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Endlich mal erklärt
Soll man Sammlern Museen bauen?

In Deutschland gibt es immer mehr Museen, die vor allem mit dem Ziel gebaut wurden, den Besitz eines einzigen Sammlers zu zeigen. Zum Teil erfüllen sie wichtige Aufgaben, aber das Modell Sammlermuseum birgt auch Gefahren.

Von Christian Gampert | 06.06.2020
Der Kunstsammler Frieder Burda (1936-2019), aufgenommen am 10.07.2014 im Museum Frieder Burda in Baden-Baden (Baden-Württemberg) vor dem Werk "Gelbgrün" von Gerhard Richter aus dem Jahr 1982.
Kunstsammler Frieder Burda (1936-2019) in dem nach ihm benannten Museum in Baden-Baden vor dem Werk "Gelbgrün" von Gerhard Richter (picture alliance/dpa/Uli Deck)
Sammlermuseen gehören auch mit ihren Wechselausstellungen zum Kunstkalender quasi dazu: das Museum Frieder Burda in Baden-Baden, die Kunsthalle Weishaupt in Ulm, vielleicht auch das Museum Brandhorst in München. Manche Sammler bauen das Haus selbst, andere wünschen sich, dass der Staat ihnen ein Museum finanziert. Sollen wir, also die Gesellschaft, die Öffentlichkeit, das tun? Die Antwort ist ein klares Jein: Es kommt auf die Güte der Sammlung, auf den Charakter und die Motive des Sammlers, und auf die Bedingungen, die er stellt, an. Und darauf, ob die öffentliche Hand seine oder ihre Werke zur Ergänzung der staatlichen Museen dringend braucht oder eher nicht. Wenn die Sammlung ein Feld abdeckt, das in öffentlichen Museen gut vertreten ist, kann man gerne auch mal nein sagen. Im Prinzip muss der Staat aber erstmal sondieren, was der Sammler zu geben bereit ist, ob die Sammlung als Schenkung an Stadt, Land oder Staat geht, ob es eine Dauerleihgabe ist; oder ob der Sammler seine Werke für sich behalten, aber gerne in einem fremdfinanzierten Museum zeigen möchte. Und gegebenenfalls, ob und wie er sich am Bau eines Museums beteiligen würde.
Sammler sind oft Fetischisten
Über die Motive des Sammelns, des Besitzen-Wollens ist viel diskutiert worden. Tatsache ist, dass viele Sammler ihre Werke gern fetischartig in ihren eigenen vier Wänden aufhängen und nur für sich haben wollen. Manche betrachten Kunst auch als Geldanlage. Sie hoffen, dass ihnen die Sammlung Sozialprestige und Distinktionsgewinn verschafft. Wenn sie älter werden und möglicherweise keine Kinder haben, denken sie darüber nach, was mit der Sammlung geschehen könnte. Manche kommen dann darauf, dass die Bilder, Skulpturen oder Installationen eigentlich für alle da sein sollten.
Auf einem aufgeschlagenen Kunstlexikon liegt eine Brille
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Viele Sammler sind auch selber im Kunstgeschäft tätig, als Galeristen oder Vermittler. Von daher ergibt sich der Kontakt zu Künstlern, aber auch zu Museen oft von selbst. Klar ist, dass die meisten Sammler ein sehr großes Ego haben, mit Gott und der Welt bekannt sind und als Connaisseure anerkannt werden wollen. Oft überschätzen sie die eigene Sammlung und können nicht verstehen, dass niemand ihren Werken ein Haus bauen möchte. Und ist die Sammlung nicht wirklich wegweisend, ist der Staat gut beraten zu sagen: Bau dein Museum doch selbst, aber bitte draußen vor der Stadt, auf der grünen Wiese. Und finanziere bitte auch den Betrieb dann selbst.
Das Kölner Museum Ludwig leuchtet
Eine der gelungensten Kooperationen zwischen Staat beziehungsweise einer Stadt und einem Sammler ist das Museum Ludwig in Köln. Das Sammlerehepaar Ludwig gab 1969 einen Großteil seiner Sammlung moderner Kunst als Dauerleihgabe an die Stadt Köln und stellte eine Schenkung in Aussicht, wünschte sich aber eine angemessene Präsentation der Werke. Nach langen Verhandlungen wurde gebaut: 1986 eröffneten hinter dem Dom das Museum Ludwig und das Wallraf-Richartz-Museum als Doppel-Anlage. Einige Jahre später schenkten die Ludwigs der Stadt Köln ihre opulente Picasso-Sammlung und bekamen dafür die Alleinnutzung des gesamten Museums-Areals; das Wallraf-Richartz-Museum zog in einen anderen Bau.
Das ist dann ein Deal auf Gegenseitigkeit: Der Sammler bekommt seinen Wunsch nach Verewigung erfüllt und ist gleichzeitig Wohltäter der Öffentlichkeit; Staat und Stadt bauen ihm dafür ein Haus. Und die Allgemeinheit darf die Werke betrachten. Die sind im Fall der Sammlung Ludwig grandios: Expressionismus, russische Avantgarde, Pop-Art, Fotografie und die Picassos. Die Ludwigs hatten einfach sehr früh angefangen zu sammeln.
Solche Erfolgsgeschichten sind aber eher die Ausnahme. Oft sind die Sammlermuseen eine Art friedlicher Koexistenz von Sammler und Staat, manchmal sind sie auch ein fauler Kompromiss. Mal mehr, mal weniger. Baden-Baden zum Beispiel hat vom "Museum Frieder Burda" sehr profitiert: Burda hat eine großartige, sehr persönlich strukturierte Sammlung der Moderne zusammengetragen, beginnend mit dem Expressionismus über die Pop-Art bis in die amerikanische und deutsche Gegenwartskunst. Und er hat den Bau seines Museums selber finanziert. Aber die Stadt stellte ihm ein quasi unerschwingliches und normalerweise nicht bebaubares Grundstück in bester Lage Baden-Badens zur Verfügung, am Park an der historischen Lichtentaler Allee. Der im letzten Jahr verstorbene Burda finanziert über seine Stiftung auch den Museumsbetrieb selbst. Die Themenausstellungen sind von wechselnder Qualität.
Auch der Unternehmer Siegfried Weishaupt baute in Ulm seine eigene Kunsthalle, und zwar auf städtischem Terrain und mitten in der Stadt, was manche für eine städtebauliche Katastrophe halten. Zwar wurde für das Gebäude eine mehrspurige Straße quasi stillgelegt, aber der Bau wurde als Riegel sehr eng zwischen Altstadt und Rathaus gequetscht. Weishaupt machte seine Tochter zur Direktorin, doch die Stadt zahlt den Betrieb. Die Ausstellungen haben wenig überregionale Strahlkraft. Sehr seltsam.
Das Mysterium der Sammlung Brandhorst
Man kann auch ganz anders machen, so wie die ehemalige Galeristin Ingvild Goetz: Sie baute sich ihr kleines Medienkunst-Museum in München einfach in den eigenen Garten. Eine bis heute umstrittene Gründung ist dagegen das "Museum Brandhorst": Der Freistaat Bayern ließ sich aus bis heute obskuren Gründen dazu bewegen, für die Sammlung der Familie Brandhorst im Münchner Museumsareal ein eigenes Haus zu errichten und den Betrieb zu finanzieren, obwohl einzig die Cy-Twombly-Werke der Sammlung ein Alleinstellungsmerkmal sichern. Der Rest ist thematisch in der Pinakothek der Moderne gut vertreten. Aber Kunst-Besitzer gerieren sich manchmal wie früher die Fürsten und Kirchenoberen mit ihren Sammlungen: Sie wollen gestreichelt werden. Die wenigsten haben heute die Qualitäten der Guggenheim-Familie, die ein ganzes Sammlungs-Imperium errichtete und damit half, die Moderne durchzusetzen. Die Güte einer Sammlung erweist sich heute daran, ob das Museum in der Lage ist, aus eigener Kraft Wechselausstellungen zu gestalten. Also die Werke aus der eigenen Sammlung mit Leihgaben von außen so zu ergänzen, dass immer neue Themen bearbeitet werden können und das Museum im Gespräch bleibt. Dafür muss man, im Zuge der Gegenseitigkeit, natürlich auch hochkarätige eigene Werke haben und verleihen.