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"Er wird alles tun, um nicht zu fallen"

Amtsmissbrauch und Umgang mit einer minderjährigen Prostituierten, so lauten die Vorwürfe gegen Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Ab April muss er sich deshalb vor Gericht verantworten. Abgeordnete der italienischen Oppositionsparteien im Europaparlament hoffen, dass das Ende der Ära Berlusconi damit naht.

Von Doris Simon | 16.02.2011
    Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi muss sich im Skandal um die Prostitution Minderjähriger vor Gericht verantworten. Diese Nachricht aus Mailand verbreitete sich rasend schnell unter den Abgeordneten in Straßburg aus allen Parteien und EU-Mitgliedsländern.

    Zu Italiens Ministerpräsidenten kann man in Hintergrundgesprächen viele Einschätzungen hören, gleichgültig lässt der schillernde 74-Jährige kaum jemanden im Europaparlament. Niccolò Rinaldi, ein italienischer liberaler Europaabgeordneter, wirft Berlusconi vor, er habe Italien und die italienische Gesellschaft während seiner Regierungszeit eindeutig zum Schlechten verändert. Die Anklage wegen Machtmissbrauchs sei nur ein weiterer Tiefschlag:

    "Das ist schon ein schwerwiegender Skandal, aber für mich und meine Partei nur einer von vielen in den letzten Jahren. Hier geht's um ein System der Günstlingswirtschaft, eine Philosophie der Macht und der Arroganz, die eine zerstörerische Wirkung entfaltet hat, auch im kulturellen Sinne und in der Mentalität der italienischen Bevölkerung."

    Die Europaabgeordneten von Silvio Berlusconis Partei Popolo della Libertà äußerten sich nicht öffentlich zur Entscheidung des italienischen Gerichts. Einige machten aber deutlich, dass für sie die Anklage gegen den Ministerpräsidenten ein abgekartetes Spiel der Berlusconi-Gegner in der Justiz ist.

    Die Abgeordneten der italienischen Oppositionsparteien im Europaparlament dagegen nutzen schon lange jede Gelegenheit, um sich von Berlusconis Auftritten zu distanzieren und um seine Aktionen scharf zu kritisieren. Der Mann und seine Politik sind vielen peinlich, andere schämen sich: zum Beispiel für Berlusconis Nähe zu Diktatoren wie Muammar el Gaddafi und Alexander Lukaschenko oder seinen berüchtigten Auftritt im Europaparlament, als er dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Martin Schulz Qualitäten als Kapo in einem KZ bescheinigte. Lange sei Berlusconi mit all dem durchgekommen in Italien, sagt der liberale Europaabgeordnete Niccolò Rinaldo und glaubt, nun, mit dem jüngsten schmutzigen Skandal, ändere sich das allmählich:

    "Keine Vorverurteilung, aber wenn die äusserst schwerwiegenden Vorwürfe zutreffen, muss das natürlich vor Gericht geklärt werden.
    Es ist offensichtlich, dass das System Berlusconi; das System dieser Regierung, zugeschnitten auf die Macht eines Einzelnen, immer weiter entlarvt wird. Auch rein äußerlich sind immer deutlicher die vulgären und finsteren Aspekte dieses Systems zu erkennen."

    Der italienische Ministerpräsident müsse nun ernsthaft um den Verlust seiner Macht fürchten, glaubt Rinaldi. Im gleichen Zug warnt der Liberale davor, zu glauben, nun stehe das Ende der Ära Berlusconi unmittelbar bevor.

    "Ich unterschätze nicht die Widerstandskraft von Berlusconi. Der Mann ist äußerst entschieden und immer ein großer Kommunikator gewesen. Sollte er fallen, dann steht für ihn viel auf dem Spiel, deshalb wird er alles tun, um nicht zu fallen. Berlusconi ist auch ein sehr reicher Mann, der viel Geld in die italienische Politik gesteckt hat. Und er hat auch seine Kontakte in Europa. Wir sind entrüstet, aber man darf Berlusconi nicht voreilig abschreiben."

    Das System Berlusconi - "Europa heute" dokumentiert Auszüge aus Mailänder Staatsanwaltschaftsakten
    Nicht nur die Frauen in Mailand haben genug von der Person Silvio Berlusconi
    Auch vielen Menschen in Italien reicht's (AP)