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Erbfolgestreit auf dem Grünen Hügel

Am 13. August 1876 hob sich der Vorhang zu den ersten Bayreuther Festspielen und zur ersten kompletten Aufführung des "Rings des Nibelungen". Richard Wagner hatte sich einen Traum erfüllt: eEin eigenes Theater zur ausschließlichen und mustergültigen Aufführung seiner Werke. Noch heute existieren die Bayreuther Festspiele. Sie haben mehrere Kriege überstanden, sie werden immer noch geführt von einem Mitglied der Familie Wagner und gelten als eines der renommiertesten und ältesten Festivals der Welt.

Von Dieter David Scholz | 05.11.2007
    Freilich, die Glanzzeiten Bayreuths sind lange vorbei. Künstlerische, finanzielle und personelle Probleme überschatten das Unternehmen heute. Vor allem die Nachfolgefrage Bayreuths steht im Raum. Wolfgang Wagner, seit 1966 der Chef der Festspiele, ist mit 88 Jahren kaum mehr in der Lage, die gewaltigen Aufgaben seines Unternehmens zu bewältigen. Er ist gesundheitlich stark angeschlagen. Die Bewerberinnen aus der eigenen Familie für seine Nachfolge sitzen in den Startlöchern. Doch die Nachfolgeregelung ist ein schwieriges Unterfangen, dessen Prozedere genau geregelt ist durch die Satzung der Richard Wagner Stiftung Bayreuth aus dem Jahre 1973.

    Gewiss ist, dass seit dem Tode Richard Wagners die Nachfolgeregelungen äußerst problematisch waren. Ein Rückblick: Am 13. Februar 1883 starb Richard Wagner. Cosima, seine Witwe, hatte schon wenige Tage nach Wagners Tod die Leitung der Festspiele übernommen. Obwohl Wagner sie nicht als Nachfolgerin auserkoren hatte. Er wusste warum. Cosima verfälschte denn auch die Festspielidee ihres Mannes zugunsten ihres antisemitischen, nationalistischen Sendungsbewusstseins. Immerhin: Unter ihrer Leitung wurden die Bayreuther Festspiele zu einem erfolgreichen Unternehmen. Die prophetischen Worte Friedrich Nietzsches hatten sich erfüllt: "Die Deutschen haben sich einen Wagner zurechtgemacht, den sie verehren können". Mit Cosima begann recht eigentlich die verfälschende Wagner-Idolisierung. Richard erschien ihr...

    "... als gewaltige Rettung des germanischen Geistes...",

    ... wie man Cosimas Tagebüchern entnehmen kann. 1907 zog sich Cosima von der Festspielleitung zurück und übertrug sie ihrem inzwischen 38-jährigen Sohn Siegfried.

    Siegfried Wagner, er war ein weithin geachteter Komponist und Dirigent, setzte auf Erneuerung der Bühnenästhetik und sorgte für frischen Wind in Bayreuth, das in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ein Pilgerzentrum für das kunstbeflissene Großbürgertum, den europäischen Adel, die Kulturschaffenden und für sensationshungrige Gäste aus ganz Europa und Übersee geworden war.

    1915 heiratete Siegfried Winifred William, eine gebürtige Engländerin und Waise, die von dem Pianisten Karl Klindworth, einem engen Freund Richard Wagners, adoptiert wurde. Ihrer Ehe entsprangen vier Kinder: Verena, Friedelind, Wieland und Wolfgang, der heutige Festspielleiter. Aus der katastrophalen Inflation, die dem Krieg folgte, gingen die Bayreuther Festspiele bankrott hervor. 1921 gründeten die Wagner-Vereine zur Unterstützung von Bayreuth eine "Deutsche Festspielstiftung Bayreuth". Dank Spendenaufrufen, aber auch Konzert- und Sponsorenwerbereisen Siegfrieds in den USA, konnte man 1924 die Bayreuther Festspiele wiedereröffnen. Am 4. August des Jahres 1930 erlag er, während der Proben zum "Tannhäuser", einer Herzattacke, nur vier Monate übrigens nach Cosimas Tod. Nach Siegfrieds Tod war es wieder eine Witwe, die die Macht in Bayreuths Hügel an sich riss: Winifred setzte sich energisch gegen die Wagnerfamilie durch, die seit Cosimas Zeiten ein in sich verfeindeter, höchst kapriziöser Clan war, obwohl sie weder über Kenntnisse aus des Meisters erster Hand verfügte, noch über fachliche Kompetenz. Sie war auf Berater angewiesen. Vor allem aber war Winifred Wagner eine begeisterte Hitler-Verehrerin der ersten Stunden. Der Schulterschluss mit Bayreuth brachte Hitler bürgerliche Reputation und Winifred finanzielle Sicherheit.

    Nach Kriegsende und Spruchkammerverurteilung Winifred Wagners als belastet im Sinne der Förderung und Nutznießerschaft des Dritten Reiches, womit ihr jedwede weitere Festspielleitung untersagte wurde, musste ein Generationen- und ein Führungswechsel in Bayreuth stattfinden. Winifred setzte ihre beiden Söhne Wieland und Wolfgang zur Fortführung bzw. Wiederaufnahme des Festspielbetriebs ein. Der Weg war frei für einen Neuanfang. Neue Sänger, neue Dirigenten und gänzlich neue Regiekonzeptionen zogen ein ins Bayreuther Festspielhaus. Das wurde im In- und Ausland als ein theatergeschichtliches Ereignis allerersten Ranges gefeiert. Das Wort von der "Entrümpelung" machte die Runde. Es war eine szenische Revolution der Wagnerbühne, die Wieland Wagner initiierte. Er schuf "Neubayreuth":

    "Ich suche eine musikalische Abstraktion. Dass ich Bayreuth als Werkstatt betrachte, in der unermüdlich gearbeitet wird, hat den Grundcharakter Bayreuths verändert. Und ich habe mich entschieden, dass wir grundsätzlich so frei wie möglich arbeiten müssen. ... Wir sind andere Menschen, und wir haben Kriege durchgemacht!"

    Der Tod Wieland Wagners 1966 markierte eine Zäsur in der Nachkriegsgeschichte der Bayreuther Festspiele. Wolfgang hatte ein Festspielunternehmen geerbt, das künstlerisch zu den angesehensten und innovativsten in der Welt zählte. - Noch heute ist Wolfgang Wagner Chef am Grünen Hügel zu Bayreuth. Doch längst sind die Bayreuther Festspiele nicht mehr das, was sie einmal waren. Neue Impulse in Sachen Wagner kommen schon lange nicht mehr aus Bayreuth. Bei allen Vorbehalten gegenüber Wolfgang Wagners künstlerischen Entscheidungen der letzten drei Jahrzehnte muss man konstatieren, dass er als Festspielleiter, Manager und Organisator ein kaum zu ersetzender Festspielchef ist. Zu seinen größten Verdiensten gehört die Gründung der Richard-Wagner-Stiftung. Es gelang ihm nach mehrjährigen Verhandlungen, ein Übereinkommen zwischen der Wagnerfamilie, der Bundesrepublik Deutschland, dem Land Bayern und anderen Vertretern der regionalen Politik und Öffentlichkeit, zu erreichen, den gesamten Wagnerbesitz, also das Festspielhaus, die Villa Wahnfried und das Wagner-Archiv in eine Stiftung öffentlichen Rechts zu verwandeln. Am 2. Mai 1973 wurde die "Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth" errichtet, die den Bayreuther Festspielen eine neue Grundlage gab und eine gesicherte Zukunftsperspektive gewährleistete. Das Festspielhaus wird seither von der Stiftung an den Festspielleiter Wolfgang Wagner verpachtet. Damit wurde die private Institution der Festspiele der Wagners beendet und den Bayreuther Festspielen ein nationaler Status zugestanden, von dem Richard Wagner einst geträumt hatte.

    Wie jede kulturelle Einrichtung sind auch die Bayreuther Festspiele von Zuschüssen der Öffentlichen Hand und von privatem Mäzenatentum abhängig. Wolfgang Wagner gelang es, den Anteil öffentlicher Subventionen im Gesamtetat - in diesem Jahre ca. acht Millionen - stets unter 40 Prozent zu halten. Dabei sind - dank eines weitausgreifenden Kultur-Sponsorings die Eintrittspreise in Bayreuth deutlich niedriger als bei vergleichbaren Musikfestivals. Die billigsten Karten kosten 6,50 Euro. Die teuersten 228,50 Euro. Auch die Pflege von mittlerweile nahezu 140 Richard-Wagner-Verbänden mit gegenwärtig 37.000 Mitgliedern darf ebenfalls als kommerzielle Meisterleistung gelten. Denn durch eine Kontingentierung von Karten an die Wagner-Verbände bzw. deren Richard-Wagner-Stipendienstiftung konnte Wolfgang Wagner eine hohe interne wie auch externe Bindung an die Festspiele aufbauen. Diese Kontingente verringern zumindest das freie Angebot von ursprünglich 57.750 Karten pro Saison und tragen damit zur konstanten Überbuchung bei. Wer heute eine Eintrittskarte für Bayreuth bestellt, wartet bis zu zehn Jahre. Davon träumen andere Festivals nur. Wolfgang Wagner ist zu Recht stolz auf seine Lebensleistung.

    "Die Quintessenz ist die, dass ich zumindestens die Bayreuther Festspiele also, soweit durch meine Tätigkeit für die Bayreuther Festspiele überhaupt menschenmöglich ist - gesichert betrachten kann, und das war also auch eine meiner Hauptarbeiten, die ich vollbringen wollte durch die Gründung der Stiftung. ( ... ) Man wollte verhindern, dass eventuell durch eine Erbauseinandersetzung das ganze kostbare Wagnersche Manuskriptenmaterial zum Beispiel, oder auch die Bibliothek und die ganze Hinterlassenschaft von ihm, einschließlich des Festspielhauses, irgendwie in eine Lage gerät, dass es alles durch Familienauseinandersetzungen zerfleddert und kaputtgeht."

    1976 hatte sich Wolfgang Wagner nach 33 Jahren von seiner Ehefrau Ellen Drexel scheiden lassen und heiratete Gudrun Mack, seine Sekretärin, was das Verhältnis zu seinen Kindern dramatisch verschlechterte. Er trennte sich schließlich von Eva Wagner, seiner Tochter, die er nach Wielands Tod als Mitarbeiterin ins Bayreuther Festspielunternehmen geholt hatte. Seinem Sohn Gottfried erteilte er Hausverbot. Seither haben sich die zerstrittenen Familienverhältnisse des Wagnerclans noch mehr verhärtet als sie ohnehin schon waren. Der Bruch Wolfgang Wagners mit allen anderen Mitgliedern der Wagnerfamilie und sein bedingungsloser Alleinherrschaftsanspruch als Chef der Bayreuther Festspiele war ein für allemal zementiert. Seit 1986 ist Wolfgang Wagner Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter der Bayreuther Festspiele GmbH , seit 1987 mit einem Vertrag auf Lebenszeit.

    Schon 1999 hatte Gottfried Wagner das Startsignal gegeben, damit der Stiftungsrat der Bayreuther Richard-Wagner-Festspiele ein Verfahren einleiten konnte, um die Nachfolge des amtierenden Festspielleiters zu bestimmen. Als Kandidaten um das Amt des Nachfolgers Wolfgang Wagners bewarben sich neben seiner Gattin Gudrun und mehreren familienfernen Interessenten vor allem die Nichte Wolfgang Wagners, Nike Wagner, und die kaum öffentlich von sich Reden machende, verstoßene Tochter Wolfgangs aus erster Ehe, Eva Wagner-Pasquier. Doch über den Nachfolger des jetzigen Festspielleiters hat allein der Stiftungsrat der Richard-Wagner-Stiftung zu entscheiden. Wie in der Stiftungsurkunde von 1973 nachzulesen ist. Das entscheidende Kriterium der Ernennung ist die fachliche Befähigung. An sich haben, so steht es schwarz auf weiß, Mitglieder der Wagner-Familie bei gleicher Qualifikation das Primat. Sollte sich aber kein ausreichend qualifiziertes Mitglied der Familie finden lassen, kann auch ein Nichtmitglied der Familie Chef in Bayreuth werden.

    Im März 2001 gab das vierundzwanzigköpfige Gremium des Stiftungsrates seine Entscheidung bekannt. Es hielt Wolfgang Wagners Tochter aus erster Ehe, Eva Wagner-Pasquier für die aus dem Kreis der Familie geeignetste, weil opernerfahrenste Bewerberin. Das Votum aber blieb folgenlos, da Wolfgang Wagner, gestützt auf seinen auf Lebenszeit lautenden Vertrag als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Festspiele GmbH, gar nicht daran dachte, seine Position aufzugeben.

    In diesem Sommer hat Wolfgang Wagner seine 29-jährige Tochter Katharina gewissermaßen in Bayreuth inthronisiert, jedenfalls als Regisseurin. Sie gab am Hügel ihr Debüt mit einer Meistersinger-Inszenierung, die die faschistische Rezeptionsgeschichte auf die Bühne brachte und für die sie mehr Buhs als Bravi erntete. Nach einer beispiellos gelenkten Pressekampagne, hat sich Katharina Wagner (in den Medien zum Fotomodell stilisiert) öffentlich als Nachfolgerin ihres Vaters ins Spiel gebracht. Die umstrittene Regisseurin Katharina Wagner hat inzwischen fast ein halbes Dutzend Wagner- und andere Opern an verschiedenen Theatern inszeniert und assistiert der Bayreuther Festspielleitung schon seit ein paar Jahren. Und doch: Was sind ihre Visionen? Konzeptionell hat Katharina Wagner wenig anzubieten. Ihre Vorstellungen sind diffus und keineswegs originell.

    "Als ich glaub mal, zunächst muss man in Bayreuth die Bereitschaft haben, auch ´n gewisses Risiko einzugehen. Das wurde ja mit Schlingensief getan, und ich glaube, man muss auch im Orchesterbereich weitergehen, dass man sagt, Herr Thielemann ist eine nicht wegzudenkende Größe, aber gleichzeitig kann man eben auch Dirigenten nehmen, die nicht die typischen Vertreter des Wagnerklangs sind, und dann wiederum sind wir an ´nem Punkt, der sehr interessant wird: Besetzung. Wenn das Orchester einen anderen Klang kriegt, kann man auch wiederum anders besetzen."

    Katharina Wagner sorgt sich offenbar so sehr um den Erfolg ihrer Bewerbung, dass sie sich inzwischen gemeinsam mit dem Dirigenten Christian Thielemann und mit dem Komponisten Peter Ruzicka - er war bis 2006 Intendant der Salzburger Festspiele - um die Nachfolge ihres Vaters bewirbt. Ein reines "Machtkalkül", denn die wilde Hummel Katharina und der erzkonservative Dirigent haben völlig unterschiedliche Ansichten zu Wagner und zu Bayreuth. Thielemann soll lediglich als Garant dafür herhalten, dass Katharina nicht über die Stränge schlägt. Peter Ruzicka soll wohl seine Erfahrungen als Manager und Geschäftsführer in das Trio einbringen. Dem Berliner "Tagesspiegel" gegenüber sagte Ruzicka: Zu allem anderen als Bayreuth hätte er nein gesagt. Aber die Wagner-Festspiele seien ein Projekt von nationaler Bedeutung, und wenn man da helfen könne, dürfe man sich der Verantwortung für diese kostbare Ikone nicht entziehen. Auch Christian Thielemann zeigte sich über die Aussicht auf eine Zusammenarbeit mit dem ihm befreundeten früheren Intendanten der Salzburger Festspiele hocherfreut. Die Bild-Zeitung zitierte ihn: "Peter Ruzicka in unserem Team ist die Idealbesetzung. Etwas Besseres kann Bayreuth gar nicht passieren". Wobei zu bedenken ist, dass noch fast jedes Dreierdirektorien sich über kurz oder lang zerstritten hat. Auch Nike Wagner, die um jeden Preis nach Bayreuth will, scheint nervös zu werden, denn sie hat inzwischen vorgeschlagen, die Bayreuther Festspiele gemeinsam mit ihrer Cousine, Eva Wagner-Pasquier zu führen. Die hat das Angebot einer Doppelspitze zur Leitung der Festspiele in der Presse allerdings entschieden abgelehnt. Von der Nachfolgekandidatin Eva Wagner erfährt man fast nichts. Der Öffentlichkeit und der Presse verweigert sie sich. Anders Nike Wagner:

    "Ich habe Ende der Neunzigerjahre schon einmal ein Neuanfangskonzept für Bayreuth vorgelegt. Insofern weiß man, wer ich bin, was ich gemacht habe, wie ich denke, in welcher Weise ich für Erneuerung einstehe. Und was ich darunter verstehe."

    Es geht bei der Besetzungsfrage des Chefsessels der Bayreuther Festspiele einzig und allein um künstlerische Erfahrung im Opernmetier, Professionalität, Unabhängigkeit von Familieneitelkeiten und theaterpraktische Kompetenz, um nichts anderes! Bisher hat der Stiftungsrat mit seinen 24 Stimmen Wolfgang Wagner gegenüber immer wieder klein beigegeben. Am 6. November will er zu seiner nächsten Sitzung zusammentreten. Ob er die Nachfolgefrage aufs Tapet bringt, weiß man nicht. Es besteht allerdings dringender Handlungsbedarf. Denn Wolfgang Wagners Alter und seine inzwischen arg angeschlagene Gesundheit geben zu denken! Längst - so pfeifen es die Spatzen von den Bayreuther Dächern - hält die Wolfgang-Gattin und Katharina-Mutter Gudrun die Zügel des Festivals in Händen. Und das künstlerische Niveau der Bayreuther Festspiele lässt zu wünschen übrig. Überall sonst in der Opernwelt hört man inzwischen bessere Sänger als in Bayreuth. Auch an großen Dirigenten mangelt es im Festspielhaus, und seit Chéreaus "Ring" 1976 sind auch bedeutende Regisseure in Bayreuth Mangelware.

    Vor wenigen Tagen, am 29. Oktober, hat der Ehrenpräsident der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth, Edgar Hilger, der Illustrierten "Bunte" Rücktrittsforderungen an den 88-jährigen Festspielleiter Wolfgang Wagner erhoben. Da Wolfgang Wagner gesundheitlich stark beeinträchtigt ist, sich aber bisher geweigert hat, seinen lebenslangen Vertrag als Festspielleiter zu beenden, wird bereits offen darüber diskutiert, ob er für geschäftsunfähig erklärt und damit abgesetzt werden solle. Denn nur bei "uneingeschränkter Geschäftsfähigkeit" gelte Wagners Vertrag auf Lebenszeit. Im übrigen seien die Festspiele nicht im Privatbesitz der Familie Wagner, so Hilger:

    "Wolfgang Wagner führt schon seit einiger Zeit die Festspiele aufgrund seines gesundheitlichen Zustandes nicht alleine. Das aber ist die Voraussetzung des Pachtvertrags mit dem Stiftungsrat der Bayreuther Festspiele, der damit erloschen ist."

    Wolfgang Wagner hatte stets die Finanzen seines Hauses im Griff. Doch seit seine Frau am Grünen Hügel das Sagen hat, haben sich die Verhältnisse geändert. Der Vorsitzende der "Gesellschaft der Freunde Bayreuths" meldete schon für 2006 einen Fehlbetrag des Festspielbetriebs von rund 1,65 Millionen Euro. Die Mäzenatengesellschaft wolle dieses auch für 2007 und 2008 zu erwartende Defizit zwar ausgleichen. Hilger sagte dazu aber wörtlich:

    "Wir können nicht auf Dauer die Misswirtschaft der derzeitigen tatsächlichen Festspielleitung ausgleichen."

    Der Stiftungsrat tagt nun am 6. November und hat Wolfgang Wagner geladen. Ein Mitglied, das nicht näher genannt werden wollte, sagte dem Magazin "Bunte", wenn der 88-Jährige sich krankheitshalber entschuldigen ließe,

    " ... werden wir uns das nicht gefallen lassen und ihn wieder und wieder vorladen. Das unwürdige Versteckspiel mit einem offensichtlich kranken Mann, das da mit ihm getrieben wird, muss aufhören."

    Toni Schmid, Vorsitzender des Stiftungsrates und Ministerialdirigent im Bayerischen Kunstministerium, erwartet sich von der Sitzung am 6. November allerdings keine Entscheidung über die Nachfolge in Bayreuth. Doch es besteht dringender Handlungsbedarf! Die entscheidende Frage lautet: Wird sich der Stiftungsrat weiterhin erpressen lassen? Und Wolfgangs Tochter Katharina - in welcher Konstellation auch immer - zur künftigen Chefin nominieren? Denn nur unter dieser Voraussetzung würde Wolfgang Wagner ja von seinem Vertrag zurücktreten. Aber verspricht Katharina eine Zukunft Bayreuths? Ihre mangelnde musikalische Urteilskraft, ihr mangelndes Vertrauen in das Werk Richard Wagners, aber auch ihre verquasten konzeptionellen Vorstellungen lassen eher Schlimmes befürchten. Der Stiftungsrat der Bayreuther Festspiele kann sich diesen Zweifeln gegenüber nicht verschließen. Aber wird er gegen Wolfgang Wagner und seinen lebenslangen Vertrag revoltieren? Ihn zum Aufgeben zwingen oder ihn entmündigen lassen? Wohl kaum. Und so steht zu befürchten, dass alles beim alten bleiben wird. Dass der Stiftungsrat auf Zeit spielt und die Entscheidung einfach aussitzt. Bis Wolfgang Wagner das Zeitliche gesegnet hat. Dann nämlich könnte der Stiftungsrat völlig frei einen Nachfolger küren. Und der müsste nicht einmal aus der Familie stammen. Das wäre vielleicht die beste Lösung. Der Stiftungsrat ist um seine Entscheidungsfindung nicht zu beneiden