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Energetische Sanierungen
"Die Förderung sollte viel gezielter auf Einzelmaßnahmen ausgerichtet werden"

Die Ziele bei der Energieeinsparung seien mit den bisherigen Mitteln nicht zu erreichen, sagte Ralph Henger vom Institut der deutschen Wirtschaft im DLF. Statt umfänglicher Komplettsanierungen müssten bei den energetischen Sanierungen viel stärker Einzelmaßnahmen gefördert werden. Viele der bisherigen Programme seien zudem zu komplex und unübersichtlich.

Ralph Henger im Gespräch mit Georg Ehring | 15.06.2016
    Ein Arbeiter sitzt auf einem Bau-Gerüst und montiert Styropor-Platten an einer Hausfassade.
    Bei der Dämmung von Häusern sollte man bei feuchten Standorten lieber auf eine Putzfassade verzichten - sonst sind schwarze Pilzspuren und grüner Algenbelag garantiert (Armin Weigel / dpa)
    Georg Ehring: Zu den Produkten, die wir in einigen Jahrzehnten nicht mehr brauchen, gehört vielleicht die Heizung. Moderne Passivhäuser können schon heute darauf weitgehend verzichten und Altbauten könnten zumindest mit deutlich weniger Heizenergie auskommen, wenn sie denn richtig gedämmt sind. Doch für eine energetische Sanierung entscheiden sich viel zu wenige Hausbesitzer, jedenfalls viel weniger als erforderlich, um einen spürbaren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
    Das Institut der deutschen Wirtschaft hat jetzt eine Studie veröffentlicht, in der das Ziel der Bundesregierung in diesem Bereich für unerreichbar erklärt wird. Es ist demnach nicht realistisch, bis zum Jahr 2020 bundesweit 20 Prozent des Wärmebedarfs einzusparen. Autor der Studie ist Dr. Ralph Henger und ihn begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Henger.
    Ralph Henger: Guten Tag.
    Ehring: Herr Dr. Henger, warum ist diese Einsparung nicht mehr zu schaffen?
    Henger: Wir beobachten, dass der Sanierungs- und Effizienzmarkt wirklich in einer Schwächephase steckt. Der Anteil energetischer Sanierung ist in den letzten Jahren von 34 Prozent auf 27 Prozent zurückgegangen, und das, obwohl ja die Politik sehr viele Maßnahmen, sehr viele Anstrengungen unternimmt, das zu ändern.
    "Der Anteil energetischer Sanierung ist zurückgegangen"
    Ehring: Aber dann hat die Regierung doch was falsch gemacht. Was denn?
    Henger: Richtig! Sie hat ein Programm und Ziele sich vorgegeben aus dem Jahr 2010, den Endenergiebedarf bis zum Jahr 2020 um 20 Prozent zu reduzieren, und wenn wir mit der Geschwindigkeit weitermachen wie bisher, erreichen wir das nur auf einem Niveau von ungefähr elf Prozent. Wir brauchen ein Konzept der Bundesregierung, letztendlich eine Umsetzung der Ankündigung, das die Bundesregierung sich selbst auch gemacht hat. Da gab es viele Ankündigungen, die wurden aber letztendlich nicht umgesetzt.
    Ehring: Wie könnte so ein Konzept denn aussehen?
    Henger: Es gibt ja viele Hemmnisse im Markt. Das muss man sich einfach klar machen. Das betrifft zum Beispiel den Energieausweis, der zu komplex ist, der zu kompliziert ist und von den Verbrauchern nicht verstanden wird. Die Förderung ist zu unübersichtlich und komplex und hier sollte die Politik vielleicht einen Strategiewechsel vornehmen, also nicht auf viele kleinteilige Förderprogramme setzen, sondern auf jeden Fall ein Förderprogramm starten, dass man nur noch eine Anlaufstelle hat, dass der Konsument sich dort vollumfänglich beraten kann, und einen Strategiewechsel dahingehend, dass nicht nur Komplettsanierungen gefördert und beraten werden, sondern vor allem auch Einzelmaßnahmen. Das muss man sich so vorstellen: Die meisten Hauseigentümer, die sanieren dann, wenn die Maßnahmen im Bereich Instandhaltung sowieso getätigt werden müssen, wenn die Heizungsanlage zum Beispiel alt ist, oder die Fassade neu gestrichen werden muss. Dann ist es natürlich sinnvoll, eine energetische Maßnahme da draufzusetzen. Eine vollumfängliche Sanierung wird dagegen kaum in Anspruch genommen, auch die Beratung dahingehend wird nicht in Anspruch genommen, und hier sollte die Förderung viel gezielter auf Einzelmaßnahmen ausgerichtet werden, sodass am Ende mehr saniert wird, in der Breite mehr Volumen stattfindet, aber dafür nicht so ein hoher Standard erreicht wird. Wir brauchen quasi eine Mobilisierung des Marktes.
    "Verbraucher sollten sich unbedingt kundig machen"
    Ehring: Wenn Hauseigentümer hartnäckig kein Geld in die Sanierung stecken, dann kann das ja auch daran liegen, dass die Sanierung sich gar nicht finanziell rechnet, anders als häufig behauptet wird. Gibt es dafür Anzeichen nach Ihren Erkenntnissen?
    Henger: Da gibt es klare Anzeichen. Wir haben den sinkenden Heizölpreis seit zwei, drei Jahren, der natürlich dazu führt, dass die Einsparungen nicht mehr so hoch sind. Und gerade wenn man dann einen hohen Effizienzstandard sich vorstellt, einen Effizienzhaus-55-Standard, quasi ein Standard, der deutlich effizienter ist als der Neubaustandard, dann lohnen sich energetische Modernisierungen nur in sehr seltenen und günstigen Voraussetzungen. Erst die normalen Standards, die die KfW auch mitfördert, die lohnen sich in der Regel, wenn die Sanierung vorgenommen werden muss, und hier kann ich auch quasi jeden, der daran interessiert ist, eine Sanierung vorzunehmen, nur ermuntern, die vielen Programme, die die KfW und auch andere anbieten, sich mal anzuschauen, denn die Förderung ist ja nicht gering. Bis 30 Prozent der Kosten werden bezuschusst bis zu einer Höhe von 30.000 Euro. Hier sollte man sich als Verbraucher unbedingt kundig machen, schlau machen. Aber als Appell an die Politik müssen wir sagen: Diese Programme sind heute immer noch zu komplex, zu unübersichtlich für den Verbraucher.
    Ehring: Dr. Ralph Henger war das vom Institut der deutschen Wirtschaft zur Sanierung von Altbauten. Herzlichen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.