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Eon-Übernahme von Innogy
"Wir fürchten, dass die Endkundenpreise steigen werden"

Der Energiekonzern Eon übernimmt Innogy, eine Tochterfirma des Konkurrenten RWE. Die Verbraucheranwältin Leonora Holling rechnet nun mit steigenden Strompreisen. Sie empfiehlt Stromkunden den genauen Vergleich von Angeboten - und riet im Dlf auch dazu, selbst mit den Stromerzeugern zu verhandeln.

Leonora Holling im Gespräch mit Stefan Heinlein | 12.03.2018
    Montage zweier Bilder: links das Logo von Eon auf einer roten Flagge, rechts das Logo von Innogy auf einer Ladestation.
    Eon übernimmt Innogy (dpa/imago/Montage Deutschlandradio)
    Stefan Heinlein: Der angekündigte Mega-Deal der Energiebranche war die Wirtschaftsnachricht dieses Wochenendes. Der Verkauf der RWE-Tochtergesellschaft Innogy an den bisherigen Konkurrenten Eon ist ein Erdbeben auf dem bislang so wohlsortierten deutschen Energiemarkt. Aus Rivalen werden Partner, er stellt die Verhältnisse auf dem deutschen Strommarkt auf den Kopf. Doch noch ist das Milliarden-Geschäft nicht unter Dach und Fach. Das Kartellamt und Brüssel werden zur möglichen Neuordnung des deutschen Energiemarktes noch ein Wörtchen mitreden.
    Über die Neuordnung in der deutschen Energiebranche möchte ich jetzt reden mit Leonora Holling. Sie ist Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher. Guten Tag, Frau Holling.
    Leonora Holling: Guten Tag, Herr Heinlein.
    "Gelungener Coup" der Energie erzeugenden Branche
    Heinlein: Aus Rivalen werden Partner. Ist das eine gute Nachricht für uns Stromkunden, für uns Verbraucher?
    Holling: Für Endverbraucher ist das sicherlich gar keine gute Nachricht und ich habe auch große Bedenken, was da auf uns zukommt. Dass die Börse positiv reagiert, wie wir eben im Beitrag gehört haben, ist für mich kein Wunder. Aus Sicht der Energie erzeugenden Branche ist es sicherlich ein sehr gelungener Coup.
    Heinlein: Wieso haben Sie große Bedenken aus Sicht Ihres Verbandes gegen diesen Mega-Deal?
    Holling: Man muss natürlich Folgendes sehen: Wir haben es mit zwei großen Stromanbietern hier in Deutschland zu tun, Eon und RWE, die bisher schon sehr stark am Markt aufgestellt waren und die jetzt Folgendes machen: Der eine beschäftigt sich mit den Netzen und der andere mit der Stromerzeugung. Die Netze – das war immer schon unsere Kritik – haben eine überhöhte Eigenkapital-Rendite. Wir reden von sieben Cent ungefähr die Kilowattstunde, was da zu zahlen ist. Und wir haben auch nach wie vor aus unserer Sicht überhöhte Netzentgelte. Der Einwand, das seien regulierte Preise, den lassen wir so eigentlich nicht gelten, weil wir sagen, wir wissen überhaupt nicht, wie genau reguliert wird, und wir halten einfach die Preise für überhöht. Verteilernetze, um die es hier geht, gehören eigentlich aus unserer Sicht in kommunale Hand, um auch dem Endverbraucher da einen angemessenen Preis anzubieten, und genau den gegenteiligen Trend haben wir jetzt. Wir haben jetzt absehbar einen großen Konzern, der allein für die Verteilernetze zuständig sein wird, und wir fürchten, dass da die Endkundenpreise deutlich steigen werden.
    "Vielleicht auch mal öffentlich protestieren"
    Heinlein: Man kann es ganz einfach machen, Frau Holling. Konkurrenz belebt das Geschäft. Das ist ja eine Regel der Marktwirtschaft. Und wenn es jetzt weniger Anbieter geben wird, weil ja Rivalen jetzt zusammengehen, dann steigen die Preise. Das ist Ihre Erfahrung, das ist Ihre Befürchtung?
    Holling: Das ist unsere Befürchtung. Und man darf auch die andere Komponente bei der Stromerzeugung nicht vergessen. Wir haben beim RWE dann auch eine Konzentration bei Erneuerbaren und beim traditionellen Gewinnen von Energie, sodass auch da wahrscheinlich mit steigenden Preisen zu rechnen sein wird. Denn die vielen Anbieter, die wir ja im deutschen Bereich haben, wohin man wechseln kann, das sind ja letztendlich Stromverkäufer. Das hat ja nichts in erster Linie mit Stromerzeugung zu tun. Die ist nach wie vor bei RWE und den Großen verortet.
    Heinlein: Welche Möglichkeiten haben wir Verbraucher, wir Stromkunden denn, uns gegen mögliche Strompreiserhöhungen dann zu wehren?
    Holling: Ich kann nur sagen, man sollte sehr darauf achten, was hier demnächst passiert, und vielleicht auch mal öffentlich protestieren. Natürlich den Organisationen beitreten, die sich dafür einsetzen, dass wir keine steigenden Preise haben, und auch darauf achten, dass man selber versucht, vielleicht durch Wechsel dem zuvorzukommen. Allerdings habe ich die große Befürchtung, dass auch das Wechseln nichts nützen wird, wenn wir letztendlich bei den hohen Eigenkapital-Renditen bleiben. Sehen Sie, die Netzentgelt-Befreiung, da hat der Gesetzgeber auch alle anderen ausgenommen, wo Netzentgelte zu zahlen waren; da ist nichts passiert. Das zahlt der Endverbraucher.
    "Mehrere Vergleichsportale parallel heranziehen"
    Heinlein: Wo gibt es denn, Frau Holling, nach Ihren Erfahrungen die besten Preise, bei den großen Versorgern oder doch eher bei den kleinen Anbietern, vielleicht den Stadtwerken?
    Holling: Wenn Sie das jetzt beim Endverbraucher verorten, dann würde ich sagen, das kommt darauf an. Es muss jeder für sich gucken, was in seinem Angebotsgebiet am günstigsten ist. Aber vielleicht sollte man sich auch überlegen, wenn man wechselt, nicht nur den billigsten zu nehmen, vielleicht denjenigen, der auch was für Ökostrom tut, oder auch sonst wirklich was für unsere Entwicklung im Strombereich vorhält, und nicht nur auf den Preis achten.
    Heinlein: Jeder Verbraucher muss für sich selber gucken, sagen Sie, Frau Holling. Wie sinnvoll sind denn Internet-Vergleichsportale? Kann man dort rasch herausfinden, was für einen selbst am günstigsten ist?
    Holling: Wenn man sich damit auskennt, kann man das sicherlich. Ich rate immer dazu, mehrere Vergleichsportale parallel heranzuziehen, um auch zu gucken, wie sieht es aus, und dann vielleicht auch mal, wenn man da nicht so sicher ist, ob man einen guten Preis bekommt, bei dem Anbieter, den man sich dort vielleicht ausgesucht hat, auch mal persönlich anzuklopfen und zu fragen, ob vielleicht noch ein besserer Preis drin ist.
    Heinlein: Man kann verhandeln auch als Endverbraucher?
    Holling: Ja.
    "Eon und RWE versuchen vermutlich, sich besser im Markt zu platzieren"
    Heinlein: Blicken wir, Frau Holling, noch mal insgesamt auf diesen Mega-Deal. Was steckt denn eigentlich dahinter? Ist diese Zusammenarbeit, dieses Zusammengehen der Konkurrenten auch eine Folge der Energiewende, also der Abkehr von Kohle und Atomkraft hin zu diesen Erneuerbaren Energien?
    Holling: Es ist natürlich jetzt von unserer Seite aus spekulativ. Der Bund der Energieverbraucher weiß auch nicht genau, was dahinter steckt. Aber es ist natürlich zu vermuten, dass hier Eon und RWE versuchen, sich besser im Markt zu platzieren. Wir haben es gehört: Innogy war nicht besonders erfolgreich am Markt und wahrscheinlich versucht man, auf die Art und Weise doch Marktanteile gutzumachen.
    Heinlein: Innogy ist ja noch eine recht junge Firma, erst seit ein paar Jahren auf dem Markt. Viele kennen es als Ladestation für E-Autos. Glauben Sie, dass das dann auch verschwinden wird?
    Holling: Das ist schwer zu sagen. Ich glaube nicht, wenn zum Beispiel Eon über die Netzstruktur das weiterhin aufrecht erhält, dass dann diese Ladestationen verschwinden, weil man sicherlich auch die Trends zum E-Auto mitnehmen werden wollen wird.
    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Mittag die Vorsitzende des Bundes der Energieverbraucher, Leonora Holling. Frau Holling, ganz herzlichen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Düsseldorf.
    Holling: Vielen Dank, Herr Heinlein.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.