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Ende der Politik?

Die Demokratie war von Anbeginn an die eigentliche Basis des auf die Zukunft gerichteten Projekts der Moderne. Nur wenn es den Menschen gelänge, die eigenen Angelegenheiten selbst in die Hände zu nehmen und mittels demokratischer Institutionen zum Gegenstand eines gesellschaftlichen Interessenausgleichs zu machen, war Fortschritt überhaupt denkbar.

Von Stefan Fuchs | 21.08.2005
    Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist diese Hoffnung nahezu verflogen. Die politische Sphäre der westlichen Demokratien sieht sich einem doppelten Erosionsprozess ausgesetzt. Zum einen haben viele den Glauben verloren, dass politisches Engagement einen substanziellen Beitrag zur Lösung ihrer individuellen Probleme leisten kann, und sind überzeugt, dass die Politik das eigentliche Problem sei. Zum anderen können die Politiker objektiv die in sie gesetzten Erwartungen immer weniger erfüllen und die Politik hat einen schleichenden Machtverlust erlitten. Am Ende stehen sich in der Mediendemokratie apathische Wähler und sich voluntaristisch selbst inszenierende Politiker gegenüber.

    In einer fünfteiligen Gesprächsreihe diskutiert Stefan Fuchs mit Politologen, Soziologen und Kommunikationswissenschaftlern.

    Sonntag, 21.8. 05
    Kultur am Sonntagmorgen
    Ende der Politik?
    4. Demokratie oder Markt? - Der Politologe Elmar Altvater im Gespräch mit Stefan Fuchs

    Professor Elmar Altvater, geboren 1938, lehrte Politikwissenschaft an der FU-Berlin. Elmar Altvater hat zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Frage der kapitalistischen Entwicklung, zur Staatstheorie, zur Entwicklungspolitik, Schuldenkrise und zum Zusammenhang von Ökonomie und Ökologie veröffentlicht. Sein wohl bekanntestes Buch ist das inzwischen in 6. Auflage erschienene Standardwerk zur Globalisierung mit dem Titel "Grenzen der Globalisierung. Ökonomie, Ökologie und Politk in der Weltgesellschaft",
    Im Herbst 2005 erscheint:
    Elmar Altvater: Das Ende des Kapitalismus wie wir ihn kennen - Eine radikale Kapitalismuskritik, ca. 200 S. - ca. 14,90 Euro - SFR 26, 80, ISBN 3-89691-627-0
    "Der Kapitalismus, davon bin ich … überzeugt, kann nicht durch einen 'endogenen’ Verfall zugrundegehen; nur ein äußerer Stoß von extremer Heftigkeit im Verein mit einer glaubwürdigen Alternative könnte seinen Zusammenbruch bewirken …" Dieses Wort des großen französischen Historikers Fernand Braudel begreift Elmar Altvater in seinem neuen Buch als Untersuchungsauftrag, als eine Herausforderung, der er in vier Schritten Rechnung trägt. Zunächst stellt er die Entwicklungsdynamik von kapitalistischer Produktions- und Aneignungsweise in der Geschichte dar. Dabei geht es ihm auch um die Transformation der "geoökonomischen" Globalisierung in einen "geopolitischen" neuen Imperialismus und um Ursachen und Folgen einer neuen historischen Allianz von marktgläubigem Neoliberalismus und auf militärische Macht setzenden Neokonservativismus. Danach identifiziert er die "äußeren Anstöße von extremer Heftigkeit". Da kapitalistisches Wachstum wesentlich von fossiler und nuklearer Energie angetrieben wird, sind deren absehbare Begrenztheit und die desaströsen Folgen der Emissionen für die Natur des Planeten Erde ein Anstoß, der dem Kapitalismus wie wir ihn kennen, ein Ende bereiten kann. Innere Widersprüche finden vor allem in den Krisen der Finanzmärkte ihren Ausdruck. Die globalen Finanzmärkte sind nicht nur höchst instabil, auf ihnen spekulieren innovative Fonds mit neuen Finanzinstrumenten, um extrem, ja absurd hohe Renditen für Geldvermögensbesitzer zu Lasten breiter Bevölkerungsmassen herauszuschlagen. Man wird sich also angesichts dieser äußeren und inneren Grenzen des Kapitalismus (wie wir ihn kennen) auf die intellektuelle und zugleich politisch-praktische Suche nach den im Innern der Gesellschaft heranreifenden "glaubwürdigen Alternativen" machen müssen. – Und es gibt sie: die Ansätze der Praktizierung von Solidarität und Nachhaltigkeit überall in der Welt, besonders aber in den lateinamerikanischen Ländern, die von den Finanzkrisen des vergangenen Jahrzehnts hart in Mitleidenschaft gezogen wurden. Der Autor zeigt, dass eine solidarische Ökonomie nur mit erneuerbarer Energie funktionieren wird und umgekehrt erneuerbare Energien nur dann breit angewendet werden können, wenn die Ökonomie solidarisch organisiert wird. Solidarität und Fairness verlangen eine neue Art der politischen Regulation auf lokaler, nationaler und globaler Ebene.


    Sie können das Gespräch mit Elmar Altvater in der rechten Spalte unter "Audio on Demand" nachhören.