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Endlich läuft die Riesenschleuder

Es war ein mehr als holpriger Start: Statt 2008 konnten die Physiker erst Ende März 2010 den Messbetrieb am stärksten Beschleuniger der Welt, dem LHC bei Genf, aufnehmen. Welche Ergebnisse die Riesenmaschine seitdem gesammelt hat, haben die Forscher auf der Fachkonferenz "Physics at the LHC" in Hamburg diskutiert.

Von Frank Grotelüschen | 09.06.2010
    Mättig: "So einen Start habe ich bei keinem anderen Experiment bisher gesehen. Bisher läuft das alles sehr gut."

    Jakobs: "Natürlich ist man schon erleichtert, dass es dann endlich losgeht. Das ist schon sehr beeindruckend."

    Mnich: "Der Start des LHC markierte wirklich eine neue Ära in der Teilchenphysik!"

    Karl Jakobs, Peter Mättig und Joachim Mnich sind nur drei von den knapp 10.000 Physikern, die am größten Teilchenbeschleuniger aller Zeiten experimentieren. Doch stellvertretend für alle strahlen sie wie die Honigkuchenpferde und zeigen sich zutiefst erleichtert: Denn endlich, seit zwei Monaten, nimmt der LHC in Genf Messdaten - und läuft dabei im Großen und Ganzen wie geschmiert. Das war, nach einer regelrechten Pannenserie, alles andere als selbstverständlich.

    Nun schießt der 27 km große Ring im Akkord Wasserstoffkerne aufeinander und erzeugt dabei jedes Mal einen winzigen Energieblitz - eine Art Urknall im Miniformat. Die Wucht der Kollisionen ist gut dreimal heftiger als beim bisher stärksten Beschleuniger, dem Tevatron bei Chicago. Beobachtet werden die Kollisionen von vier riesigen Detektoren. Sie fungieren als Teilchenkameras. An jedem dieser Detektoren arbeiten internationale Forscherteams, zum Teil mit mehr als 2000 Physikern, sagt Peter Mättig, Physiker an der Uni Wuppertal:

    "Bisher läuft die Zusammenarbeit hervorragend. In den ersten Physikanalysen waren Leute aus den USA, aus Deutschland, aus den Niederlanden und so weiter beteiligt. Sie haben nicht gegeneinander gearbeitet, sie haben zusammengearbeitet. Das war fantastisch."

    Neue Teilchen hat der Genfer Beschleuniger zwar noch nicht gefunden. Dafür aber hat er innerhalb von zwei Monaten fast die gesamte bekannte Teilchenphysik quasi wiederentdeckt. Die Forscher werten das als Erfolg - und als untrügliches Zeichen für die Leistungsfähigkeit der Maschine. Dennoch hofft der Freiburger Physiker Karl Jakobs auf mehr:

    "Was wir natürlich alle wünschen jetzt: Ich glaube, die Experimente sind bereit, mehr Luminosität zu nehmen. Und da hoffen wir natürlich, dass die Maschine das liefern kann in den nächsten Wochen und Monaten."

    Luminosität, das ist der Fachbegriff für die Anzahl der Teilchen, die im Ring kreisen und die zur Kollision gebracht werden können. Und je höher die Luminosität, desto größer die Aussicht darauf, neue Teilchen entdecken zu können - Teilchen etwa, die hinter der ominösen Dunklen Materie stecken, von der es im Weltall nur so zu wimmeln scheint. Oder aber das Higgs-Teilchen. Dieses könnte, so Joachim Mnich, Direktor am Forschungszentrum Desy in Hamburg, ein altes Rätsel der Physik lösen.

    "Was ist Masse? Was die Teilchenphysiker in den letzten 50 Jahren gewonnen haben, ist ein Bild der elementaren Teilchen. In diesem Bild dürften die Teilchen eigentlich gar keine Masse haben - haben sie aber! Und das es ein Rätsel. Da erhoffen wir uns vom LHC Antworten."

    Sollte der LHC so weiterlaufen wie in den letzten Wochen, könnte er im nächsten Jahr die ersten wirklich neuen Ergebnisse liefern. Nur: Droht inzwischen womöglich neues Ungemach, diesmal vonseiten der Politik?

    "Es ist richtig, die Bundesregierung muss sparen", "

    sagt Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesforschungsministerium. Die Regierung hat unlängst ein umfassendes Sparpaket geschnürt. Werden auch die Physiker den Gürtel enger schnallen müssen, ausgerechnet jetzt, wo der LHC endlich läuft? Staatssekretär Schütte gibt Entwarnung.

    " "Wir werden trotz der Sparzwänge in dieser Legislaturperiode zwölf Milliarden Euro zusätzlich für Bildung und Wissenschaft ausgeben. Und damit steht auch unser Commitment zum Large Hadron Collider. Wir werden alles tun, damit deutsche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am LHC in der ersten Reihe mitforschen können, um auch in der ersten Reihe Ergebnisse publizieren zu können."

    Eine Aussage, die auf der Hamburger Teilchenkonferenz mit erleichtertem Applaus aufgenommen wurde.