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Entwicklungsländer fordern Schadensersatz

Der Wirbelsturm auf den Philippinen oder Überschwemmungen, wie sie Bangladesch regelmäßig erlebt: Vertreter von Entwicklungsländern fordern, dass Industriestaaten die Verantwortung für Schäden tragen, die dem Klimawandel zugeschrieben werden.

Von Georg Ehring | 14.11.2013
    Zwei Dinge sind es, um die Klimaschützer sich bisher meist kümmern: Die Welt muss weniger Treibhausgase ausstoßen, und sie muss sich an die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels anpassen – zum Beispiel durch höhere Deiche an der Nordseeküste, wenn der Meeresspiegel steigt. Doch es gibt Dinge, die fallen hier aus dem Rahmen, und damit hat der Klimaschutz ein drittes, nicht weniger brisantes Thema. Der Supertaifun auf den Philippinen ist ein Beispiel dafür, sagt Saleemul Huq aus Bangladesch, der für das International Institute for Environment and Development in London arbeitet.

    "In diesem Fall waren die Menschen gewarnt. Sie flohen in die Notunterkünfte – aber dort sind sie gestorben. Denn dies war ein Supertaifun, etwas, was wir noch niemals vorher auf der Erde erlebt haben. Man kann sich nicht an alles anpassen."

    Und für so etwas fordern Entwicklungsländer jetzt Schadensersatz, und damit haben sie ein neues Fass aufgemacht bei den Klimaverhandlungen. Ihr Argument: Die Industrieländer haben den Klimawandel verursacht und die Vorteile genossen, die die ungehemmte Verbrennung von Kohle und Erdöl bietet. Vor allem Entwicklungsländer sind es, die jetzt die Folgen tragen müssen.

    Die Entscheidung, auch dieses Thema aufzunehmen, fiel im vergangenen Jahr beim Klimagipfel in Doha.

    "Aus der Perspektive der Entwicklungsländer haben wir einen neuen internationalen Mechanismus vorgeschlagen, um mit Verlusten und Schadensersatz umzugehen."

    Sagt Saleemul Huq und er spricht damit gleich den wichtigsten Streitpunkt an. Denn die Industrieländer haben sich zwar nach langem Zögern bereit erklärt, hierüber zu sprechen. Doch sie haben andere Vorstellungen über die Umsetzung, sagt EU-Unterhändler Jürgen Lefevere.

    "Die Herausforderung ist, den bestehenden Institutionen nicht zusätzlich neue hinzuzufügen, sondern in den bestehenden Institutionen Vereinbarungen zu schließen, die den Umgang mit Klimawandel und Schadensersatz regeln."

    Schadensersatz ist ein neues Thema, und das sei mit den alten Mechanismen nicht zu fassen, kontert Saleemul Huq. Je nachdem, was alles als Klimaschäden anerkannt wird, geht es um viel Geld. Die Entwicklungsländer wollen nicht nur eine Kompensation für extreme Naturkatastrophen, sondern auch für langsame aber unerbittliche Folgen des Klimawandels – etwa, wenn ganze Regionen durch den Anstieg des Meeresspiegels versalzen und unbewohnbar werden. So etwas erlebt Saleemul Huq derzeit in seiner Heimat Bangladesch. Oder Schadensersatz für Inseln im Pazifik, die im Klimawandel untergehen. Lösungen sind nicht nur für jeden einzelnen Bewohner nötig.
    "Sie werden irgendwo hingehen müssen, aber was passiert mit ihrem Land? Versinkt die Souveränität im Meer? Werden sie auf dem Meeresgrund ihre Flagge hissen? Dies sind Fragen, die wir beantworten müssen. Das hat mit Anpassung nichts zu tun. An so etwas kann man sich nicht anpassen."

    Die Debatte hat also begonnen, und sie kann durchaus auch zum Stolperstein bei den Verhandlungen werden. Jan Kowalzig von der Hilfsorganisation Oxfam rechnet allerdings nicht damit, dass es schon beim Klimagipfel in Warschau hier zum Schwur kommt. Aber:

    "Ich denke, wir können sagen, dass, wenn es keine adäquaten Lösungen für den Umgang mit solchen Verlusten und Schäden durch Folgen des Klimawandels gibt, dann wird es 2015 nicht zu einem neuen Klimavertrag kommen. Das ist relativ sicher."

    Doch der Streit um Schadensersatz kann auch von dem eigentlich wichtigsten Problem beim Klimagipfel ablenken, und das ist der Schutz des Klimas selbst. Hier gibt es bisher keine neuen Angebote oder Vorschläge, den Ausstoß von Treibhausgasen zu verringern. EU-Unterhändler Jürgen Lefevere:

    "Wenn es Schäden und Verluste gibt, dann ist es eigentlich schon zu spät. Die Verringerung der Emissionen ist nach wie vor das Wichtigste, um den Klimawandel abzumildern und die Schäden, die er verursachen kann."