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Energiewende
Gegenwind für Windkraftwerke in Bayern

Bis zu 1500 Windkraftanlagen wollte Ministerpräsident Horst Seehofer eigentlich bis 2020 errichten. Doch ob es tatsächlich dazu kommt, ist offen. Denn die neue Wirtschaftsministerin Ilse Aigner hat angekündigt, das 2011 mit viel Euphorie gestartete bayerische Energie-Innovativ-Konzept zu überarbeiten. Die Gemeinden wissen jetzt nicht mehr, ob sich die Investition in neue Windkraftanlagen überhaupt noch lohnt.

Von Susanne Lettenbauer | 09.12.2013
    Eigentlich sollten hier in den Wadlhauser Gräben der Gemeinde Berg am Starnberger See ab kommendem Jahr vier Windräder stehen. Zwar kritisierten Windkraftgegner in den Nachbargemeinden jahrelang das Projekt. Doch die eigenen Bürger hielten dagegen: Der Flächennutzungsplan der 14 Kreisgemeinden wurde eigens geändert, um die Windkraftanlagen aufstellen zu können.
    Naturschutzrechtliche Bedenken wurden ausgeräumt. Außerdem verständigte sich die Gemeinde auf einen Abstand zu bebautem Gebiet von 1000 Metern, mehr als damals gesetzlich gefordert. Und: Sie änderte den ursprünglichen Standort, damit das Landschaftsbild in der touristisch wichtigen Region nicht beeinträchtigt wird.
    Energiewende ist für den Ersten Bürgermeister Rupert Monn nicht nur ein Wort, trotzdem steht sein Projekt auf der Kippe:
    "Wir haben sehr viel Geld ausgegeben, die Summe bewegt sich gut im sechsstelligen Bereich und wenn jetzt von Gesetzes wegen unsere Windkraftanlagen gestoppt werden, müssen wir uns überlegen wo und wie wir uns dieses Geld wieder holen können."
    Seit Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer verkündet hat, den vorgeschriebenen Abstand von Windkraftanlagen zu bebautem Gebiet von 800 auf 2000 Meter zu erhöhen, plant die Gemeinde Berg ins Blaue hinein. Denn 2000 Meter Abstand ist in dem dicht besiedelten Gebiet, wo ein Windrad circa elf Hektar Fläche benötigt, unrealistisch. Der ehemalige Kooperationspartner, die Münchner Stadtwerke, stiegen im Herbst aus dem Projekt aus und wollen sogar künftig in Bayern überhaupt nicht mehr in erneuerbare Energien investieren. Bürgermeister Monn:
    "Ganz ganz viele Gemeindebürger sind stolz auf unsere Gemeinde, dass die Gemeinde Berg so vorausschauend denkt und sich auch der Energiewende verschrieben hat. Der Gemeinderat hat vor einigen Jahren ein Leitbild erarbeitet. Hier ist das Ziel, bis 2020 zumindest rechnerisch energieautark zu sein."
    Dieses Ziel ist jetzt in weite Ferne gerückt. Die Bürger sind verunsichert. Die Bürgerbeteiligung in Gefahr. Vor allem, weil neben der Abstandsregelung jetzt auch das ambitionierte bayerische Energiekonzept von 2011 vom Wirtschaftsministerium überarbeitet werden soll. Außerdem prognostiziert das jetzt vorgestellte Energiemonitoring der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft einen akuten Energieengpass ab 2015. Ihr Präsident denkt deshalb bereits über eine Laufzeitverlängerung des AKW Grafenrheinfeld nach.
    Offenbar wolle der Freistaat zurück zu den Großkraftwerken, kritisiert Günter Beermann vom Landesverband Windenergie:
    "Für mich bedeutet ein neues Energiekonzept eine Rolle rückwärts in der Energiepolitik. Mit anderen Worten eine Beendigung der Energiewende."
    Rund 550 Windkraftanlagen stehen mittlerweile im Freistaat zählt Beermann auf. 1500 waren einmal vom Ministerpräsidenten angedacht worden. Unter den derzeitigen Vorgaben sei das unrealistisch, so Beermann und er zählt ein anderes Beispiel in Mittelfranken auf:
    "Es geht um fünf Windkraftanlagen, die nicht nur geplant sind, sondern auch genehmigt, die Fundamente liegen im Boden. Die Anlagen stehen in einer ausgewiesenen Vorrangfläche. Aber der Regionalplan Mittelfranken ist noch nicht rechtskräftig, weil der Regierungspräsident noch nicht unterschrieben hat, weil er sagt, der Ministerpräsident hat gesagt, wir sollen noch eine Weile warten. Und dies und das und so weiter."
    Das Ziel sei noch immer von jetzt 36 Prozent Anteil erneuerbare Energien bis 2018 auf 40 Prozent zu kommen, sagt Bayerns neue Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Doch erst mit dem neuen EEG, dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz könne weiter geplant werden. Beim Thema Abstandsregelungen scheint der Freistaat jedoch kompromissbereit. Im Bundesrat wolle man jetzt Einfluss nehmen:
    "Indem dass wir die Möglichkeit haben wollen, dass die Kommunen das auch flexibler handhaben können. Je nachdem ob es einvernehmlich ist, kann man auch bei 800 Metern bleiben, und wenn es nicht einvernehmlich ist, kann man auch nach oben gehen. Genau das werden wir im Januar bei Gesprächen mit den Kommunalpolitikern näher durchleuchten."
    In der Gemeinde Berg will man erst einmal die Planungen für die geplanten Windräder abschließen und sich trotz möglicher finanzieller Einbußen und der unsicheren Zukunft der erneuerbaren Energien nicht einschüchtern lassen, so Bürgermeister Monn:
    "Also Tatsache ist, dass wir natürlich in der Gemeinde Berg wie auch im Landkreis Starnberg unsere Bemühung, Windkraftanlagen an geeigneten Standorten aufzustellen, nicht ohne Weiteres aufgegeben wird."