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Energieeffizienz
Strom aus wasserstoffhaltigen Industrieabgasen

Strom aus Windkraftanlagen wird zu Wasserstoff gewandelt, lässt sich lagern und wieder dem Stromkreis zuführen. Bei Gas aus der Industrie ist für die erfolgreiche Verstromung reiner Wasserstoff nötig, den Industrieabgase nicht liefern können. Das Gemisch gelangt ungenutzt in die Atmosphäre - bislang.

Von Simon Schomäcker | 14.08.2017
    Forscher am Fraunhofer IISB in Erlangen haben ein Verstromungssystem für wasserstoffreiche Abgase entwickelt. Damit gelang die weltweit erstmalige Verstromung von Epitaxieabgas in einer Brennstoffzelle.
    Strom aus Industrieabgas - Das Fraunhofer-Institut entwickelt Brennstoffzellensystem für Wasserstoffgemisch (Fraunhofer IISB / Kurt Fuchs)
    Michael Steinberger arbeitet am Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie in Erlangen. Gemeinsam mit Kollegen hat der Forscher ein besonderes Kraftwerk gebaut. Die vielen Schläuche, Kompressoren und andere Gerätschaften wandeln wasserstoffhaltige Industrieabgase in elektrische Energie um.
    "Es gibt unterschiedliche Branchen, die mit Wasserstoff arbeiten. Also alleine in Deutschland haben wir pro Jahr einen Wasserstoffbedarf von 20 Milliarden Kubikmetern."
    Suche für die Nutzung von Wasserstoff aus der Chip-Fertigung
    Der größte Verbraucher ist die Halbleiter-Industrie. Wasserstoff wird hier als Trägergas für die Produktion dünner Kristallschichten, etwa aus Silizium, verwendet. Fachleute sprechen dabei von Epitaxie. Am Fraunhofer-Institut in Erlangen werden so unter anderem Computer-Chips gefertigt, erklärt Richard Öchsner, Leiter des Bereichs Energietechnik:
    "Und da kam von unserem Chef die Frage auf: "Kann man denn den Wasserstoff, den man eigentlich freisetzt, nicht nutzen, zum Beispiel in einer Brennstoffzelle für eine kalte Verbrennung, um ihn dann auch energetisch wieder nutzen zu können?"
    Wasserstoff mit hohem Stickstoffanteil verstrombar machen
    Bei kalter Verbrennung muss ein Gas nicht erst entflammt werden, um etwa einen Generator anzutreiben. In einer Brennstoffzelle erfolgt die Energiegewinnung auf chemischem Wege, durch die Reaktion von Sauerstoff etwa mit Wasserstoff. Für eine hohe Energieausbeute muss der Wasserstoff eigentlich zu mindestens 99,9 Prozent rein sein. Das ist bei Industrieabgasen praktisch nie der Fall, betont Michael Steinberger:
    "Und das war dann im Endeffekt auch der Fokus der Forschung – eine neue Betriebsweise für solche Brennstoffzellen zu entwickeln, damit dort auch wasserstoffreiche Gase mit einem relativ hohen Stickstoffanteil von bis zu 50 Prozent verstromt werden können."
    Gasgemisch vor dem Einströmen verdichten
    Die Forschergruppe fand heraus, dass an ihren Brennstoffzellen keine gravierenden Änderungen nötig waren. Vielmehr galt es, das Gasgemisch vor dem Einströmen zu verdichten.
    "Darum haben wir dort ein neues Gebläse installiert, um einfach die Gebläseleistung zu erhöhen. Genauso haben wir Ventile angepasst, neue Sensoren hinzugefügt, die zum Beispiel die Wasserstoffkonzentration an bestimmten Punkten relativ genau bestimmen können."
    Nutzung von fast hundert Prozent des Wasserstoffs
    Dank der Anpassungen konnten die Erlanger Forscher schließlich zwei Betriebsmodi für ihr Verstromungssystem entwickeln.
    "Wenn der Wasserstoffanteil von diesem Abgas unter 70 Prozent liegt, dann können wir ungefähr 72 Prozent des Wasserstoffes in Strom verwandeln. Bei dem anderen Betriebsfall, wenn über 70 Prozent Wasserstoffanteil im Abgas sind, können wir das Gas speziell im Kreis schieben in der Brennstoffzelle. Dadurch sind wir in der Lage, fast 100 Prozent des Wasserstoffes wirklich nutzen zu können."
    Technologie ist noch am Anfang
    Der Wirkungsgrad der Anlage beträgt zurzeit 25 Prozent. Denn Brennstoffzellen haben durch die chemischen Prozesse hohe Verluste. Hinzu kommt der Energieaufwand für die Verdichtung des Gases, für Steuerungskomponenten und Ventile. Ob die Technologie künftig häufiger zum Einsatz kommen wird, hängt neben dem noch zu steigernden Wirkungsgrad auch von anderen Faktoren ab, erklärt Richard Öchsner:
    "Wie viel Wasserstoffanfall habe ich denn und fällt der Wasserstoff kontinuierlich an? Dann ist es natürlich davon abhängig, wie groß der Aufwand für eine Integration ist. Also gibt es schon eine Gas-Vorreinigungsanlage, in welcher Qualität liegt der Wasserstoff vor? Wie entwickeln sich die Strompreise? All das beeinflusst natürlich dann auch die Verbreitung einer solchen Technologie."