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Endlagersuche für hochradioaktiven Atommüll in der Schweiz

Auf der Suche nach Endlagern für Atommüll nimmt die Schweiz auch einige Standorte an der deutsch-schweizerischen Grenze ins Visier. Über Details haben Vertreter der Schweiz den Umweltausschuss des Deutschen Bundestages in Berlin informiert. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel erhofft sich durch den Austausch mit den Alpennachbarn Ideen und Anstöße für die Debatte in Deutschland.

Von Thomas Wagner | 27.05.2009
    Seit Anfang Mai läuft die erste von insgesamt drei sogenannter Etappen ab. An deren Ende soll der Bau jeweils eines Endlagers für hochradioaktive und für schwach radioaktiv strahlende Abfälle stehen. Dabei schließt das Schweizer Bundesamt für Energie nicht aus, dass beide Endlager an ein- und demselben Standort zusammengefasst werden können. Aus deutscher Sicht erscheint die erste Phase, die nun angelaufen ist, mit als wichtigste. Die Verwaltungsfachleute sprechen von der "raumplanerischen Bestandsaufnahme." Dabei geht es darum: In welchem Umkreis um die geplanten Standorte herum werden Behörden und Naturschutzverbände im Rahmen einer formellen Anhörung berücksichtigt? Und gerade hier schrillen auf deutscher Seite die Alarmglocken. Denn im November hatte das Schweizer Bundesamt für Energie sechs Standortalternativen veröffentlicht. Fünf davon liegen in den Kantonen Schaffhausen, Thurgau, Zürich und Aargau und damit in unmittelbarer Nähe zu den benachbarten deutschen Landkreisen Waldshut, Schwarzwald-Baar und Konstanz. Die erheben deshalb in dieser ersten Etappe eine wesentliche Forderung. Gabrielle Seefried, Erste Landesbeamtin im Landkreis Konstanz:

    "Die Landräte haben ihre Erwartungen geäußert, dass diese raumplanerische Bestandsaufnahme nicht an der deutschen Grenze halt macht. Im Grundsatz ist es natürlich so, dass jeder Staat an der Grenze halt macht. Aber bei diesem doch bedeutendem Endlager mit seinen enormen Auswirkungen machen wir eben geltend, dass über die Grenzen hinaus geprüft werden muss, ob beispielsweise unsere deutschen Naturschutzgebiete nicht auch Ausschlusskriterien sind, so dass in einem bestimmten Abstand eben kein Endlager oder keine oberirdische Anlage dazu gebaut werden darf."

    Einen ersten Erfolg haben die deutschen Landkreise mit dieser Forderung bei den Schweizer Behörden bereits erzielt: Sie sicherten eine grundsätzliche Einbeziehung der deutschen Belange bereits in der Etappe 1, also der "raumplanerischen Bestandsaufnahme", zu - allerdings - und das ist der Knackpunkt - nur in einem Umkreis von gerade mal fünf Kilometern um die zu untersuchenden Endlagerstandorte herum Und das sei viel zu wenig, befindet Jörg Gantzer, Erster Landesbeamter im Landkreis Waldshut:

    "Diese fünf Kilometer sind viel zu eng. Und wenn Sie gar an Betriebsstörungen oder Störfälle denken, denn sind natürlich ganz andere Radien betroffen. Also in Deutschland gibt es ja auch die Rechtssprechung, in welchem Radius gegen ein Atomkraftwerk man als betroffener Bürger klagen kann. Und das sind eigentlich Radien, die mindestens 20, 30 wenn nicht gar 60 Kilometer reichen. Also dieser Radius von fünf Kilometer, der in der Schweiz auch technisch begründet wird, also dieses technische Argument ist für uns nicht überzeugend."

    Ob sich die deutsche Seite allerdings mit ihrer Forderung nach Ausweitung dieser Radien durchsetzt, ist derzeit noch völlig offen. Zweieinhalb Jahre wird diese erste Etappe dauern. Dann soll für alle sechs Standorte klar sein, welche raumplanerischen Argumente jeweils für und gegen ein Endlager sprechen. Dann erst beginnt die Etappe 2: Dabei sollen aus den sechs Standortalternativen zwei ausgewählt werden. Wichtig in diesem Zusammenhang: Nun haben Verbände und Behörden ein wichtiges Mitspracherecht im Zuge formeller Anhörungen. Ganz wichtig dabei: Auch den deutschen Behörden wurde ein solches Mitspracherecht zugesichert. Etwa 2015 beginnt dann die Phase drei: Dabei soll sich dann, nach weiteren Anhörungen und Probebohrungen, ein Standort herauskristallisieren, für den dann ein Bauantrag gestellt wird. Zuvor muss der Schweizer Bundesrat zustimmen. Gerechnet wird darüber hinaus auch mit einer Volksabstimmung zum endgültigen Standort. Danach folgen Baugenehmigung verbunden mit nochmaligen Einspruchs- und Klagemöglichkeiten. Danach erst rollen die Bagger an, so Gabrielle Seefried vom Landkreis Konstanz:

    "Wenn der Zeitplan halbwegs eingehalten werden kann, dann reden wir von einem Baubeginn von 2040, so in dieser Größenordnung."

    Gleichwohl herrscht im deutschen Grenzgebiet zur Schweiz nicht eben helle Begeisterung über die Endlagerpläne - dies vor allem deshalb, weil nahezu alle Standortalternativen ausgerechnet in der Nähe zur deutschen Grenze liegen. Ob dies wirklich so sein muss, soll nun unabhängig von deutscher Seite untersucht werden. Gabrielle Seefried:

    "Die Schweiz betont und kann das auch überzeugend darlegen, dass diese Auswahl der Standorte ausschließlich aus geologischen Gründen resultiert. Und wir sind sehr froh darüber, dass der Bund uns eine Expertenkommission zur Seite stellt, der genau dieses überprüfen wird."