Dienstag, 19. März 2024

Archiv

Endlich mal erklärt
Kann man Filmerfolge im Voraus berechnen?

Warum werden aus Low-Budget-Produktionen manchmal Kinohits? Und wieso floppt manche Großproduktion? Filmemacher wären froh, wenn sie den Erfolg eines Filmes an der Kinokasse vorhersagen könnten. Aber geht das überhaupt? Und wünscht sich das auch das Publikum?

Von Rüdiger Suchsland | 07.08.2020
Ein leerer Kinosaal. Leere Sitzreihen vor einer leeren Leinwand.
Der Horror jedes Filmemachers: ein leerer Kinosaal (Reinhard Kurzendörfer / imago-images)
Hollywood ist in der Krise. Trotz des Riesenerfolgs der Comic-Adaption "Joker" – der Film spielte weltweit mehr als eine Milliarde Dollar ein, und das bei einem relativ moderaten Budget – musste die Produktionsgesellschaft 2019 eine ganze Serie harter Flops auf der Verlustseite verbuchen.
Corona verschärft die Krise
Hollywood-Produktionen sind oft teuer und müssen ihre Produktionskosten an der Kinokasse einspielen. In Coronazeiten, in denen viele Filmstarts verlegt worden sind und erst ganz allmählich wieder Neuproduktionen auf die Leinwand kommen, ist das finanzielle Risiko großer Produktionen noch schwieriger zu kalkulieren.
Auf einem aufgeschlagenen Kunstlexikon liegt eine Brille
Spezialwissen der Kultur - Endlich mal erklärt Postdramatik? Dystopie? Keine Ahnung. Jede Kulturszene pflegt ihre Fachausdrücke, weil sie griffig sind. Wir erklären endlich mal die Begriffe der Spezialsprachen und antworten auf Fragen, die man sich vielleicht nicht zu stellen traut. Denn Arroganz war gestern.
Die Suche nach der Superformel
Die Filmindustrie, auch jenseits von Hollywood, sucht aber schon immer nach der Superformel. Es gibt Testscreenings, Drehbuchratgeber und Ideen-Schemata wie "Die Heldenreise". Aktuell probiert man es mit Künstlicher Intelligenz.
Der Filmkritiker Rüdiger Suchsland ist skeptisch, was die Berechenbarkeit von Filmerfolgen angeht. Film, sagt er im Dlf, sei von Natur aus ein riskantes Unterfangen. Es gebe kaum eine andere Investition mit einem so ungewissen Ausgang. Denn einen Film zu produzieren, dauere im Schnitt zwei Jahre, und bis er komplett ausgewertet wurde, also vom Kino über DVD, Streaming und TV, vergehen weitere drei Jahre. Mit vielen Filmen wird also erst nach fünf Jahren Geld verdient. Viele Entscheider vertrauen deshalb immer noch auf ihr Bauchgefühl.
Bauchgefühl oder Künstliche Intelligenz?
Der gebürtige Münchner Tobias Queisser bietet mit seiner Firma Cinelytic in Los Angeles Software an, die die Erfolgsaussichten von Filmen nach bestimmten Parametern analysieren will. Cinelytic berät Hollywoodstudios wie Warner. Diese KI funktioniere allerdings nach rein ökonomischen Prinzipien, so Rüdiger Suchsland. Es sei ein bisschen wie Malen nach Zahlen: Schlicht, nicht sehr kreativ, aber innerhalb dieser Grenzen gebe es Möglichkeiten - und sei es nur zum Geldsparen. Filme wie "Toni Erdmann" oder "Systemsprenger" zeigen, dass selbst Verleiher und Filmförderer Projekte falsch einschätzen können. Künstliche Intelligenz werde das kaum ändern, so Suchsland. Es bestehe aber die Gefahr, dass solche statischen Kriterien Einfluss auf die Filmförderung nehmen und bestimmte Stoffe oder Dramaturgien künftig durchs Raster fallen.