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Endrunde Deutscher Zukunftspreis 2019
Scharfer Blick ins Gehirn mit Hochfeld-Magnetresonanz

Am Mittwoch werden die Preisträger des Deutschen Zukunftspreis bekanntgegeben. Eines der drei nominierten Teams hat die Technik der Kernspin-Untersuchungen weiterentwickelt. Eine anderer Aufbau der Geräte ermöglicht stärkere Magnetfelder. So lassen sich Strukturen bis unter 0,3 Millimeter Größe sehen.

Von Hellmuth Nordwig | 25.11.2019
Prof. Arnd Dörfler, Dr. Christina Triantafyllou und Prof. Mark E. Ladd stehen vor einem Magnetresonanztomographie-Gerät
In der Endrunde für den Deutschen Zukunftspreis 2019: Prof. Arnd Dörfler, Dr. Christina Triantafyllou und Prof. Mark E. Ladd (v.l.n.r.) (deutscher_zukunftspreis_ansgar_puden)
Die Kopfklinik der Universität Erlangen ist ein moderner Betonbau. Sieben Stockwerke, die Außenfassade aus blaugrau gebürstetem Aluminium. Doch das leistungsfähigste Diagnosegerät steht draußen, in einem separaten Gebäude. Mit dem Oberarzt Manuel Schmidt von der Neuroradiologie geht es über den Hof und durch einen kleinen Park in einen neu errichteten Pavillon.
"Da gehts in den Schaltraum ..."
... mit Bildschirmen und einer großen Glasscheibe, durch die das modernste klinische Kernspin-Gerät weltweit zu sehen ist.
"So sieht er aus."
Ein weißer runder Plastikkasten, halb so groß wie eine Garage. Herzstück ist eine Röhre, 60 Zentimeter im Durchmesser, gut einen Meter lang, und davor eine Liege mit einer jungen Patientin. Die Ärzte wollen die Ursache ihrer epileptischen Anfälle klären.
"Geht die Patientin gerade rein oder raus? Gerade reingefahren. Dann können wir vorher noch einmal reingehen. Dann müssen Sie aber vorher alles ablegen."
Das Magnetfeld - etwa 150.000 Mal stärker als das der Erde
Schlüssel, Gürtel, Geld - alles, was aus Metall ist, muss draußen bleiben. Auch das Aufnahmegerät. Denn in dem Kernspingerät steckt ein extrem starker Magnet, in dem Spulen aus supraleitendem Material gewickelt sind. Das Magnetfeld ist etwa 150.000 Mal stärker als das der Erde: Sieben Tesla. Üblich sind in großen Kliniken drei Tesla, was nicht für jeden Zweck ausreicht. Einfach die Zahl der Windungen und damit die Magnetfeldstärke verdoppeln - das geht aber nicht, erklärt die Entwicklerin Christina Triantafyllou von Siemens Healthineers.
"Wenn man mit der herkömmlichen Drei Tesla-Technik einfach nur mehr Windungen wickelt, dann entfernt man sich immer weiter vom Patienten, vom Zentrum des Magneten. Man benötigt dann eine immer größere Menge an Draht, und die Spule wird dadurch schwer und ineffizient. Und außerdem können die vielen Windungen unter den immensen Kräften des Magnetfelds nicht mehr stabil gehalten werden."
In einem Labor steht ein MRT von Siemens
Mit dem sieben Tesla starken Magnetfeld lassen sich Körperstrukturen bis unter 0,3 Millimeter Größe zeigen (deutscher_zukunftspreis_ansgar_pudenz)
Deshalb haben die Forschenden bei Siemens eine neue Tragstruktur entwickelt, über deren Details sie allerdings schweigen. Jedenfalls wiegt das Gerät statt der zu erwartenden 40 Tonnen "nur" 17 Tonnen. Und Effekte, die bei dieser Feldstärke neu auftreten - wie Interferenzen -, konnte der Physik-Informatiker Mark Ladd vom Deutschen Krebsforschungszentrum aus den gestochen scharfen Bildern herausrechnen.
Als die Untersuchung beginnt, sind wir wieder draußen. Wie bei jeder Kernspinaufnahme hört die Patientin laute Schaltgeräusche, gedämpft durch Kopfhörer. Die Ärzte hoffen, in ihrem Gehirn winzige veränderte Strukturen zu finden, die sie sonst nicht sehen würden, und ihr durch eine Operation zu helfen. Dazu Manuel Schmidt:
"Wenn man den Epilepsieherd entfernt, dann sind die Patienten danach mit einer guten Chance anfallsfrei und haben dann bedeutend an Lebensqualität gewonnen."
Körperstrukturen bis unter 0,3 Millimeter Größe sind mit dieser Technik zu sehen. Weil das mit keinem anderen strahlungsfreien Verfahren möglich ist und weil das Gerät 2017 für klinische Untersuchungen an Kopf und Knien zugelassen wurde, sind die Forschenden für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. Arnd Dörfler, Leiter der Abteilung Neuroradiologie, erklärt, dass ihm die neue Technik nicht nur bei der Epilepsie einen viel genaueren Einblick ins Gehirn ermöglicht:
"Ähnliches gilt für die Multiple Sklerose, für Parkinson, für Tumoren, für Schädel-Hirn-Traumen. Die Patienten sind beeinträchtigt, aber die üblichen Bilder sind unauffällig. Und bei sieben Tesla sehen wir doch kleinste Spuren von Verletzungen, was mit anderen Scannern so nicht möglich ist. Also der einzelne Patient kann sehr von diesem Gerät profitieren."
Sieben Tesla-starke Systeme haben viel Potential für die Forschung
"Dabei beeinträchtigt die Untersuchung kaum, denn wir können Magnetfelder nicht wahrnehmen."
Nur manchmal werde es den Patienten etwas schwindelig, berichten die Ärzte, doch das sei nur vorübergehend. Seit der Zulassung des Geräts sind weltweit bereits einige Dutzend Sieben Tesla-Systeme im Einsatz. Mediziner können mit ihnen nicht nur feinste Strukturen sichtbar machen, was auf der magnetischen Anregung von Wasserstoffkernen beruht, sondern weil das Magnetfeld so stark ist, sind auch Kernspinaufnahmen mit schwereren Atomkernen möglich: Kalium, Natrium, Phosphor. Und das heißt:
"Wir können den Stoffwechsel darstellen. In Kombination mit der hohen Detaildarstellung helfen uns diese Zusatzinformationen, Erkrankungen besser zu erkennen, früher zu erkennen und häufig auch gegenüber anderen Erkrankungen, die im konventionellen Bild genauso aussehen, besser abzugrenzen."
Viel Potenzial für die Forschung also. Das wollen die Ärzte erst einmal ausschöpfen, und die Herstellerfirma strebt die Zulassung für weitere Körperbereiche an, etwa die Bauchregion. Das Magnetfeld noch weiter zu erhöhen, ist zurzeit nicht vorgesehen.