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Entscheidung in Vilnius

Dresden will ab Freitag zehn Tage lang sein 800. Jubiläum feiern, doch eine dunkle Wolke hing schon seit dem Wochenende über der Stadt. Das Welterbekomitee der UNESCO tagt nämlich seitdem im litauischen Vilnius und der erst 2004 für das Elbtal verliehene Welterbetitel droht den Dresdnern wieder aberkannt zu werden. Grund dafür ist die geplante Waldschlösschenbrücke über das Elbtal. Seit Jahrzehnten wurde über eine Brücke an dieser Stelle diskutiert, nach der Wiedervereinigung hat man dann den Bau vorangetrieben und sogar durch einen Bürgerentscheid abgesichert.

Moderation: Doris Schäfer-Noske | 11.07.2006
    Alles schien gut zu laufen, doch dann brach überregional ein Sturm der Entrüstung los. Architekten und Stadtplaner sprachen ein vernichtendes Urteil, die Brücke verschandele das Elbtal. Nun hat die UNESCO-Kommission die Brücke tatsächlich auf die rote Liste der bedrohten Kulturgüter gesetzt.

    Schäfer-Noske: Ich spreche jetzt mit Dieter Offenhäuser von der Deutschen UNESCO-Kommission. Herr Offenhäuser, wie lautet denn die Begründung?

    Offenhäuser: Also die Begründung lautet, dass Dresden mit dem Bau der Waldschlösschenbrücke, wenn dieser Bau nun umgesetzt würde, doch das Welterbe erheblich schädigen würde. Also man geht davon aus, so wie das Visualisierungsgutachten, das unabhängige, das ja von Dresden in Auftrag gegeben worden ist, auch schließt, dass eben halt eine solche Brücke mitten ins Herz der Welterbestätten, mitten ins Herz der Elbauen, eben das Welterbe in seinem Wert nachhaltig und irreversibel, heißt es in dem Beschluss des Welterbekomitees, irreversibel schädigen würde.

    Schäfer-Noske: Wäre das denn auch so, wenn die Brücke an einer anderen Stelle über die Elbe führen würde?

    Offenhäuser: Das kann ich jetzt nicht mit Ja oder mit Nein beantworten. Der Beschluss des Welterbekomitees fordert Dresden auch auf, jetzt nach Alternativen zu suchen. Und da kann sicherlich auch eine Alternative lauten, die Brücke wird woanders gebaut oder sie wird überhaupt anders gebaut oder es wird keine Brücke gebaut, womöglich eine Tunnellösung. Also das sind alles Fragen die jetzt unter dieser dunklen Wolke, wie Sie es genannt haben, auf der roten Liste des Welterbes zu stehen, die jetzt eben im Dialog geklärt werden müssen und zwar von Land, Stadt und Bund.

    Schäfer-Noske: Da gibt es ja das Problem, dass in Dresden ein Bürgerentscheid durchgeführt worden ist und dass sich da die Bürger für diese Brücke ausgesprochen haben. Was muss denn da jetzt passieren?

    Offenhäuser: Ja, also das Problem Bürgerentscheid, das ja eigentlich kein Problem ist, sondern es ist ja eigentlich sehr begrüßenswert, das ist aber ein etwas in der Öffentlichkeit auch falsch dargestelltes. Die Bürger Dresdens haben ja nicht entschieden, wollen sie eine Brücke oder wollen sie Weltkulturerbe bleiben, sondern die Dresdner sind gefragt worden, wollt ihr eine Brücke. Und daraufhin haben die Dresdner geantwortet, ja, wir wollen diese Brücke. Also, die Schärfe der Entscheiddung stand während des Bürgerentscheids überhaupt noch nicht zur Debatte. Und man wird jetzt Wege finden und suchen müssen, erst mal, und dann sicherlich auch finden, wie man eben halt vielleicht einen neuen Bürgerentscheid, das ist ja ein ganz normales Verfahren, das Dresden ja auch in die Wege leiten könnte, einen neuen Bürgerentscheid herbeiruft. Jedenfalls ist es so, dass man mit diesem Bürgersentscheid natürlich nicht die Regeln einer völkerrechtlich verbindlichen Konvention außer Kraft setzen kann. Und diese Regeln besagen halt, dass Baumaßnahmen, die ein Welterbe erheblich schädigen, dass die zu unterbleiben haben, ansonsten eben der Titelverlust droht.

    Schäfer-Noske: Köln ist gestern mit dem Kölner Dom von der roten Liste wieder gestrichen worden. Dort hat man Baupläne verändert. Warum planen denn Städte wie Köln oder Dresden nicht früher mit der UNESCO?

    Offenhäuser: Naja der Fall Dresden liegt wirklich in der Tat ein wenig kompliziert. Diese Baupläne sind ja auch, ich möchte mich in diesen Streit nicht hineinmischen, muss deswegen sehr vorsichtig jetzt formulieren, diese Baupläne sind ja wohl angeblich auch der UNESCO schon bei der Antragstellung bekannt gemacht worden, nur hat man im Welterbezentrum festgestellt, dass das, was dort damals zur Planungsgrundlage diente, nicht dem entspricht, was nun drohte realisiert zu werden. Sprich, die Lage der Brücke war eine andere, als das Welterbezentrum vermutete, und auch die Größe der Brücke war eine andere. Daraufhin ist ja dieser ganze Prozess überhaupt erst in Gang gesetzt worden, dass das Welterbekomitee der UNESCO Dresden aufgefordert hat, bitte schön doch noch einmal genau alle Fakten auf den Tisch zu legen, ein Sichtgutachten erstellen zu lassen, ein unabhängiges. All das ist erfolgt und nachdem all diese Unterlagen, Dokumente, Visualisierungsgutachten und so weiter auf dem Tisch lagen, hat das Welterbekomitee heute, wie seit gestern zu erwarten, entschieden, Dresden gehört auf die Liste der gefährdeten Welterbestätten.