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"Endlich schickt Europa Hilfe"

Rund 800 Bundeswehrsoldaten sollen einen Einsatz von EU-Truppen im Kongo führen, der die Wahlen Ende Juli in der Hauptstadt Kinshasa überwacht. Viele Exil-Kongolesen knüpfen hohe Erwartungen an diese Mission. In der belgischen Hauptstadt Brüssel stammen sieben von zehn Afrikanern aus der ehemaligen Kolonie Kongo. Ruth Reichstein hat einige von ihnen getroffen.

17.05.2006
    Das Afrika-Haus im Brüsseler Viertel Matongé: Das massive, weiße Gebäude mit grünen Fensterläden stammt noch aus der Kolonialzeit. Die mehrere Meter hohe Holztüre ist mit einem Code gesichert. Damals wie heute finden dort junge Menschen aus dem Kongo ein Zuhause, wenn sie für eine bestimmte Zeit in Belgien studieren wollen.

    In einem kleinen Büro sitzen Ngyess und Kungu. Die beiden Männer in den 40ern kommen drei Mal in der Woche in das Studentenwohnheim, um mit den Jugendlichen über ihre Probleme zu sprechen und kulturelle Angebote vorzustellen. Beide leben seit über 20 Jahren in Belgien. Aber alles, was im Kongo passiert, beobachten sie nach wie vor ganz genau, sagt Ngyess:

    "Wenn man über den Kongo spricht, dann spricht man auch über mich. Das ist sozusagen ein Teil meines Körpers. Natürlich informiere ich mich also über das, was dort passiert."

    Deshalb schauen die beiden Kongolesen heute nach Berlin, wo das Bundeskabinett über die deutsche Beteiligung am EU-Einsatz im Kongo entscheidet. Ngyess hofft, dass jetzt endlich etwas passiert:

    "Es ist schade, dass sie sich erst jetzt entscheiden. Die internationale Gemeinschaft hätte sicherlich schon viel früher eingreifen können. Aber die Situation hat sich immer weiter verschlimmert. Auf dem Balkan war das zum Beispiel anders: Dort hat die Gemeinschaft sehr schnell gehandelt und damit viele Leben gerettet."

    Beide Männer kommen aus Kinshasa und haben dort noch Freunde und Familie. Regelmäßig schicken sie Geld "nach Hause", wie sie sagen. Sie wünschen sich nichts sehnlicher, als dass endlich wieder Frieden einkehrt in ihrem vom Krieg gebeutelten Land. Die Wahlen Ende Juli wären ein erster Anfang, meint Kungu. Deshalb ist er für den Einsatz der europäischen Soldaten. Aber:

    "Es reicht nicht, Soldaten für ein paar Monate zu schicken. Wir brauchen eine echte Partnerschaft, damit der Kongo und die Europäische Union etwas davon haben. Das Ziel muss sein, dass der Kongo wieder ungefährlich ist für Touristen und Geschäftsleute. Aber vor allem muss er unabhängig bleiben, nicht so wie während der Kolonialzeit."

    Vor einem Café unweit des Studentenwohnheims sitzen ein paar Männer in Anzug und Krawatte in der Sonne und genießen ihren Feierabenddrink. Kungu fragt sie nach ihrer Meinung zum Kongo-Einsatz der Europäischen Union, aber die beiden winken ab. Sie wollen dazu nichts sagen, erst recht nicht vor dem Mikrofon. Die anderen Besucher des Cafés reagieren genauso.

    Für Kungu gibt es dafür vor allem eine Erklärung:

    "Wir haben unter einer Diktatur gelebt. Die Menschen haben Angst, im Fernsehen aufzutauchen. Sie haben Angst, öffentlich ihre Meinung zu sagen. Für mich ist das wirklich ein sehr schlechtes Zeichen. Schließlich sind wir hier sehr weit weg von unserem Land."

    Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist klein, meinen Kungu und Nygess. Aber sie wollen daran glauben, dass ihr Land einen Ausweg aus dem Krieg finden kann - und zwar auch mit der Hilfe der Europäischen Union.
    Aber dann zieht Kungu Luziamu seine Mundwinkel nach unten und seine Sprache wird bitter. Eines, sagt er, eines könne er wirklich nicht verstehen: die ewige Diskussion ums Geld:

    "Hat das Leben der Menschen, die man im Kongo seit fünf Jahren umbringt, hat das Leben dieser Menschen einen Geldwert? Nein, man darf nicht in Summen denken. Wenn sie über Kosten reden, dann werden wir hier wirklich wütend. Das ist wirklich unmöglich."