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Energie aus dem Orbit

Raumfahrt. – Die Science Fiction kennt sie schon lange: riesige Solaranlagen, die um den Planeten kreisen und die ungefilterte Energie der Sonne sammeln, um sie zu Wandelstationen auf der Erde zu senden. Bislang war dies ein scheinbar unerfüllbarer Traum von Enthusiasten, da so große Energiemengen bislang ohne Kabel nicht übermittelt werden können. Dennoch wurde jetzt aus der Vision ein kleines Stückchen mehr Realität, wie der Raumfahrtkonzern EADS heute anlässlich einer Aufsehen erregenden Pressekonferenz in Bremen erläuterte.

23.09.2003
    Es war noch kein großes Kraftwerk für die Umlaufbahn, was der europäische Raumfahrtkonzern EADS da am Dienstag in Bremen der Schar angereister Experten präsentierte. Nichtsdestotrotz ging es um das gleiche Problem: Energie soll über weite Distanzen drahtlos übertragen werden. Demonstriert wurde in der Hansestadt ein gerade Schuhkarton großer Elektrowagen, dessen Antriebsenergie nicht aus eigenen Akkumulatoren, sondern vielmehr aus der Entfernung geliefert werden sollte. Die Funktion des Kabels übernahm im ausrangierten Raketenmontagehangar indes ein grüner Laser, der stets auf den kleinen Wagen zielte und ihn punktgenau verfolgte, während dieser seinen Testparcours in einer Holzlandschaft absolvierte – gespeist allein aus der Energie des konzentrierten grünen Lichts.

    Zwar ist dies Idee nicht völlig neu, doch bereitete bislang die kontinuierliche Verfolgung sowie die Menge an dabei übertragener Energie Probleme, die offenbar jetzt von den Raketenbauern der "alten Welt" bestens beherrscht werden. Immer wieder suchte sich der Lichtfinger sein Ziel, identifizierte es exakt und speiste es mit Energie. Clou des Prototypen ist die raffinierte Steuerung, denn schließlich darf die Trennung des Fahrzeugs vom Energiestrahl nicht zu lange sein, ansonsten würde der Rover antriebslos etwa in einer fernen Marswüste liegen bleiben. Völlig untätig ist dabei die Elektronik des Roboterautos ebenfalls nicht, sondern sucht sich ständig ihrerseits Position und Richtung der Kraftquelle. Der Traum – wenngleich seine Realisierung noch in sehr ferner Zukunft liegt – dass Solarzellenfelder Sonnenlicht einsammeln, um es in elektrischen Strom zu wandeln, diesen dann drahtlos und konzentriert als Laserlicht auch an mobile Verbraucher zu senden, die ihn ihrerseits erneut in Elektrizität zurückverwandeln, rückt damit ein kleines Stückchen näher.

    Das in Bremen vorgestellte Projekt ist weit davon entfernt, lediglich eine technische Spielerei zu sein. So sieht EADS bereits Anwendungsfelder, die allerdings in fernen All-Gefilden liegen, wie etwa die Planetenerkundung. So könnten Roboterfahrzeuge beispielsweise auch Krater an den Polkappen des Mondes besuchen, in die niemals direktes Sonnenlicht dringt, und ihre Energie dabei dennoch via Laser und Empfangsphotozellen aus Kraftwerken in der Umlaufbahn des Trabanten beziehen. Auch auf der Schattenseite des Mars könnte die Technik Nutzung finden. Doch bis orbitale Kraftwerke eine echte Konkurrenz zu Anlagen auf der Erde bilden könnten, würden – so schätzen Experten – mindestens rund 50 Jahre vergehen. Viel früher, möglicherweise schon 2006 oder 2007, könnte an Bord der Internationalen Raumstation ISS aber ein erstes Experiment in Betrieb gehen, dass Energie drahtlos zur Erde schickt.

    [Quelle: Dirk Lorenzen]