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Ende der Mittelwelle
"Der Schritt ist unerlässlich"

Mit dem Jahreswechsel beendet das Deutschlandradio als letztes deutsches öffentlich-rechtliches Radio die Übertragung über Mittelwelle (MW). MW sei eine sehr teure und alte Technologie, sagte Deutschlandradio-Intendant Willi Steul im DLF. Mit der Ultrakurzwelle und dem digitalen DAB gebe es für die Hörer längst viel bessere Möglichkeiten.

Willi Steul im Gespräch mit Jasper Barenberg | 31.12.2015
    Deutschlandradio-Intendant Willi Steul hat angesichts der Abschaltung der Übertragung über Mittelwelle für das digitale DAB geworben. "Wir erreichen heute mit unseren drei Programmen Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur und DRadio Wissen bereits über DAB potenziell mehr Menschen als über Mittelwelle und die über 320 UKW-Sender", sagte er im DLF.
    Die UKW-Frequenzen seien allerdings begrenzt. In Bayern erreichten etwa nur 20 Prozent der Haushalte den Sender Deutschlandradio Kultur. Die verhältnismäßig neue Technologie DAB sei dagegen potenziell unbegrenzt. Der Empfang sei absolut glasklar und sauber. Es gebe kein Rauschen und keine Störungen mehr. "Es ist die moderne, digitale Welt." Zudem verwies Steul darauf, dass die drei Deutschlandradio-Programme auch über Livestreams im Internet zu hören sind.

    Das Interview in voller Länge:
    Jasper Barenberg: Einige Stunden noch, dann ist Schluss. Auf vielen Wegen können Sie den Deutschlandfunk ja heute empfangen und hören, einer allerdings endet heute kurz vor Mitternacht, dann werden die letzten Sender abgeschaltet, über die dieses Programm auf Mittelwelle ausgestrahlt wird. Die ARD hat diesen Schritt schon vor einigen Monaten vollzogen, heute geht auch hier im Deutschlandfunk eine Ära, die Ära nämlich der Mittelwellenverbreitung zu Ende. Über diese Zäsur können wir jetzt mit Willi Steul sprechen, dem Intendanten des Deutschlandradios. Herr Steul, dieser Schritt ist ja lange vorbereitet und auch angekündigt. Wir haben uns hier im Deutschlandfunk auch schon ausführlich damit beschäftigt, und dabei hat sich auch herausgestellt, dass viele Hörerinnen und Hörer diesen Schritt natürlich bedauern, ihn kritisieren. Warum ist er aus Ihrer Sicht dennoch unerlässlich?
    Willi Steul: Er ist unerlässlich, weil das eine sehr teure und auch alte Technologie ist, weil es heute sehr viel Besseres gibt. Es gibt erstens UKW ja bereits seit Langem. Es gibt aber seit 2011 wird ein digitales DAB-Rundfunknetz aufgebaut. Wir erreichen heute als Deutschlandradio mit unseren drei Programmen Deutschlandfunk, Deutschlandradio Kultur und DRadio Wissen bereits über DAB potenziell mehr Menschen als über unsere Noch-Mittelwelle und die über 320 UKW-Sender. Und wir erhalten nicht mehr das Geld zum Betrieb der UKW-Sender, sondern man sagt uns, investiert in moderne Technologie und schaltet die alte ab.
    "Die UKW-Frequenzen sind begrenzt - DAB ist potenziell unbegrenzt"
    Barenberg: Es gibt Verlierer, wenn die Mittelwelle abgeschaltet wird, vor allem Menschen, die den Deutschlandfunk beispielsweise im Ausland hören, und auch in Deutschland ist unser Programm über UKW ja nicht überall zu empfangen. Was sagen Sie diesen Hörerinnen und Hörern, was sollen die jetzt tun?
    Steul: Die sollten sich am besten ein Gerät kaufen, ein Radiogerät kaufen, das DAB hat und UKW. Wir können heute - die UKW-Frequenzen sind begrenzt. Wie gesagt, wir bespielen über 320 UKW-Frequenzen und erreichen dennoch nicht die Menschen in Deutschland. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. In Bayern erreichen wir mit dem Programm Deutschlandradio Kultur nur etwa 20 Prozent der Bayern. Wir erreichen da, wo ich mal geboren wurde, in Limburg an der Lahn, wo heute meine Schwester wohnt, zu Hause, dann hören wir auch UKW-Deutschlandfunk, aber schon wenige Kilometer weiter ist das weg, das Ding. Das ist natürlich ein Drama. Die Menschen bezahlen ihre - 48 Cent zahlt übrigens jeder Haushalt für Deutschlandradio -, können es aber nicht überall empfangen. Die UKW-Frequenzen sind begrenzt, währenddessen bei DAB - DAB ist potenziell unbegrenzt, diese Technologie, und sie ist absolut glasklar und sauber und kein Rauschen, keine Störungen mehr. Es ist halt eben die moderne digitale Welt.
    Barenberg: Und, Sie haben es erwähnt, schon heute erreichen wir auch mit dem Deutschlandfunk fast Dreiviertel der Bevölkerung auf diesem Weg des Digitalradios. Nun ist der Ausbau weiter geplant, soll bis 2020 abgeschlossen sein. Müssen wir unsere Hörerinnen und Hörer auch bis dahin um ein bisschen Geduld bitten, bis diese Lücke, die heute gerissen wird, geschlossen wird?
    Steul: So groß ist die Lücke, die mit Mittelwelle gerissen wird, nicht. Die allermeisten Menschen innerhalb Deutschlands, die heute über Mittelwelle hören, können dies bereits tun über UKW oder dann auch DAB. Allerdings, sehr weit, so weit wie die Mittelwelle, reicht kein UKW, DAB ohnehin nicht. Aber da ist natürlich das Argument der Instanzen, die über unser Geld wachen: Die Menschen zahlen ja Rundfunkgebühren in Deutschland, zum Hören in Deutschland, und nicht mit der Mittelwelle noch weit über die Grenzen hinaus. Und wer im Ausland unterwegs ist, der kann heute über ein iPhone, über ein iPad, über seinen tragbaren PC, seinen Laptop, natürlich über das Internet unsere Programme empfangen.
    Barenberg: Unser Chefingenieur Chris Weck, der hat uns ja alle wissen lassen, dass er heute um Mitternacht ein Glas Sekt auf das Radio der Zukunft trinken wird. Stoßen Sie mit Ihm an?
    Steul: Ich stoße mit ihm an. Ich war kürzlich auf einem Symposion – ich bin in dieser DAB-Frage sehr aktiv und sehr unterwegs – und dann sagte mir in London einer: Du und Chris, ihr seid diejenigen, die wahrscheinlich betrunken um das Funkhaus taumeln um Mitternacht.
    Barenberg: Willi Steul, der Intendant des Deutschlandradios.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.