehmen passieren. Aber da gibt es Signale und ich glaube, das ist auch der Wille der Regierung Merkel, jetzt da mit den Unternehmen in die Verhandlungen zu gehen.
    Büüsker: Aber ist das fair, wenn dafür Steuergelder eingesetzt werden?
    Kaiser: Ich glaube, nach zehn Jahren versäumtem Klimaschutz ist es wichtig, dass wir in den Klimaschutz wieder investieren. Und das war keine leichte Entscheidung auch für uns, das mitzutragen, aber es ist immer noch besser, als dann die dramatischen Folgen von Dürren, von Überflutungen und Starkregenereignissen hier bei uns dann zu tragen und zu stemmen, die ein Vielfaches dessen ausmachen, was man jetzt investiert.
    Büüsker: Ich erlebe Sie heute Morgen sehr auf Konsens ausgerichtet. Und Michael Vassiliadis hat ja eben auch berichtet, dass in dieser Kommission zum ersten Mal miteinander geredet wurde, statt übereinander, und er habe da viel gelernt. Würden Sie sich dem anschließen?
    Kaiser: Ja, es war schon eine wichtige Erfahrung, dass wir miteinander gerungen haben um einen guten Weg. Und es war doch klar für alle Akteure, dass Deutschland im Klimaschutz jetzt endlich etwas tun muss. Und dass eine Kommission eingesetzt wurde von der Regierung ist auch ein Zeichen dafür, dass wir auch nur so Empfehlungen treffen können, die dann auch für die Regierung umsetzbar sind. Denn die politische Mutlosigkeit, die vorher geherrscht hat, ist, glaube ich, jetzt mit den Empfehlungen der Kommission gefüllt worden.
    "Rein die erneuerbaren Energieträger"
    Büüsker: Und wie schwer wird es jetzt für Sie, Ihren Anhängerinnen und Anhängern dieses Ergebnis tatsächlich als ein gutes Ergebnis zu präsentieren?
    Kaiser: Na ja, ich glaube, wir schauen mit gemischten Gefühlen auf das Ergebnis, aber ich glaube, alle teilen, dass die Rettung des Hambacher Waldes und der Einstieg in den Ausstieg im größten Industrieland Europas ein wichtiger Meilenstein ist auf einem Weg, wo wir aus der Kohle aussteigen, aus den fossilen Energieträgern, und rein gehen in die erneuerbaren Energien.
    Büüsker: Sie haben eben die Mutlosigkeit der Politik mit Blick auf die bisherige Klimapolitik betont. Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass die Regierung jetzt die Vorschläge, die die Kommission unterbreitet hat, tatsächlich auch konkret umsetzen wird?
    Kaiser: Ich glaube, wenn gemeinsame Empfehlungen und den Gewerkschaften, von den Umweltverbänden, aber auch den Industrieverbänden kommen, kann die Bundesregierung nicht daran vorbeigehen. Und das ist, denke ich, auch die Stärke, jetzt wieder in das Handeln zu kommen und aus der Krise eine Chance zu machen. Und die Kommission wurde von der Regierung eingesetzt, jetzt ist es, glaube ich, auch an der Bundeskanzlerin zu sagen, das ist die Richtung, in die gegangen werden muss.
    Büüsker: Martin Kaiser, Geschäftsführer von Greenpeace, wir haben gesprochen über die Verhandlungen der Kohlekommission, es gibt eine Einigung. Herr Kaiser, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit heute Morgen genommen haben nach diesem Verhandlungsmarathon, und auch Ihnen gute Erholung davon!
    Kaiser: Danke und Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.