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Energiewende auf Französisch

Frankreich setzt auf Atomkraft und wird auch künftig Kernreaktoren betreiben, während Deutschland die Energiewende forciert. Dennoch beraten die Umweltminister beider Länder auf der ersten deutsch-französischen Energiekonferenz über gemeinsame Projekte bei den erneuerbaren Energien.

Von Ursula Welter | 02.07.2013
    Was in Deutschland die Energiewende ist, ist in Frankreich die "Transition énergétique".

    "Beiden Projekten ist gemeinsam, dass wir bis zum Jahre 2015 einen Anteil von etwa 50 Prozent erneuerbaren Energien in unseren Ländern anstreben","

    betont Bundesumweltminister Peter Altmaier. In der französischen Lesart der Zahlen heißt das aber keineswegs "Ausstieg aus der Atomenergie". Sondern Reduktion des Anteils der Kernenergie an der Stromerzeugung von heute 75 Prozent auf 50 Prozent – bis 2025 soll der Energiemix in Frankreich mehr erneuerbare Energien enthalten als heute.

    Vorgesehen ist, das Regelwerk für die Errichtung von Windkraftanlagen und die Einspeisevergütungen zu entschlacken, die Fotovoltaik zu fördern, die Offshore-Windkraft weiter auszubauen und die Alt- und Neubauten zu sanieren – in puncto Wärmedämmung gibt es in Frankreichs Gebäudepark großen Nachholbedarf.

    Staatspräsident Francois Hollande hat die Energiewende zur Priorität erklärt, und damit wirbt nun das französische Umweltministerium. Unter Leitung der Sozialistin Delphine Batho finden seit Monaten Debatten in den Regionen und mit den verschiedenen Gesellschaftsgruppen statt, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Parlament und Nichtregierungsorganisationen sind eingebunden, und …
    ""seit Beginn der Debatte über die Energiewende wollten wir, dass die Bürger im Zentrum stehen","

    sagt Ministerin Batho. Noch in diesem Sommer sollen die Ergebnisse der landesweiten Diskussionen in konkrete Gesetzgebungsvorschläge münden.

    Während die Sozialisten ihre "Energiewende" als Meilenstein feiern, ist der grüne Bündnispartner zunehmend aufgebracht. Die Grünen in Frankreich stellen zwei Minister im Kabinett, aber eben nicht den Umweltminister. In einem Inernetchat der Zeitung "Le Monde" sagte der Chef der Grünen-Fraktion im Senat, Jean-Vincent Placé, das sei ein Fehler. Und mehr noch: Francois Hollande habe sich von seinen umweltpolitischen Wahlzusagen weit entfernt.

    Immer lauter werden die Stimmen, die einen Rückzug der Grünen aus dem Regierungsbündnis mit den Sozialisten fordern. Ab heute wird im Parlament das Budget 2014 debattiert, die Mittel des Umweltressorts sollen um sieben Prozent gekappt werden – das sorgt für weiteren Sprengstoff im Regierungslager.

    Die Gegner der Atomkraft treffen sich derweil regelmäßig auf den Plätzen von Paris, mal zu Solidaritätsbekundungen mit der Bevölkerung in Japan, mal, um gegen das geplante Endlager in Lothringen zu protestieren, eine Massenbewegung wissen sie allerdings nicht hinter sich. Der französische Atomkonsens ist nicht aufgekündigt, wenn auch eine Mehrheit der Franzosen nach Fukushima deutlich skeptischer geworden ist und auf lange Sicht einen Ausstieg mittragen würde.

    Höhere Strompreise seien allerdings schwer durchzusetzen, sagen auch die Sozialisten. Und um die Arbeitsplätze in der Atombranche kämpfen wiederum die Gewerkschaften erbittert, der Staatspräsident bekam zuletzt erneut Post aus Fessenheim – denn es ist beschlossen, das älteste Kernkraftwerk des Landes bis Ende 2016 vom Netz zu nehmen.

    Dass die Sozialisten im Gegenzug am Bau der Druckwasserreaktoren von Flamanville festhalten, erzürnt wiederum die Grünen im Regierungsbündnis wie auch das eindeutige Bekenntnis der sozialistischen Umweltministerin Batho für das atomare Endlager in Lothringen.

    So trifft der deutsche Umweltminister heute auf eine gespaltene Umweltszene in Frankreich, eine Gelegenheit mehr zu beobachten, dass "deutsche Energiewende" und französische "Transition énérgetique" zweierlei Dinge sind.

    Dennoch ist Peter Altmaier zuversichtlich:

    ""Wir glauben, dass es eines der wichtigsten und erfolgreichsten Projekte der deutsch-französischen Zusammenarbeit werden kann."