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Erdgasfund in Ägypten
Rückenwind für Al-Sisi

Ein Energiekonzern hat in Ägypten ein Gasfeld entdeckt - das größte, das bislang im Mittelmeer gefunden wurde. Die Bevölkerung wird zweifelsohne davon profitieren, schließlich gibt es eine Strom-Unterversorgung. Der größte Profiteur aber ist ein anderer: Präsident Al-Sisi generiert sich als neuer Heilsbringer.

Von Elisabeth Lehmann | 11.09.2015
    Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi während eines Treffens der Arabischen Union.
    Bezogen auf die wirtschaftliche Situation ihres Landes sind viele Ägypter eher nicht gut auf ihren Präsidenten zu sprechen. Die Entdeckung des Gasfeldes hilft Al-Sisi also enorm. (AFP / Mohamed El-Shaded)
    Eine kleine Wäscherei im Stadtteil Manial im Süden Kairos. Abdel Latif läuft der Schweiß von der Stirn. Der Dampf des Bügeleisens zieht ihm ins Gesicht. In dem kleinen Raum steht die Hitze. Draußen sind es noch immer fast 40 Grad. Eine Klimaanlage gibt es nicht. Zu teuer. Strom ist kostbar in diesen Tagen.
    "Ich zahle etwa 20 Prozent mehr als im letzten Jahr. Dabei nutze ich genauso viel Strom. Ach, weniger, weil ich jetzt weniger Maschinen habe."
    Eine Waschmaschine ist kaputt gegangen. Ersatzteile gibt es nicht. Abdel Latif zeigt auf die riesige Waschmaschine im Vorraum. Eine italienische, wie er stolz betont. Doch die nützt ihm im Moment auch nichts, denn sie steht still.
    "Wir haben jetzt zwar nur noch eine Stunde Stromausfall am Tag, aber dafür gibt es oft kein Wasser. Letzten Donnerstag und den davor hatten wir den ganzen Tag kein Wasser. Dann müssen wir die Maschinen komplett abschalten und können nicht arbeiten. Dadurch verlieren wir Zeit."
    Ägypten hat in den vergangenen Wochen eine beispiellose Hitzewelle erlebt. 45 Grad und mehr waren Alltag – zu viel für die Kraftwerke im Land. Sie haben eine installierte Gesamtleistung von rund 30 Millionen Kilowatt. Zum Vergleich: In Deutschland schaffen die Kraftwerke etwa 180 Millionen Kilowatt. Spitzen im Stromverbrauch können damit abgefedert werden. In Ägypten laufen die Kraftwerke fast immer unter Volllast und mindestens einmal am Tag brechen die Netze dann einfach zusammen. Die Nachricht über den Fund eines riesigen Gasfeldes vor der Küste Ägyptens erscheint daher wie ein Segen.
    Die Euphorie in den ägyptischen Medien kennt keine Grenzen. Die Fernseh-Moderatoren berichten überschwänglich und danken Gott. Das "Zohr"-Gasfeld, das der italienische Energiekonzern ENI entdeckt hat, sei das Ende aller Probleme, schwärmen sie. Es werde Ägypten retten. Da ist sich auch Regierungschef Ibrahim Mehleb sicher:
    "Gott sei Dank, kann ich immer nur wieder sagen. Gott sei Dank! Dieser Fund ist eine Botschaft Gottes. Er zeigt, dass Gott an der Seite des ägyptischen Volkes steht. Das ist eine große Wende in Ägyptens Energie-Geschichte."
    Und tatsächlich ist es ein beachtlicher Fund, den ENI da in der vergangenen Woche gemacht hat. So beachtlich, dass sich der Chef des Energie-Konzerns, Claudio Descalzi, zu der Formulierung hinreißen ließ, man habe ein "super-gigantisches Erdgasfeld" entdeckt, das Ägyptens Bedarf auf Jahrzehnte decken könnte. Das "Zohr-Feld", etwa 200 Kilometer vor der Stadt Port Said, umfasst nach Schätzungen von ENI 850 Milliarden Kubikmeter Gas. Es ist damit das größte, das je im Mittelmeer entdeckt wurde.
    "Es kann schnell gebohrt werden; es wird nur einen Monat dauern, um damit anzufangen. Die Infrastruktur ist vorhanden, das spart Zeit und die Entwicklungskosten werden auch nicht so hoch sein."
    Schon kurz bevor ENI mit der Nachricht über seine Entdeckung an die Öffentlichkeit ging, war Descalzi in Kairo, um Verhandlungen mit der ägyptischen Regierung zu führen, wie er dem Fernsehsender CNBC sagte.
    "Ich war in Kairo, um alles mit den Ministern und dem Regierungschef zu diskutieren. Und wir wollen sehr schnell mit der Förderung beginnen. Ich will jetzt kein Datum sagen, aber es ist eine Frage von ein paar Jahren, um voll zu produzieren. Ich denke, das wird eine sehr schnelle Entwicklung."
    Gut für Ägypten, denn das Land braucht das frische Gas dringend. Ägypten ist nach Algerien der zweitgrößte Erdgas-Produzent Afrikas. Doch das reicht nicht. Alle 15 Sekunden wird ein neuer Ägypter geboren, das Land knackt gerade die 90-Millionen-Marke. Der Energiebedarf steigt ständig.
    Dennoch hat sich die Lage ist in diesem Jahr, verglichen mit der im vergangenen Jahr, aufgrund der politischen Situation schon deutlich verbessert, sagt Nadine Abdel Raouf. Sie arbeitet im Ägyptischen Zentrum für ökonomische Studien und beobachtet die Energie-Situation in ihrem Land seit Jahren.
    "Der Energiesektor stand unter großem Druck in den vergangenen drei Jahren. Es hat vor allem an Investitionen gemangelt. Es lag aber auch an der Energieknappheit nach der Revolution und der politischen Instabilität."
    Ägypten gewinnt seinen Strom zu rund 75 Prozent aus Erdgas, den Rest größtenteils aus Öl. In Zukunft, so die Schätzungen der Regierung, wird sich der Strombedarf des Landes um sieben Prozent jedes Jahr erhöhen. Ägypten war lange Zeit Energie-Exporteur, doch die Zeiten sind vorbei, sagt Nadine Abdel Raouf.
    "Die Ausgaben für Import-Öl haben sich in den vergangenen drei Jahren auf 13 Milliarden Dollar erhöht. 2010, also vor der Revolution, lagen sie bei fünf Milliarden US-Dollar."
    Seit 2015 muss die Regierung nun auch Gas importieren. Sie hat sich nach dem 4. September 2014 zu diesem Schritt entschlossen. An diesem Tag wurde klar, dass die Energie-Krise nicht mehr anders in den Griff zu bekommen ist.
    Um drei Uhr morgens gingen die Lichter im ganzen Land aus – und blieben es für den Rest des Tages. Betroffen waren auch die Kairoer Metro und große Fernsehsender. Sie waren bis dahin immer verschont geblieben, auch wenn der Rest der Bevölkerung im Dunkeln saß.
    "Nach den wiederholten Stromausfällen in den vergangenen drei Jahren hat die Regierung den Energie-Sektor zur Chef-Sache erklärt."
    Die Regierung ist sich darüber bewusst, welche Sprengkraft die Energieknappheit haben kann. Mohammad Mursi, für ein Jahr Ägyptens Staatsoberhaupt und Vorgänger von Präsident Abdel Fattah Al-Sisi, ist unter anderem darüber gestolpert. Als Benzin und Gas im Sommer 2013 knapp wurden, zogen Hunderttausende auf die Straße und Al-Sisi, damals noch General, setzte den Muslimbruder Mursi kurzerhand ab. Nun will es Al-Sisi selbst besser machen.
    Der frühere ägyptische Präsident Mohammed Mursi
    Mohammed Mursi wurde 2013 vom Militär gestürzt (picture alliance / dpa / Fernando Bizerra Jr)
    Es läuft gut im Moment für Ägyptens Machthaber. Knapp 500 Tage ist Präsident Abdel Fattah Al-Sisi im Amt und seine Umfragewerte waren nie besser. 90 Prozent der Ägypter stehen laut dem Meinungsforschungsinstitut Baseera hinter ihrem Präsidenten.
    "Kein Staatschef hat so viel erreicht wie Al-Sisi. In nur einem Jahr! Jemand anders hätte das auf keinen Fall geschafft. Ich fühle mich sicher solange er an der Macht ist. Er beschützt das Land."
    "Gott schütze Al-Sisi für uns! Er bekommt alles hin. Er bringt Ägypten zum Blühen. Er macht wundervolle Projekte für die Jugend. Wir leben unter schweren Bedingungen im Moment, aber es wird besser. Man muss durch harte Zeiten gehen, um bessere zu erleben. "
    "Der Suez-Kanal ist ein wundervolles Projekt. Es wird Ägypten entwickeln. Es wird mehr Arbeit für die Jugendlichen geben."
    Die Ägypter sind im Rausch, zumindest wenn es um den Suez-Kanal geht. Die Regierung scheint im Moment alles richtig zu machen.
    Anfang August feiert Abdel Fattah Al-Sisi den größten Erfolg seiner Amtszeit. Triumphierend in Parade-Uniform fährt er auf einem Schiff in den neu gebauten Suez-Kanal ein, begleitet von patriotischer Musik und Fanfaren. Kampfjets donnern über die Szenerie hinweg, die den Zweiflern zeigen soll: Ägypten ist zurück auf der Weltbühne und kann – wenn es will – Unmögliches möglich machen.
    Präsident Sisis auf einem Schiff auf dem Suez-Kanal. Neben ihm steht ein Kind - ebenfalls in Uniform - und schwenkt die ägyptische Flagge. 
    Präsdent Al-Sisi und ein ägyptisches Kind bei der Eröffnung des erweiterten Suez-Kanals. (dpa/Office of the Egyptian Presidency )
    "Der neue Suez-Kanal ist nicht nur eine Ingenieurs-Leistung. Die Freude der Ägypter bezeugt die Bedeutung dieses Projekts. Sie haben sich und der Welt bewiesen, dass sie es immer noch können. Und ich denke, der neue Kanal ist nur der erste von 1.000 weiteren Schritten. Er ist nur ein einziger Schritt von 1.000. Wir sind gefordert!"
    7,5 Milliarden Euro hat der Bau des neuen Kanals gekostet. Immer wieder betont Al-Sisi, dass er der Welt damit ein Geschenk machen wollte. Aber in erster Linie wohl auch sich selbst und den Ägyptern. Zwölf Milliarden Euro Einnahmen wird der Kanal jährlich in die Kassen spülen, hat Al-Sisi seinem Volk versprochen. Damit will er das neue Ägypten bauen.
    "Die Inbetriebnahme der Schifffahrt auf dem Suez-Kanal und seine beispiellos schnelle Fertigstellung gehen über die politischen oder wirtschaftlichen Ziele hinaus. Es unterstreicht die humanitäre Dimension, die Ägypten in der Zukunft anstrebt, in der Würde, Gerechtigkeit und Stabilität realisiert werden in einem modernen, demokratischen, zivilen Staat durch die Mobilisierung der Fähigkeiten der Ägypter auf verschiedenen Gebieten."
    Die meisten Ägypter glauben den schönen Worten ihres Präsidenten. Sie wollen ihnen glauben, denn sie sehnen sich nach Stabilität. Dass Ägypten de facto vom Militär regiert wird, also keineswegs ein ziviler Staat ist; dass zu einer Demokratie ein Parlament gehört, das es bisher nicht gibt – all das wollen viele Menschen im Land nicht sehen. Sie folgen ihrem Präsidenten und hoffen, dass er Ägypten aus der Krise führen wird. Dass er die Terroristen des Islamischen Staats besiegt, die immer öfter Anschläge im Land verüben. Dass er Wohlstand herbeizaubert.
    "Es gibt eine starke Politik des Wartens, in der Versprechungen gemacht werden, dass die Dinge besser werden."
    Amr Adly ist Analyst am Carnegie-Zentrum, einem unabhängigen Think-Tank für den Nahen Osten. Der 33-Jährige rührt in seinem Tee und schüttelt den Kopf. Seiner Ansicht nach sind seine Landsleute zu leichtgläubig. Sie wollen schnelle Erfolge sehen. Sie wollen, dass sich ihr Leben in kurzer Zeit verbessert und denken nicht an morgen:
    "Die wirtschaftliche Erholung hat zu tun mit langfristiger Stabilität, die sehr fragwürdig ist in Ägyptens Fall. Es gibt vielleicht im Moment Stabilität. Aber es gibt viele politische Probleme, die im Prinzip ungelöst sind. Vor allem wenn es um die Zukunft des politischen Systems geht. Es gibt immer noch keine Parlamentswahlen. Wir haben keine Idee, wie das politische System genau aussehen wird. Es ist die Rede von Verfassungsänderungen, damit es wieder komplett präsidial wird. Aber wir haben keine Idee, wer das kommende Parlament dominieren wird. Es gibt Fragen ohne Ende."
    Die Wahlkommission hat in der vergangenen Woche die Daten für die Parlamentswahlen bekannt gegeben. Wieder einmal. Jeweils zwei Tage Mitte Oktober beziehungsweise Ende November werden diesmal angestrebt. Beim letzten Versuch hat das Verfassungsgericht die Wahlkreisaufteilung für nicht zulässig erklärt. Die Abstimmung wurde kurzfristig abgeblasen.
    Allzu traurig dürfte Präsident Al-Sisi darüber nicht gewesen sein, spekuliert Adly. So konnte er noch einige seiner Anti-Terror-Gesetze durchbringen – ohne ein Parlament fragen zu müssen. Die Begründung, mit dem Gesetz die Sicherheit Ägyptens zu garantieren, reichte aus, um es durch das Kabinett zu winken. Alles im Namen der Stabilität. Amr Adly:
    "Die Qualität dieser Stabilität ist fraglich, denn die Regierung hat sie zu einem sehr hohen Preis erreicht. Nämlich durch politische Unterdrückung und die Zurückeroberung des öffentlichen Raums durch den Staat auf eine sehr autoritäre Art und Weise. Und das ist problematisch, denn sie haben keine Basis geschaffen für eine langfristige Stabilität."
    "Der Aufbau Ägyptens ist auf dem richtigen Weg"
    Nach wie vor gibt es nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen rund 40.000 politische Gefangene. Nach wie vor wird jede Form der unbequemen Berichterstattung unterdrückt. Der Fall der drei Al-Jazeera-Reporter, die ein zweites Mal zu Haftstrafen verurteilt wurden, löste international Kritik an Ägypten aus. In Kairo weist man jede Schuld von sich. Alles entwickle sich in die richtige Richtung, wie Premierminister Ibrahim Mehleb in einem Interview mit dem ägyptischen Fernsehen betont:
    "Die Regierung hat bei Gott geschworen, dass sie die Interessen dieses Volkes wahren wird. Und das wird sie auch tun, indem sie die Wahlen organisiert, von denen die ganze Welt Zeuge sein wird. Und jedem, der gefragt hat, ob er diese Wahlen beobachten kann, haben wir gesagt 'Herzlich Willkommen'. Komm, sieh dir das an, beobachte. Wir haben nichts zu verbergen. Der Aufbau Ägyptens ist auf dem richtigen Weg. Das ist ein Weg im Namen Ägyptens."
    Des einen Freud' ist bekanntlich des anderen Leid. Während Ägypten sein neu entdecktes Erdgas wie einen Schatz feiert, löst der Fund bei anderen Ländern wenig Begeisterung aus. Ägypten hat im Moment Importverträge mit Russland und Algerien. Am meisten ärgert sich wohl aber Israel, wie dessen Energie-Minister Yuval Steinitz in der vergangenen Woche im israelischen Radio unumwunden zugab.
    "Dies ist ein schmerzhafter Weckruf über die Dummheit unseres Verhaltens. Jahrelang haben wir die Suche nach Gas und die Entwicklung aufgehalten; nichts geht voran. Das ist die Dummheit all der Regulatoren und auch der Regierung."
    2009 wurde vor der Küste Israels das "Tamar"-Gasfeld entdeckt, ein Jahr später "Leviathan". In beiden Feldern zusammen werden 900 Milliarden Kubikmeter Gas vermutet, die unter anderem nach Ägypten exportiert werden sollten. Doch ein Streit innerhalb der israelischen Regierung über Lizenzen und Förderverträge hat den Start des Unternehmens immer wieder verzögert. Nun hat Ägypten sein eigenes Gasfeld und das Geschäft könnte Geschichte sein, sagt Energie-Expertin Abdel Raouf.
    "Ich denke, Ägypten wird das Geschäft noch einmal überdenken, denn es kann durch die Entdeckung nun seinen heimischen Bedarf abdecken. Es ist nicht mehr dringend darauf angewiesen, Gas aus Israel zu importieren. "
    Der ägyptische Energie-Minister Sherif Ismail hat zwar versucht, den Israelis die Angst zu nehmen. Ägypten werde weiterhin mit Israel verhandeln, versicherte er. Doch die Regierung weiß auch, dass das Abkommen mit Israel noch nie besonders beliebt war bei der ägyptischen Bevölkerung.
    Allerdings sei die Regierung gut beraten, sich trotz des Gasfeldes nach weiteren Energiequellen umzuschauen. Denn eine Studie habe ergeben, dass ein Mehr an Gas auf lange Sicht keine Lösung ist. Nadine Abdel Raouf:
    "Selbst wenn wir noch mehr Erdgas nutzen, werden wir immer noch ein Defizit haben und die Energie-Knappheit wird bestehen bleiben. Die Regierung kann also nicht aufhören, den Energie-Sektor zu reformieren. Wir müssen in alle Richtungen denken und alle Optionen ausloten, um die Energie-Sicherheit zu garantieren."
    Zwar stammt die Studie aus der Zeit vor der Entdeckung von "Zohr". Doch auch diese Gasvorkommen werden irgendwann verbraucht sein. Ein Plan für einen sinnvollen Energie-Mix ist nicht in Sicht. Erneuerbare Energien zum Beispiel spielen nach wie vor kaum eine Rolle. Gerade einmal neun Prozent seines Stroms gewinnt Ägypten aus Sonne, Wind und Wasser.
    "Die entdeckten Vorkommen sind schon gewaltig"
    Die Ägypter wollen schnell Erfolge sehen – und Al-Sisi liefert. Laut Weltbank haben seine Maßnahmen zu 2,2 Prozent Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr geführt. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es sogar 5,6 Prozent. Dass das Gas das Wirtschaftswachstum maßgeblich steigern wird, bezweifelt Analyst Adly allerdings:
    "Die entdeckten Vorkommen sind schon gewaltig. Es ist das größte Gas-Feld im Mittelmeer. Aber es wird sicherlich nicht Ägyptens Wirtschaft radikal verändern. Das wird nicht passieren."
    Es mangele einfach an einer klaren Linie, wohin das Land steuern soll, meint Amr Adly.
    "Das Problem ist: Die Regierung scheint sehr effizient zu sein auf Projekt-Basis, also wenn es um die Ausführung von Einzelprojekten geht. Aber eine Ansammlung von Projekten addiert sich nicht zu einem großen Wirtschaftsprogramm. Sie haben einfach kein Programm."
    Auch Al-Sisis Beliebtheit scheint in erster Linie projektbezogen zu sein. Spricht man Menschen auf der Straße auf den Suez-Kanal an, loben sie ihren Präsidenten. Fragt man nach der wirtschaftlichen Situation, kippt die Stimmung. Mohammad Mahmoud El Sayed sitzt vor seinem kleinen Kiosk. Er hat ihn seit ein paar Jahren. Wie lange er ihn noch halten kann? Er zuckt mit den Schultern.
    "Wir sind wieder ganz am Anfang. Jeder Händler, selbst der reichste, kümmert sich gerade nur darum, wie er seine Familie jeden Tag satt bekommt. Politik oder Wirtschaft sind egal. Alles, worum wir uns Gedanken machen, ist sieben, acht Euro am Tag nach Hause zu bringen. Wirklich, wir fangen wieder ganz von vorne an!"
    Die Reden der Regierung über den vermeintlichen Aufschwung sollen die Moral der Ägypter stärken. In der Realität kommt bei den meisten wenig davon an.