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"Er wird da nicht als Künstler nach Berlin gerufen"

Berlins Regierender Bürgermeister hat den Namen des neuen Staatsoperintendanten bekannt gegeben: Ab 2010 soll Jürgen Flimm den Betrieb managen. Nach Ansicht des Krtikers Frieder Reininghaus handele es sich bei der Oper in Berlin um eine Repräsentationsanstalt. Flimm werde ein trivialeres Segment bedienen. Die Arbeit selbst würde von Adepten und Adelaten gemacht.

Frieder Reininghaus im Gespräch mit Doris Schäfer-Noske | 22.12.2008
    Doris Schäfer-Noske: Die Berliner Staatsoper ist dieses Jahr unfreiwillig in die Schlagzeilen geraten. Zum einen gab es einen wochenlangen Streit zwischen Intendant Peter Mussbach und Generalmusikdirektor Daniel Barenboim, an dessen Ende Mussbach die Staatsoper im Mai vorzeitig verlassen musste. Und im November sorgte dann Exintendant für einen Eklat. Er zog nämlich seinen Namen von der "Hölderlin-Oper" von Peter Ruzicka zurück. Begründung: Sein Libretto sei so stark bearbeitet worden, dass Wesenszüge des Werkes verfälscht worden seien. Heute gab nun Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit den Namen des neuen Staatsopernintendanten bekannt und es ist, wie gesagt, Jürgen Flimm. Frieder Reininghaus, als Favorit war ja auch der Belgier Serge Dorny ins Rennen gegangen, Intendant in Lyon und 20 Jahre jünger als Flimm. Warum hat man sich denn schließlich doch für Flimm entschieden, der zwar lange Zeit einer der Mächtigsten im deutschen Theaterbetrieb war, aber bereits das Rentenalter erreicht hat?

    Frieder Reininghaus: So ganz gewiss kann ich Ihnen das nicht sagen, da müssten Sie die politische Klasse Berlins selbst befragen. Aber die, so scheint es, hat einen kooptiert, der zu ihr passt, und zwar sowohl alters- wie auch mentalitätsmäßig.

    Schäfer-Noske: Flimm kommt ja erst im September 2010. Bis dahin will er Generalmusikdirektor Daniel Barenboim beratend zur Seite stehen, heißt es und mit dem kommissarischen Intendanten Roland Adler die Zukunft des Hauses planen. Reicht denn das? Bis 2011 ist Flimm ja schließlich auch noch in Salzburg.

    Reininghaus: Ich glaube, das reicht völlig, wenn man ein Konzept für die Staatsoper hat, das so beschaffen ist, wie es in den letzten Jahren beschaffen war, nämlich eine Repräsentationsanstalt. Und mit Sicherheit werden die Busunternehmer in Berlin die Entscheidung für Jürgen Flimm als mutig, zukunftsweisend und natürlich nachhaltig begrüßen, einfach deshalb, weil zunehmend Anstalten dieser Art, das ist kein großer Unterschied zur Staatsoper in Wien oder auch zur Deutschen Oper, wobei die eher ein inzwischen etwas ja trivialeres Segment bedient, diese Anstalten sind für Busreisen, für Pauschalreisen bestens geeignet. Damit werden die Reihen gefüllt, mit Abonnementspublikum, das wirklich nichts Neues möchte, keine Innovationen. Die finden wo ganz anders statt in Berlin zum Beispiel.

    Schäfer-Noske: Die Staatsoper steht ja selbst auch vor einem Kraftwerk. Jürgen Flimm hat das selbst genannt, denn 2011 wird sie wegen der Renovierung ins Schiller Theater umziehen müssen. Kann man denn diese Aufgabe dann mit halber Kraft machen? Das ist ja doch auch ein Kraftakt.

    Reininghaus: Jürgen Flimm ist, wenn man es höflich sagen möchte, so etwas wie eine Firma, der sehr konservative Kritiker Gerhard Stadelmaier schrieb ja vor Jahren in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", die nicht im Verdacht des Linksradikalismus steht, "Das deutsche Theater werden von Banden regiert". Jürgen Flimm ist Firmenchef, sagen wir es mal nobel. Und in dieser Funktion muss er nur von seinem verzweigten Apparat, der ihm seit RuhrTriennale spätestens zur Verfügung steht, der natürlich auch in Salzburg steht, einen bestimmten Stab abstellen, der sich um die Logistik des Umzugs von Staatsopernbetrieben, Schiller Theater oder wo sonst wohin bekümmert. Und das ist überhaupt nicht schwierig, weil es umgeben von Adepten, Adlaten, von ja Figuren, die ihm die Arbeit machen. Jürgen Flimm selber hat, wenn ich das richtig sehe, nicht nur mit seinen Inszenierungen ein großes Problem. Die waren ja schon im Mozartjahr 2006 so ausgebrannt, dass selbst die höflichsten Kritiker nicht mehr ganz höflich bleiben wollten. Er ist ein typischer Mittelklassemann des Theaters immer gewesen. Aber er wird da nicht als Künstler nach Berlin gerufen, verwechseln wir das nicht, er ist als Geschäftsführer dort eingestellt worden oder wird eingestellt als Geschäftsführer.

    Und da ist es völlig egal, ob er ein bisschen mehr Alkoholprobleme hat oder ein bisschen weniger. Er hat sich vielleicht dann auch wieder etwas besser unter Kontrolle. Er sollte vielleicht nicht mehr Kritiker tätlich angreifen und ihnen auch nicht im Theaterfoyer nachrufen, dass er sie für Arschlöcher hält. Es empfiehlt sich, vom Berliner Charme zu lernen, dass er sofort verletzt, aber eben auf eine etwas intelligentere Weise, als Flimm das in der Vergangenheit praktiziert, geprägt hat.

    Schäfer-Noske: Über die Alkoholprobleme wollen wir jetzt mal nicht spekulieren. Flimm ist ja auch ein sehr streitbarer Mann.

    Reininghaus: Nein, die riecht man!

    Schäfer-Noske: In Salzburg gab es zum Beispiel zwischen Flimm und Schauspielleiter Thomas Oberender, den er, wie manche sagen, rausgemobbt hat. Wird sich denn Flimm mit Generalmusikdirektor Daniel Barenboim vertragen? Denn das ist ja wahrscheinlich wichtig für das Gelingen des ganzen Unternehmens.

    Reininghaus: Ich bin Kritiker und kein Prophet. Und ob sich zwei solche Figuren wirklich vertragen, wissen wir nicht. Aber Flimm hat Barenboim wieder nach Salzburg geholt und die Voraussetzungen sind nicht ganz schlecht. Und wissen Sie, das Geschäft in dieser Größenordnung, das verbindet.

    Schäfer-Noske: Frieder Reininghaus war das über die Entscheidung Berlins, Jürgen Flimm zum Intendanten der Berliner Staatsoper zu machen.