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Energie aus Abwasser

Heizungswasser, Küchenwasser, Duschwasser - in Häusern wird eine Menge Wärme produziert, die dann aber ungenutzt in der Kanalisation verschwindet. In Oldenburg soll ein neues Pilotprojekt diese Abwärme zurückgewinnen. Das Ziel: Eine Rückgewinnung von Energie bei gleich mehreren Haushalten.

Von Beate Hinkel | 01.02.2012
    Täglich rauschen viele Kubikmeter warmes Wasser durch Oldenburgs Kanalisation. Zum Beispiel aus der heißen Badewanne oder der Waschmaschine. Noch geht die Wärme ungenutzt verloren, doch das soll sich ändern, sagt Axel Frerichs, vom Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverband, kurz OOWV:

    "Wir sind abwasserbeseitigungspflichtig in 39 Kommunen, die wir betreuen. Somit ist es ein großes Eigeninteresse, hier diese Systematik weiter voranzutreiben, um vorbereitet zu sein, dass Energiepreise steigen. Dass wir Situationen erkennen, wo sie einsetzbar ist, die Technik. Das wir genau da am Zahn der Zeit sind, um mit vorne dran zu sein, um innovative neue Techniken einsetzen zu können. Das ist unsere Intention."

    Das Institut für Rohrleitungsbau der Jade-Hochschule in Oldenburg hat ein Pilotprojekt gestartet. Im Auftrag des örtlichen Wasserverbandes soll es die Wärme der öffentlichen Kanalisation nutzen. Für das eigene Heizungssystem. Dabei hilft ein sogenannter Wärmetauscher. In diesen Tagen wurde mit den Arbeiten am Kanal unter der Straße vor dem Institut in Oldenburg begonnen:

    "Wir haben eben die Leitung gereinigt. Saugen den Rest Wasser da raus, damit er dann trocken arbeiten kann."

    Ab Februar soll der Wärmetauscher dem öffentlichen Abwasser die Wärme entziehen. Dafür werden gleich 15 ein Meter lange Wannen aus Edelstahl zusammengesteckt und in den Kanal gelegt, erklärt der Projektingenieur des Instituts für Rohrleitungsbau, Mike Böge:

    "Jetzt wird das erste Modul in den Schacht eingebracht in die Sole, so dass am Ende das Abwasser darüber strömen kann."

    Ein Wasserkreislauf mit Frischwasser wird später den Wärmetauscher im Kanal mit der Heizung im Institut verbinden:

    "Das heißt, wir gehen mit reinem Wasser als Vorlauf in den Wärmetauscher hinein, dieses erwärmt sich. Und wird dann zurückbefördert zu unserer Heizungsanlage, wo dann eine Wärmepumpe diese gewonnen Wärme auf ein entsprechendes Niveau bringt."

    Mike Böge geht davon aus, dass dem rund zwölf Grad warmen Abwasser ein bis zwei Grad Wärme entzogen werden können. Das reicht schon aus, um die Wärmepumpe der vierstöckigen Villa des Instituts ausreichend zu versorgen.

    Die genutzte Technik ist nicht neu. Wäschereien, Brauereien und ein Oldenburger Schwimmbad verwenden sie schon. Allerdings nutzen sie das Abwasser gleich auf dem eigenen Gelände und nicht aus dem öffentlichen Kanal. Axel Frerichs vom Wasserverband:

    "Unser Interesse liegt darin, dass wir die Technik, die bekannt ist, verfeinern, Untersuchungsergebnisse stabilisieren, dass wir die Anwendung an Stellen ermöglichen, wie sie heute denkbar wäre. Wir wollen Schlüsse ziehen, für Betrieb, Wartung und Einbau solcher Systeme."

    Und der Institutsleiter Thomas Wegener fügt hinzu, dass stabile wissenschaftliche Daten, Aufschluss über eine möglichst weite Verbreitung geben sollen:

    "Funktionieren tut das, das wissen wir. Nur, wo sind die Grenzen, wem kann man das mit reinem Gewissen empfehlen, auch als Kunden als Anwender."

    Zum Einsatz kommen könnte die Technologie in Kindergärten, Schulen, größeren privaten Bürogebäuden oder Häusern in Wohngebieten. 120.000 Euro lässt sich der Wasserverband die Forschungen kosten. Zunächst trägt er sie selber, hofft jedoch auf Unterstützung aus der EU. Die Wissenschaftler planen, den Betrieb der Anlage zwei bis drei Jahre lang zu beobachten, Mike Böge:

    "Hier ist es so, dass wir von unserem Institut die Möglichkeit haben, zumal es auch ein Forschungsschwerpunkt ist, diese Anlage zu begleiten. Wir machen also permanent Messungen, um zu sehen, wie der Wärmetauscher in Abhängigkeit von den Kanalbetriebsbedingungen funktioniert. Und das ist einzigartig in Deutschland. Weil normalerweise ist es so, dass der Betreiber damit auch sein Geld verdienen möchte. Das ist in diesem Projekt zweitrangig."

    Profitieren sollen auch die Studierenden des Instituts für Rohrleitungsbau:

    "Die haben ein Projekt direkt vor der Haustür. In unserer Heizzentrale können wir sie über diese Technologie informieren und somit kommen sie schon als Berufseinsteiger mit ganz innovativen Gedanken aus der Jadehochschule heraus."

    Aber auch interessierte Unternehmen, Hausbesitzer und Ottonormalverbraucher, können sich die Anlage ansehen. Eines Tages, so die Hoffnung, könnte dann ein großer Teil der Häuser in Oldenburg von der Energie der öffentlichen Abwässer profitieren.