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Entwicklung eines Roboters
Versenkte Munition automatisch beseitigen

Allein in deutschen Küstengewässern liegen nach Expertenschätzungen rund 1,6 Millionen Tonnen Munition aus den Weltkriegen auf dem Meeresboden: eine gefährliche Altlast. Nun soll für die Beseitigung ein Roboter entwickelt werden - bisher sind dafür sehr gefährliche Tauchereinsätze notwendig.

Von Dietrich Mohaupt | 06.01.2016
    Schon jetzt kommen bei der Beseitigung von Munitionsaltlasten im Meer autonome Systeme, zum Beispiel ferngesteuerte Drohnen, zum Einsatz. Die Besatzung des Minenjagdbootes "Überherrn" hat in der Kieler Bucht mit dem Sonar einen verdächtigen Gegenstand auf dem Meeresboden entdeckt:
    - "Sichtkontakt in Peilung 156, Entfernung 330 Meter – mögliche Grundmine?"
    - "Klassifiziert als mögliche Grundmine!"
    - "Klarmachen zum Drohneneinsatz."
    Die Tauchdrohne "Seefuchs" ist unterwegs. Das ferngelenkte Mini-U-Boot identifiziert das Objekt, dokumentiert seinen Zustand und die genaue Position. Anschließend müssen allerdings Taucher aktiv werden, erläutert Fregattenkapitän Fritz-Rüdiger Klocke:
    "Wenn die Drohne was entdeckt hat, dann wird die Position markiert, sodass eben der Taucher von der Wasseroberfläche in der Lage ist, diesen Kontakt ganz schnell anzuschwimmen. Und dann die Mine oder die Munition sprengtechnisch zu behandeln."
    Zünder werden abgesprengt, anschließend wird die Mine geborgen und entweder an Land unschädlich gemacht oder in ein spezielles Munitionsversenkungsgebiet gebracht. Wenn das nicht möglich ist, wird die Mine am Fundort gesprengt – und genau das ist sehr problematisch: Die Druckwelle kann unter Wasser noch in bis zu vier Kilometern Entfernung zum Beispiel Schweinswale oder andere Meeressäuger schwer schädigen. Außerdem treten sowohl bei der Sprengung als auch aus zahllosen langsam im Meer verrostenden Kriegsaltlasten giftige Bestandteile des Sprengstoffs aus. Und die Arbeit an den Minen ist für die Taucher extrem gefährlich. All das soll künftig anders werden, betont Umweltminister Robert Habeck:
    "Jetzt gibt es ein Forschungsprojekt, das einen Roboter entwickeln soll, der diese Minen im Meer bergen kann, aufschneiden, aussaugen kann. Sodass die Giftstoffe rauskommen, entsorgt werden und dann hat man nur noch Schrott, der dann natürlich auch noch geborgen wird."
    Forschungsprojekt steht noch am Anfang
    Das Forschungsprojekt steht noch ganz am Anfang. Herauskommen könnten dabei spezielle Tauchroboter, die die Munition vom Meeresboden an die Oberfläche auf eine schwimmende Plattform bringen. Hier wird dann der Sprengstoff verflüssigt und anschließend verbrannt. Soweit die Theorie – entsprechende Pläne gab es schon seit Jahren, jetzt können sie Realität werden, hofft Robert Habeck:
    "Es ist nicht mehr nur Theorie. Es gibt jetzt Geld: Der Bund hat drei Millionen gegeben, es gibt einen Partner aus der Privatwirtschaft, der das Projekt voranbringen will – Boskalis, ein großes niederländisches Unternehmen. Und in eineinhalb Jahren wollen wir einen Prototyp haben."
    Die Hamburger Firma Hirdes EOD Services – Tochter des Boskalis-Konzerns – ist federführend an dem Projekt beteiligt. Seit Jahren beschäftigt sie sich mit der Beseitigung von Altlasten beim Bau von Offshore-Windparks. Gemeinsam mit einem ganzen Verbund von Firmen und Forschungsinstituten wolle man eine Technologieplattform entwickeln, die wirklich vollautomatisch Munition aus dem Meer bergen, unschädlich machen und umweltverträglich entsorgen kann, erläutert der technische Direktor Jan Kölbel:
    "Momentan ist es halt so – wir kennen eine große Anzahl an Versenkungsgebieten, wo auch aus historischen Unterlagen bekannt ist, was dort versenkt wurde, in welcher Menge das versenkt wurde. Darüber hinaus haben wir eine sehr hohe Dunkelziffer an unbekannten versenkten Materialien beziehungsweise Einträgen aus Kampfhandlungen, Übungstätigkeit. Und Ziel der Gesamtentwicklung ist es, einen Prototyp zu präsentieren, der demonstriert: Diese Technologie funktioniert und kann genutzt werden."
    Zunächst für Meerestiefen zwischen 0 und 35 Metern
    Das System soll zunächst für Meerestiefen zwischen 0 und 35, später bis 50 Meter entwickelt werden. Wann die geplante neue Technik in der Praxis verfügbar sein wird, ist noch offen. Unklar ist außerdem, in welchem Umfang sie dann tatsächlich zum Einsatz kommen wird. Immerhin: Es gäbe jetzt die Chance, eine Lösung für ein jahrzehntelang ignoriertes Problem zu entwickeln, meint Umweltminister Habeck. Man müsse sie aber auch ergreifen.
    "Es geht nicht darum, Roboter zu bauen, weil es so toll ist, Roboter zu bauen – das ist hier kein Märklin-Modelleisenbahnprojekt. Das zielt am Ende des Tages darauf, dass wir die Munition im Meer tatsächlich anfangen, zu beseitigen. Man muss sagen: Anfangen, weil zwei Weltkriege und auch sonst jede Menge schäbiges Verhalten der Menschheit dazu geführt hat, dass dieses Problem eben nicht innerhalb von einem Jahr zu lösen ist. Deswegen: Roboter entwickeln – möglichst preiswert – und dann mal los."