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Endloses Kuscheldrama

Jeden Monat wird in der Berliner Kneipe "Ä" die Schmusetier-Soap "Humana – Leben in Berlin" aufgeführt. Die Bühne ist eine Holzkiste und die Hauptdarsteller sind Stofftiere. Mittlerweile feiern die Macher das zehnjährige Bestehen der Soap.

Von Katja Hanke |
    "Ja, vielen Dank. Wir zeigen heute wieder zwei Folgen unserer Schmusetier-Soap 'Humana – Leben in Berlin'."

    Der Keller der Kneipe "Ä" in Berlin-Neukölln ist kalt und feucht. Auf einem Tisch thront jene Holzkiste, die zur Bühne wird. Diese Holzkiste ist nach vorn und nach oben hin offen und groß wie ein Umzugskarton. Danebenstehen auf Bierkisten die Theatermacher Andreas Walter und Ulrike Dittrich und halten die Stofftiere. Sie machen eine ungewöhnliche Art von Theater. Allerdings mit vielen Vorteilen, findet Andreas Walter.

    "Es ja einfach grundsätzlich ein Problem, das Theatermachen ist ja ein sehr aufwendiges Kunstfach, weil du brauchst viele Leute und du kannst so viele Schauspieler auch schlecht bezahlen, wenn du keine große Förderung hast und das geht mit Puppen dann doch ganz gut."

    Hinzu kommt, sagt er weiter, dass Puppen eben auch keine Widerrede leisten und machen, was man ihnen sagt. Eine Hauptfigur in der Schmusetier-Soap ist die euphorische Wiebke, ein undefinierbares rosa Plüschwesen.

    "Hallo Herr Schweinsteiger, ich bin die Wiebke. Und ich finde sie ja so toll."

    Wiebke mag Stars, und sie ist die Verkörperung all jener Dramen, die eine echte Soap auszeichnen. Seit zehn Jahren können Zuschauer miterleben, wie sie sich von Diät zu Diät hangelt und von einer zur nächsten Liebe hetzt. Sie ist peinlich, aber auch liebenswert. Immer am Monatsende tourt die Schmusetier-Soap durch vier Kneipen in Berlin und zeigt zwei Folgen: die Wiederholung des Vormonats und die aktuelle. Von Anfang an dabei sind auch die erfolgreiche Meike, eine Plüschbiene, und ihr antriebsloser Freund Ralf, ein Schwein in Superman-Outfit. Seit zehn Jahren haben sie Beziehungsstress.

    "Hallo Ralf, aufwachen. Mensch Ralf, es ist mitten am Tag, warst du eigentlich heute schon mal draußen? - Nee, tut mir leid, dazu bin ich noch nicht gekommen. - Also, manchmal habe ich echt genug von dir, dann gehe ich jetzt einkaufen. Bis später."

    Andreas Walter und Ulrike Dittrich sind nicht nur Puppenspieler, sondern auch Darsteller. Sie tanzen und singen, und als Wiebke in ihrem Schönheitssalon einer Kundin eine Gesichtsmaske verpasst, bekommt Andreas Walter sie ins Gesicht geschmiert. Samt Gurkenscheibe.

    Die Idee, Plüschtiere auf die Bühne zu bringen, hatte der Theaterwissenschaftler Andreas Walter, als er für ein anderes Projekt ein Dutzend billiger Stofftiere bei Humana kaufte.

    "Es ist ja ganz entsetzlich, was es so für Stofftiere gibt, was man den Kindern so mit ins Bett legt, und da dachte ich, die müssen auf die Bühne oder damit kann man was machen."

    Rund 120 besitzt er mittlerweile. Der meiste Nachschub kommt aber von den Schmusetier-Castings. Dazu bringen die Zuschauer alte Stofftiere mit. Die stellen sie beim Casting am Ende der Show vor, und die Zuschauer entscheiden, ob das Tier in der nächsten Folge eine Gastrolle bekommt. Andreas Walter entdeckt immer wieder Ähnlichkeiten mit Prominenten.

    "Also, wir hatten einen wunderbaren Freiherrn von zu Guttenberg, der war wirklich ganz wunderbar uncharismatisch und wir haben einen Silvio Berlusconi gehabt, so eine rote Maus mit Glatze. Also, ganz große Klasse."

    Denn: Neben den parodierten Alltagsgeschichten geht es auch um Aktuelles, wie zum Beispiel den neuen Berliner Flughafen in der Juli-Folge. Bei Markus Lanz.

    "Ja, herzlich willkommen meine Damen und Herren. Und hier ist er, ihr Gastgeber: Markus Lanz."

    Lanz ist ein flaches grünes Frottee-Männchen und hat kein Gesicht.

    "Ja, heute begrüße ich bei mir den regierenden Bürgermeister von Berlin Klaus Wowereit. Guten Abend, Herr Wowereit."

    Wowi ist ein braunes Tier, irgendwas zwischen Bär und Hase. Er hat eine rote Knubbelnase und ein breites Grinsen.

    "Herr Wowereit, der neue Flughafen soll, wenn überhaupt erst in einem Jahr eröffnet werden und nun auch erheblich mehr kosten als ursprünglich geplant. Wie erklären Sie das den Berliner und Brandenburger Bürgern? Ja, in erster Linie gilt es jetzt, die Akzeptanz der Bürger für dieses Projekt zurückzugewinnen, damit diese nicht nur am Projekt finanziell, sondern auch emotionell beteiligt sind."

    Emotional beteiligt sind auch die beiden Macher bis heute. Sie haben die Schmusetier-Soap die ganzen Jahre über klein und familiär gehalten und wohl deshalb immer noch so viel Spaß daran.

    "Für uns ist diese Soap auch vier Mal im Monat ausgehen und dabei ein bisschen Geld verdienen und aber auch weiter den Freundeskreis treffen und erweitern."