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Endlich mal erklärt
Ist der Taktstock ein überholtes Machtinstrument?

Fast alle Dirigenten nutzen dieses Meta-Instrument. Manche machen dabei viel Wind und Wirbel, und dann gewinnt man durchaus den Eindruck, es geht ihnen vor allem ums Eindruckmachen. Meist aber ist der Taktstock einfach unverzichtbares Kommunikationsmittel zwischen Dirigent und Orchester.

Von Jörn Florian Fuchs | 14.06.2020
Dirigentin Karina Canellakis. NDR Elbphilharmonie Orchester - 4. BDR-Sinfoniekonzert - Beethoven trifft auf Webern und Lutoslawskis, 10.01.20 Luebeck Schleswig-Holstein Germany MuK
Auch die Dirigentin Karina Canellakis verzichtet nicht auf einen Taktstock (imago images / Agentur 54 Grad / John Garve)
Im Idealfall wollen Dirigenten mit dem Taktstock ihre Orchester zu möglichst präzisem, aber auch zu emphatischem Spiel animieren. Im Barockzeitalter dienten dazu noch recht massive Taktstäbe. Den heute gebräuchlichen kleinen, prägnanten Stab erfand vermutlich der Komponist Louis Spohr im Jahr 1820.
Meist weiß und knapp 40 Zentimeter lang
Machart und Design eines Taktstocks sind sehr unterschiedlich, vor allem was die Länge betrifft. Wie bei einem eleganten Kleidungsstück muss sein künftiger Benutzer viel ausprobieren und dann entscheiden, mit welchem er sich wohlfühlt. Gefertigt wurde der Taktstock früher oft aus Holz, heute benutzt man meist Fiberglas oder auch Kohlefaser.
Auf einem aufgeschlagenen Kunstlexikon liegt eine Brille
Spezialwissen der Kultur - Endlich mal erklärt Postdramatik? Dystopie? Keine Ahnung. Jede Kulturszene pflegt ihre Fachausdrücke, weil sie griffig sind und zutreffend. Wir erklären endlich mal die Begriffe der Spezialsprachen und antworten auf Fragen, die man sich vielleicht nicht zu stellen traut. Denn Arroganz war gestern.
Ein paar Dirigenten verzichten ganz auf den Taktstock und versuchen ihr Glück mit reinem Hand-Werk. Auch das ist möglich, in beiden Varianten gibt es ungenaue Fuchtler oder penible "Über-Setzer" der Musik.
Zahnstocher als Konkurrenz
Manche Taktstöcke leuchten im Dunkeln, wenn etwa aus künstlerischen Gründen der Orchestergraben mal lichtlos wird. Am verrücktesten sind vermutlich die "Instrumente" des Russen Valery Gergiev: Er benutzt immer mal wieder verschiedene Büro- oder Haushaltshelfer, etwa Bleistift oder Zahnstocher.
Natürlich verleiht der Taktstock Macht. Wenn er sinnvoll eingesetzt wird und die Musikerinnen und Musiker mitziehen, verwandelt sich die Macht des Dirigenten jedoch in Autorität.