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Engpass bei Schweinegrippe-Impfstoff

Medizin. - Bei der Bekämpfung der Schweinegrippe kommt es in Deutschland zu Versorgungsproblemen. Bis Jahresende stehen nur Impfdosen für rund 20 Millionen Menschen zur Verfügung, sagte Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler in Berlin nach Beratungen mit seinen Amtskollegen aus den Bundesländern. Der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth berichtet im Gespräch mit Gerd Pasch.

11.11.2009
    Pasch: 16 Menschen sind bislang in Deutschland an der Schweinegrippe gestorben. Zuletzt eine 33-jährige Schwangere. Ihr Kind ist wohlauf. Die Bedrohung durch H1N1 rückt näher, und da ist es kein Wunder, dass die anfängliche Impfskepsis der Bevölkerung umgeschlagen ist und sich immer mehr Menschen schützen wollen. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler hatte heute zum Impfgipfel seine Kollegen aus den Ländern, Ärzte, Virenforscher, Impfstoffhersteller geladen. Volkart Wildermuth beobachtete das Treffen. Was passiert jetzt? Wird es den Impfstoff jetzt schneller geben?

    Wildermuth: Naja, ob es den Impfstoff wirklich schneller gibt, das wage ich zu bezweifeln. Das hängt weniger an der Politik als an den Produktionskapazitäten. Aber immerhin wissen wir jetzt, was wir erwarten können. Bis Ende des Jahres, hat Philipp Rösler gesagt, wird es 20 Millionen Impfdosen geben. Das Werk von GlaxoSmithKline, das diesen Impfstoff herstellt, arbeitet rund um die Uhr. Mehr ist einfach nicht drin. Da gab es ja am Anfang Schwierigkeiten, weil dieses Impfvirus nicht richtig wachsen wollte. Die sind jetzt gelöst. Es geht also wirklich jetzt mit voller Kraft voran, die Produktion. Und dass man so viel Impfstoff bis Ende des Jahres erhalten kann, das haben wir übrigens diesen Impfstoffverstärkern zu (verdanken), denn nur dank denen kann man mit so geringen Mengen von Viruseiweiß auskommen. Das ist ein großer Vorteil, wenn es darum geht, ganz viele Leute zu schützen. Aber der Bundesgesundheitsminister und alle anderen denken natürlich auch an die besonders Gefährdeten, und das sind bei der Schweinegrippe ja unter anderem Schwangere. Und einen neuen Impfstoff kann man aus ethischen Gründen an Schwangeren nicht testen. Deshalb greift man hier auf etwas Bewährtes zurück. Die Bundesregierung will bei der australischen Firma CSL Biotherapies den Impfstoff Panvax H1N1 bestellen, der kommt ohne solche Verstärker aus. 150.000 Dosen sollen bestellt werden, das würde für ein Drittel der Schwangeren reichen. Da soll auch die Impfung im Dezember beginnen, dann eben ohne Wirkverstärker.

    Pasch: Die Schweden haben schon vor Deutschland mit den Impfungen begonnen, wie sieht es denn in den anderen Ländern Europas aus?

    Wildermuth: Das ist das Bild recht uneinheitlich. Sehr viele Länder haben mit der Impfung begonnen, fast alle Länder, die direkt an Deutschland angrenzen, also Frankreich, Dänemark, Österreich zum Beispiel, die haben alle schon mit den Impfungen begonnen. In Polen hat man gesagt: Nein, uns ist das alles zu unsicher. Wir wollen Garantien von den Herstellern, dass gar nichts passieren kann. Wir können die nicht geben. Deshalb läuft in Polen im Moment keine Impfaktion. Wenn man sich die Karte in Europa anschaut: Im Moment sind die Hotspots, also die Punkte, wo sich das Virus wirklich massiv ausbreitet, Island, Irland und Großbritannien vor allem. Da wird geimpft, aber da werden erstmal die Personen des öffentlichen Gesundheitswesens geimpft, die Polizei, die Feuerwehr und die Personen mit chronischen Krankheiten, noch nicht die Allgemeinbevölkerung.

    Pasch: Von den Nebenwirkungen ist ja inzwischen weniger die Rede, aber worauf muss man sich denn einstellen, wenn man sich impfen lässt?

    Wildermuth: Da gibt es jetzt eigentlich ganz gute Erfahrungen: Es ist wirklich so, dass sehr häufig es Schmerzen an der Impfstelle gibt. Das ist übrigens bei diesem Wirkstoff, der für die Schwangeren bestellt wird, nicht anders. (...) 20 Prozent der Leute klagen darüber, dass sie an der Einstichstelle Schmerzen haben. Häufig ist auch Kopfschmerz, häufig ist auch ein Tag Fieber, den man dann vielleicht auch besser im Bett verbringen sollte. Also das kann wirklich einen schon beeinträchtigen. Aber das ist eine begrenzte Zeit, und danach geht es den betreffenden Leuten wieder gut. Es hat in Deutschland einen Fall gegeben von einem Schockzustand nach der Impfung. Das kann bei jeder Impfung auftreten, deshalb ist es auch wichtig, dass man nicht direkt nach der Impfung aus der Arztpraxis raus rennt, sondern noch einen Moment sitzen bleibt. Das tritt sehr schnell auf, wenn es auftritt. Der Arzt weiß, wie er damit umgeht, also noch einen Moment sitzen bleiben. Dann muss man auch noch in die anderen Länder gucken, Schweden zum Beispiel. Da ist viel mehr geimpft worden, da gab es fünf Todesfälle in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung. Das muss jetzt überhaupt noch nichts heißen, denn wenn viel geimpft wird, wenn Millionen von Leuten geimpft werden, dann kann das einfach zufällig sein. Das wird weiter untersucht. Bis man da endgültige Sicherheit über solche seltenen Nebenwirkungen hat, das wird noch eine Weile dauern.


    Pasch: Es kommt ja nicht nur auf die Risiken an, sondern auch auf den Nutzen und der hängt an der Bedrohlichkeit des Schweinegrippevirus ab. Mal soll er milde sein, dann sterben plötzlich auch ganz junge Menschen ohne bekannte Probleme. Wie gefährlich ist denn nun das Virus?

    Wildermuth: Ja, es sind wirklich fast zwei Krankheiten. Die Mehrheit der Menschen merkt kaum, dass sie sich infiziert haben, und dann gibt es die wenigen unglücklichen, bei denen es massiv die Lunge angreift. Das ist das Besondere an diesem Virus: Normale Grippeviren schwächen das Immunsystem, dann setzen sich Bakterien oben drauf, es kommt zu einer Lungenentzündung und die ist dann manchmal lebensgefährlich. Dieses Virus H1N1 kann direkt die Lungenzellen schädigen. Deshalb kommt es zu diesen schnellen Krankheitsverläufen, wo die Leute innerhalb kürzester Zeit Atemnot bekommen, in die Intensivstation müssen. Das ist gefährlich, und das tritt eben vor allem bei jungen auf, bei chronisch Kranken etwas häufiger, aber es kann im Grunde jeden treffen.