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Ende der Waffenruhe in Syrien
Keiner will es gewesen sein

Auch die jüngste Waffenruhe ist in Syrien wohl schon wieder Geschichte. Jeder der Beteiligten sieht die Schuld beim anderen. Die Opposition behauptet, Einheiten von Präsident Bashar al-Assad hätten die Waffenruhe 254 Mal verletzt. Das syrische Militär wirft den Rebellen im Gegenzug vor, die Feuerpause genutzt zu haben, um sich neu zu bewaffnen.

Von Björn Blaschke | 20.09.2016
    Ein Syrer steht auf einem Haufen Schutt in einem Stadtteil von Aleppo - nach einem Luftangriff.
    Ein Syrer steht auf einem Haufen Schutt in einem Stadtteil von Aleppo - nach einem Luftangriff. (AFP / Karam al-Masli)
    Für ein Scheitern der Feuerpause macht das syrische Militär die sogenannten "bewaffneten terroristischen Gruppen" verantwortlich – also die Gegner der Führung in Damaskus. Sie hätten eine "echte Chance" vertan, das Blutvergießen zu stoppen. Stattdessen seien die Rebellen darauf aus gewesen, dass das Abkommen zur Waffenruhe - ausgehandelt von den USA und Russland – zu unterwandern; sie hätten die Feuerpause ausgenutzt - um sich neu zu formieren und zu bewaffnen, während sie Gebiete unter Kontrolle der Regierung angegriffen; so das syrische Militär weiter.
    Mehr als 300 Verstöße gegen die Waffenruhe gegeben
    In verschiedenen Gegenden habe es mehr als 300 Verstöße gegen die Waffenruhe gegeben. Syriens Armee habe dagegen größte Zurückhaltung an den Tag gelegt. Mit Ähnlichem warten auch die Gegner von Präsident Bashar al-Assad auf: Dessen Einheiten hätten in den sieben Tagen der Feuerpause insgesamt 254 Mal gegen die Waffenruhe verstoßen. 92 Menschen seien während der Feuerpause getötet worden. Schon kurz bevor die syrische Armee am Abend offiziell das Ende der Waffenruhe verkündete, begannen die Schuldzuweisungen. Hisham Marweh vom oppositionellen Syrischen Nationalrat sagte beim arabischen Nachrichtensender al-Jazeera:
    Russland, Iran hätten nie ein Interesse an der Waffenruhe gehabt
    "Die Tatsache, dass Russland und der Iran viele politische Szenen in Syrien sogar auf Verhandlungsebene dominieren, geht darauf zurück, dass sie die Hauptakteure am Boden sind und die Karten des Spiels in Händen halten. Ohne Russland und ohne den Iran wäre das Regime vor Jahren schon zusammengebrochen. Aus diesem Grund tragen sowohl die Russen als auch die Iraner und die mit ihnen verbündeten Milizen die Verantwortung dafür, dass der Krieg weitergeht."
    Sie wollten unbedingt, dass Bashar al-Assad und seine Führungsriege an der Macht bleiben – so die generelle Ansicht der Opposition. Russland, Iran und selbstverständlich Assad hätten nie Interesse daran gehabt, dass die Waffenruhe ausgeweitet wird; sie wollten vielmehr die Opposition zerschlagen. Anfänglich hatte die Feuerpause gegriffen – bis Ende vergangener Woche die Kämpfe in einigen Orten wieder aufflammten. Zudem wurde eine andere russisch-amerikanische Vereinbarung nicht umgesetzt:
    Keine Sicherheitsgarantien für Hilfskonvois
    Während der Feuerpause sollten Hilfskonvois die gut 250.000 Menschen, die im Osten von Aleppo von Regierungseinheiten eingekesselt sind, versorgen. Aber: Den Vereinten Nationen zufolge hat die syrische Führung den bereitstehenden Hilfskonvois weder Sicherheitsgarantien gegeben noch Genehmigungen für die Verteilung der Güter. Die Regierung in Damaskus hingegen sagt, anders als Russen und Amerikaner vereinbart hatten, hätten die Rebellen den Korridor nach Aleppo hinein nicht geräumt; der Druck der USA habe gefehlt. Mit Absicht – nach syrischer Lesart: Präsident Assad wurde am Abend in Staatsmedien zitiert – mit den Worten:
    "…die Seiten, die Syrien feindlich gegenüberstehen, nutzen all ihre Energien und Möglichkeiten, den Terror-Krieg gegen Syrien zu unterstützen; wann immer der syrische Staat einen spürbaren Fortschritt erzielt (…), steigern sie ihre Unterstützung für die terroristischen Organisationen…".