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Entwicklungsland Deutschland

IT-Technik.- Flächendeckend leistungsfähige Breitbandanschlüsse, ein Megabit für alle, 50 Megabit für mindestens 75 Prozent aller Nutzer: So sollen nach dem Willen der Bundesregierung die deutschen Haushalte im Jahr 2014 an das Internet angeschlossen sein - ein ambitionierter Plan.

Von Jan Rähm | 20.03.2010
    Im Europavergleich der Internet-Zugänge findet man Deutschland auf den vorderen Plätzen. Aber der Schein trügt. Anschlüsse über Kupferleitungen gibt es hier zwar genug, doch nicht dem Kupfer-, sondern dem Glasfaserkabel gehört die Zukunft, meinen Experten:

    "Das Problem daran ist, dass wir hier von Breitbandtechnologien sprechen, die nicht zukunftssicher sind. Und aus diesem Grund haben wir beschlossen, wir machen dieselben Statistiken im Bereich der Glasfaser und dort ist Deutschland tatsächlich weit abgeschlagen."

    In Sachen Breitband-Internet sei Deutschland ein Entwicklungsland, sagt Hartwig Tauber von der Organisation "Fiber to the Home Council Europe". Es seien zwar 98 Prozent aller Haushalte ans Internet angeschlossen, aber drei Viertel von ihnen müssten sich – an Kupferanschlüssen gebunden - mit einer Bandbreite von unter einem Megabit ins Netz schleichen.

    "Der Glasfaserausbau in Deutschland betreffend Fiber to the Home oder Fiber to the Building ist noch im Anfangsstadium. Wir haben eine europäische Statistik aufgestellt von Ländern und deren Status in Glasfaser und Deutschland kommt in dieser Statistik noch gar nicht vor, weil um in diese Statistik zu kommen, muss man wenigstens ein Prozent aller Haushalte mit Glasfaser angeschlossen haben und davon ist Deutschland noch sehr weit entfernt."

    Zum Vergleich: In Japan gehören Glasfaser-Anschlüsse mit mehr als 100 Megabit oder gar einem Gigabit zum Standard-Angebot. In Expertenkreisen heißt es: Deutschland hinke dem asiatischen Staat gut acht Jahre hinterher. Und auch im europäischen Vergleich steht Deutschland nicht gut dar. Litauen zum Beispiel hat eine Glasfaserabdeckung von fast zwanzig Prozent. Die Gründe für den unzureichenden Netzausbau hierzulande sind vielfältig. Offenbar gibt es Probleme, die Glasfaser unter die Erde zu bringen. Nicht die Technik treibe die Kosten in die Höhe, sondern die Baumaßnahmen. Außerdem habe der größte deutsche Anbieter, die Telekom, eine Zeit lang auf die falsche Technologie gesetzt, vor allem im Osten der Republik. Telekom-Pressesprecher Ralf Sauerzapf.

    "Wir haben nach der Wiedervereinigung Mitte der 90er-Jahre die damals modernste und leistungsfähigste Technik für Telefonie ausgerollt und dazu eben auf Glasfasertechnik gesetzt. Da war noch nicht erkennbar, dass für das Internet DSL-Technologie sich durchsetzen wird und das stellt uns halt heute vor Probleme, weil diese Glasfasertechnik, die wir da ausgebaut haben, wie sich heute herausgestellt hat, nicht weiterentwickelt wurde, und von daher für die Telefonie noch sehr gut funktioniert, aber eben nicht mehr für die Übertragung hoher Bandbreiten insbesondere für das Internet."

    Der Internetanschluss per Glasfaser kann heute auf verschiedenen Wegen realisiert werden. Schon recht verbreitet ist der Zugang via "Fibre to the Curb", was soviel bedeutet wie Glasfaser bis zum Gehsteig. Dabei steht ein Verteiler am Straßenrand und der Kunde wird die letzten Meter über Kupferleitung angebunden. Ein Beispiel dafür ist das V-DSL-Angebot der Telekom. Allerdings sind mit FTTC nur Datenraten bis 50 Megabit realisierbar. Deutlich mehr ist drin, wenn die Glasfaser bis in den Keller – man nennt das "Fibre to the Buildung" – oder sogar bis in die Wohnung gezogen wird – "Fibre to the Home". Letzteres will jetzt die Telekom einführen.

    "Das heißt, die deutsche Telekom hat in den letzten drei Jahren regelmäßig um die 300 Millionen Euro pro Jahr investiert in den Breitbandausbau und davon jeweils ungefähr 100 Millionen Euro gerade in das Erschließen neuer Flecken. Rene Obermann hat jetzt praktisch einen Schritt weiter angekündigt, dass wir eben die Strategie haben, Fibre to the Home auszurollen und wir anstreben, bis zum Ende des Jahres 2012 ungefähr zehn Prozent der Haushalte eben mit diesen hochleistungsfähigen Glasfaseranschlüssen auszustatten."

    Die Anbindung über Glasfaser muss so schnell wie möglich Wirklichkeit werden. Das fordert Hartwig Tauber.

    "Ich denke, wichtiger wäre es, die Möglichkeiten hinter diesen Anschlüssen zu sehen. Und da zeigt sich einfach, dass wenn man einen Glasfaseranschluss hat und plötzlich Videos in kürzester Zeit aus dem Internet herunterladen kann, wenn man von zu Hause aus tatsächlich arbeiten kann, dass hier tatsächlich die Lebensqualität des einzelnen, aber auch die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft gesteigert wird."

    Ganz ähnlich denkt auch Godehard Walf. Der Wissenschaftler vom Berliner Heinrich Hertz Institut greift als Beispiel ein weiteres ambitioniertes Projekt der Bundesregierung auf. Die Förderung des Cloud Computings: Dem verteilten rechnen übers Internet.

    "Cloud Computing erfordert extrem hohe Bandbreiten die weit, weit über einem Megabit liegen. Ich behaupte die müssen sogar weit über 100 Megabit liegen damit ich überhaupt vernünftig Cloud Computing durchführen kann. Das heißt, wir reden eigentlich hier über einen Hochgeschwindigkeitszug, aber wir reden nicht über das Schienennetz, um den Hochgeschwindigkeitszug darauf fahren zu lassen."

    Godehard Walf kritisiert aber nicht die Telekom. Das Unternehmen habe sich um die Grundversorgung zu kümmern. Für die Hochgeschwindigkeitszugänge seien lokale Anbieter gefragt wie in München, Hamburg oder Köln, wo Anbieter schon heute den Netzzugang in Gigabit-Geschwindigkeit realisieren.