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Energieeffizienz überprüfbar machen

Passivhäuser sind teurer als herkömmliche Gebäude, doch die Nutzer profitieren davon. Als Käufer oder Bauherr hat man allerdings ein Problem: Wie überprüft man, ob das Haus so effizient ist, wie versprochen? Die Immobilienwirtschaft sucht nach Zertifikaten, die die Qualität eines Gebäudes auf einen Blick erkennen lassen.

Von Michael Braun | 16.04.2012
    Man sieht es in vielen Großstädten: Bürohäuser, erst knapp 30 Jahre alt, werden nicht modernisiert, sondern "revitalisiert". Ein Spruch der Vermarkter, sicher, aber auch einer, der bautechnische und ökologische Ansprüche mitbringt, zumindest dann, wenn das modernisierte Haus als "green building" ausgeformt sein wird. Viel ist möglich: Es wird recyclingfähiges Material verbaut, die Heiz- und Kühlenergie pro Jahr lässt sich um zwei Drittel senken, der Stromverbrauch um mehr als die Hälfte. Bei den vor zwei Jahren rundum sanierten Doppeltürmen der Deutschen Bank in Frankfurt am Main gelang eine Wasserersparnis von 74 Prozent, die CO2-Emission sollte gegenüber dem früheren Zustand um mehr als 80 Prozent sinken. Es gibt Gütesiegel für "grünes Bauen", standardisiert sind sie noch nicht. Doch die Immobilienwirtschaft kommt dem näher. Thomas Beyerle, Analysechef des Bonner Immobilienkonzerns IVG, beschreibt den Stand der Diskussion:

    "Offen gesprochen: Da stehen wir wirklich am Anfang. Die erste Aufgabe ist, überhaupt mal die Energiebilanzen festzustellen. Man tut ja immer so, als gäbe es irgendwo im Keller eines Gebäudes irgend solch eine Uhr, die eine CO2-Bilanz anzeigt. Mitnichten. Das hießt: Wenn wir über einen ökologischen Fußabdruck, CO2-footprint sprechen, dann reden wir von Entwicklungen, die werden vielleicht Ende der Dekade überhaupt mal messbar sein, standardisierbar sein. Der Druck nimmt deutlich zu, die Geschwindigkeit nimmt auch deutlich zu. Aber heute ist es mehr eigentlich eine ideale Vorstellung, wie man es machen könnte. Aber es gibt definitiv kaum innerhalb der Immobilienwirtschaft Beispiele."

    Gut möglich, dass die Immobilienwirtschaft sich bei der Bewertung von nachhaltigem Bauen künftig also auf den Carbon Footprint, den CO2 Fußabdruck als Maßstab einigt und damit jedem Gebäude zumindest einen vereinheitlichten Wert zuteilt, um nachhaltiges Bewirtschaften zu messen:

    "Große Unternehmen wie wir versuchen im Endeffekt für Objekte ab einem gewissen Volumen diesen energetischen Fußabdruck oder diese CO2-Bilanz zu erstellen, um letztlich bei einem Verkauf oder auch Ankauf darstellen zu können, wie sieht dieses Objekt heute aus und was kommt in den nächsten fünf bis zehn Jahren energetisch auf uns zu. Die zweite Eben der Diskussion ist die Frage auch, wie identifizieren sich die Unternehmen damit und wie stellen sie sich in einigen Jahren dar: Was bringst Du an Information und was bringst Du an Output raus und ist das verträglich für den Planeten? Das heißt der Druck für uns alle kommt sehr stark eben weniger von unten – 'Graswurzelbewegung' -, sondern in der Tat wirklich von oben, von Unternehmenslenkern, von Visionären, von der UNO und von vielen Menschen, die das einfach einfordern mittlerweile."

    Eine akzeptierte Definition hat die Branche noch nicht gefunden. Manche wollen es bei CO2 Fußabdruck allein beim Ausstoß von Kohlendioxid im Lebenszyklus eines Gebäudes belassen. Andere möchten den Begriff zum "Klima-Fußabdruck" erweitern, also alle im Kyoto-Protokoll definierten relevanten Treibhausgase zusätzlich aufnehmen, also auch den Verbrauch an Methan, Lachgas, Flurkohlenwasserstoffen, Kohlenwasserstoffen und Schwefelhexafluorid.

    Angestrebt wird auch, nicht nur die technischen Vorkehrungen für die effiziente Nutzung eines Gebäudes zu begutachten, sondern auch die tatsächliche Nutzung. Und das ließe sich erweitern zum CO2- Fußabdruck des in einem Gebäude arbeitenden Unternehmens, wobei dann die Emissionen des Produktionsprozesses, die Dienstfahrzeuge, ja auch der Berufsverkehr der Belegschaft berücksichtigt werden müssten. Die Sache kann also kompliziert werden, wird sich schon deshalb wohl nur für eine kleine Klasse elitärer Immobilien durchsetzen, die international tätige Unternehmen nutzen. Aber die Denke dahinter, so Immobilienanalyst Thomas Beyerle, strahle auch in den Alltag von Wohnungsmieter und –vermieter aus:

    "Sie sehen ja nicht umsonst, dass in vielen Innenstädten oder Ballungszentren die Mieten massiv steigen. Das hat primär natürlich was mit dem Knappheitsfaktor zu tun. Aber wir merken ja auch sehr stark: Die Investitionswelle, die seit zwei, drei Jahren gerade in die Wohnungen geht, und das muss sich natürlich ökonomisch für den Eigentümer am Schluss auch irgendwo rechnen. Und das Regulativ ist der Mieter, der sagt: Zeig mir den Energiepass, dann bin ich vielleicht sogar damit d'accord, wenn ich vorher eine enorm hohe Nebenkosten-Zweitmiete bezahlt habe, wenn Sie schon toll investiert haben, dann wird er sagen, na ja, dann ist es wahrscheinlich auch gerechtfertigt."