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Schweden: Transparenz gegen ungleiche Löhne

Fragen nach dem Gehalt sind in Deutschland häufig tabu. In Schweden ist das anders: Dort kann jeder die Einkünfte von jedem einsehen. Überhaupt herrscht in Sachen Geld die totale Transparenz. Und so weiß jeder, der es wissen will, dass es in dem Land durchaus weibliche Spitzenverdiener gibt.

Von Carsten Schmiester | 18.03.2019
Stockholm, Sweden Offices of the Swedish tax authorities. | Verwendung weltweit
Skatteverket - das schwedische Finanzamt, das für die Finanz- und Steuerverwaltung zuständig ist (picture alliance)
Transparenz ist in Schweden seit mehr als 250 Jahren als "Öffentlichkeitsprinzip" in der Verfassung festgeschrieben. Es gilt für nahezu alle Unterlagen von Regierung, Behörden oder Gerichten, die jede und jeder einsehen darf. Aber auch für viele private Daten wie die Höhe des Einkommens oder die Summer der gezahlten Steuern. Man kann individuelle Anfragen ans "Skatteverket" richten, ans Finanzamt, oder man macht es sich leicht und nutzt Datendienste.
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Und so weiß jeder, der es wissen will, dass es in diesem Land durchaus weibliche Spitzenverdiener gibt wie Karin Wanngård. Die 43jährige Sozialdemokratin war bis zur Wahl im vergangenen Herbst Bürgermeisterin von Stockholm, verdiente knapp 14.000 Euro brutto im Monat und galt als eine der Vorzeigefrauen des neuen Schwedens, wo 2016 zum ersten Mal Frauen mehr verdient haben als Männer, jedenfalls in den Topjobs öffentlicher Verwaltungen und Unternehmen. Im Schnitt umgerechnet knapp 6.500 Euro brutto, damit also etwa 100 Euro mehr als Männern in gleichen Positionen gezahlt wird. Staffan Isling ist Vorsitzender der Vereinigung schwedischer Führungskräfte in öffentlichen Unternehmen und Einrichtungen. Er beschreibt die Entwicklung:
"In den vergangenen Jahren sind immer mehr Frauen auf diese Topjobs gekommen. Und das ist ja auch logisch. Etwa 70 Prozent aller öffentlichen Mitarbeiter sind weiblich."
"Löfven selbst hat aktuell aber andere Sorgen"
Inzwischen sind landesweit etwa 30 Prozent öffentlicher Chefsessel mit Frauen besetzt. Keine 50, aber immerhin drei Mal so viel wie noch vor 20 Jahren. Schweden ist also noch nicht ganz am Ziel, ihm aber doch näher als anderswo. Das sagt unter anderem die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD. Die traditionelle Transparenz der schwedischen Gesellschaft hat dazu beigetragen, dieses Problem unübersehbar zu machen. Und die "erste feministische Regierung der Welt" arbeitet weiter an seiner Lösung. Nicht, dass Regierungschef Stefan Löfven von den Sozialdemokraten seinen Job freiwillig an eine Frau abgeben würde, aber ansonsten hat er klare Vorstellungen:
"Wir müssen gegen Diskriminierung und Mythen ankämpfen, die sagen, dass Frauenarbeit weniger wert ist und Frauen eigentlich ja gar keine Karriere machen wollen. Denn das stimmt einfach nicht!"
Löfven selbst hat aktuell aber andere Sorgen. Er kämpft mit seiner nach der Wahl im Herbst deutlich geschwächten rot-grünen Minderheitsregierung im politischen Alltag gegen den Widerstand einer starken konservativen Opposition und vor allem gegen die rechtspopulistischen Schwedendemokraten. Den Kampf für Frauen überlässt er deshalb seiner noch ziemlich neuen "Jämställdhetsmydigheten", der nationalen Gleichstellungsbehörde. Sie gehört zum Sozialministerium, soll Regierungsinitiativen effektiver machen und setzt - wenn schon, denn schon - selbst ein deutliches ein Zeichen: mit einer Generaldirektorin, vier Abteilungsleiterinnen und damit einer komplett männerfreien Chefetage.