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Entertainversion von "Viel Lärm um Nichts"

Der Autor und Dramaturg Marius von Mayenburg hat Shakespeares "Viel Lärm um Nichts" zu einer schlanken modernen Entertainversion bearbeitet. Gezeigt wird an der Berliner Schaubühne ein Bildersturm, der in verschiedene Richtungen weht: Horror-, Fantasy-, Militärfilm- und andere Genres.

Von Eberhard Spreng | 01.09.2013
    Ein geschwungenes Portal fasst eine Showbühne ein, darüber glänzt golden eine Muschel; rosa Neonröhren zeichnen deren Konturen nach. Die Seitenbühnen werden von einem goldfarbenen Vorhang kaschiert. Sie flankieren eine große Vorderbühne.In dieser Innenarchitektur im Stil von Kinos der 20er, 50er-Jahre tritt der Gouverneur von Messina auf wie ein Conferencier, begleitet von zwei Damen und singt Leonard Cohens "Everybody Knows". Noch bevor hier irgendjemand auf der Theaterbühne unter einer bösartigen Untreuebeschuldigung leiden konnte, oder sich über die Schlagfertigkeit einer raffinierten Hofdame freuen konnte, ist dieser "Lärm um Nichts" schon im Showbiz verortet.

    Genau genommen bestehen die Figuren in Mayenburgs Inszenierung im Wesentlichen aus ein paar Facetten, die durch Pop-Klischees gekennzeichnet sind. Beatrice zum Beispiel singt erst einmal "Blue Indigo", bevor wir irgendetwas genauere über ihre Seelenlage erfahren.

    Eva Meckbach ist gesangstechnisch zweifellos die Überzeugendste in dieser modernen Entertainversion eines "Viel Lärm um Nichts", das in Mayenburgs schlanker Bearbeitung auf einfältige Gerichtsdiener und andere Nebenfiguren verzichtet. Gerade mal sieben Ensemblemitglieder spielen zehn Figuren in gefühlten 50 Filmen. Die Komödie um Schein und Sein in Liebesdingen, um Täuschung und Vorspiegelung ist zunächst einmal selbst ein Bildersturm, der in verschiedenste Richtungen weht. In Horror-, Fantasy-, Militärfilm- und andere Genres.

    Wenn der harmlosen Hero, die zu heiraten Claudio wohl vor allem wegen der üppigen Mitgift reizt, in der Nacht vor der geplanten Hochzeit Untreue unterstellt werden soll, wird hier im Dienst der Illusion nicht eine getürkte Fensterszene inszeniert, sondern eine wilde Kollage aus Porno, King Kong und amerikanischer Stadtlandschaft projiziert. Wenn dann aber später ein Schauspieler im King-Kong-Affenkostüm leibhaftig aber auch niedergeschlagen auf der Bühne erscheint, ist seine ganze Bildermacht verloschen. Man begreift, im Spiel um Schein und Sein hat der Schein aufgrund seiner medial verstärkten Suggestionsmacht einen viel größeren Reiz. Das Kino trägt über das Theater den Sieg davon. Hier zumindest. Der Spaßfaktor sinkt also, wenn die Schauspieler einmal ganz ohne virtuelles Rollenkleid auskommen und ganz bieder Theater spielen müssen, wie Benedick und Beatrice, dieses Hass-Liebes-Krampf-Kampf-Paar im Kern der Komödie.

    "
    - "Schluss jetzt, Du wiederholst dich. Du solltest Papageien unterrichten."
    - "Ja, lieber ein Vogel mit meiner Zunge als ein Pferd mit deiner."
    - "Ich wünschte, mein Pferd wäre so schnell wie deine Zunge und hätte die gleiche Ausdauer. Mach nur weiter in Gottes Namen. Ich bin fertig."
    - "Och Benedick, immer steigst Du mit einem bockigen Pferdetrick aus, ich kenne dich.""

    Eben noch war Sebastian Schwarz im Tigerkostüm über die Bühne gegeistert ohne je wirklich gefährliche Bestialität zu erzeugen, jetzt ist er als Mensch völlig harmlos und rhetorisch schnell ratlos gegen den Verführungsschutzpanzerknacker Beatrice.

    Wenn von Heros wiederum fingiertem Tod die Rede ist, geistert Robert Beyer als Nosferatu durch eine schwarz-weiße keltische Friedhofswelt. Die pfiffigen Videos des Sébastien Dupouey lassen Dinosaurier miteinander kämpfen, gefakte Wellen sanft an Südseestrände schlagen, seine Bilder rasen quer über Kontinente und durch die Epochen. Gleich zwei Bildebenen auf der Bühne werden für die Projektion genutzt, für Versatzstücke aus Kult-Filmen des 20. Jahrhunderts, manchmal blenden sich hier zwei Videoprojektionen ineinander.

    Einmal ist ein Atompilz zu sehen, wohl ein Hinweis auf den militärischen Grundton der Komödie. In Leonard Cohens Song hieß es ja schon "Everybody knows the good guys lost" und dass alles abgekartet ist und eigentlich müsste über diese durchtriebene siegreiche Horde irgendwann einmal eine Melancholie hereinbrechen, ein Moment des Ekels übers ewige Türken und Tricksen. Aber in Mayenburgs bis zur Ermattung lustig unterhaltenden Inszenierung ist das ausgeschlossen. Und am Ende bleibt da wirklich viel Lärm und viel Nichts.